Fitnessarmbänder, Smart Watches oder intelligente Blutzuckermessgeräte sind bei Kunden beliebter denn je. Viele Tools erweisen sich als hungrige Datenkraken, und GKVen werfen ihre Netze aus. Jetzt zieht Heiko Maas die Notbremse.
Hightech am Handgelenk: Einer repräsentativen Umfrage von Bitkom Research zufolge nutzen momentan 31 Prozent aller Deutschen Fitnesstracker. Besonders beliebt sind Fitnessarmbänder (18 Prozent aller Nennungen), gefolgt von Smartphones (13 Prozent) oder Smartwatches (sechs Prozent). User erfassen unterschiedliche Vitalparameter, etwa die Körpertemperatur (99 Prozent aller Nennungen), das Körpergewicht (75 Prozent), die Schrittzahl (62 Prozent) sowie die zurückgelegte Strecke (57 Prozent). Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder spricht von Potenzialen im Präventionsbereich. 75 Prozent aller Gesunden und 93 Prozent aller chronisch Kranken wären generell bereit, Vitalwerte an Ärzte zu übertragen. Soweit zur Theorie. In der Praxis gibt es nach wie vor Schwachstellen.
Jetzt hat die Stiftung Warentest Gadgets unter ihre kritische Lupe genommen. Ihr Fazit: Nur zwei von zwölf Fitnessarmbändern erwiesen sich als gut. Um beispielsweise Trainingspläne anzulegen oder den eigenen Schlaf zu analysieren, benötigen User neben dem Armband selbst eine App. Bits und Bytes landen zur Analyse in der Cloud. „Beim Schutz der Daten fällt Fitbit negativ auf: Wenn der Nutzer Freunde einlädt, überträgt die App für Geräte mit Android-Betriebssystem sämtliche E-Mail-Adressen – ohne ihn zu informieren“, schreiben die Tester. Das ist aber nur eine Seite der Wahrheit. Übernehmen Health Professionals Vitalparameter direkt aus Patientengeräten, gelangt mit dem Import womöglich Schadsoftware in die eigene IT. Nachdem Android und Windows schon oft zum Ziel von Hackerangriffen wurden, nahmen in den letzten Monaten Angriffe auf iOS zu. Im schlimmsten Fall spioniert Schadsoftware Patientendaten aus oder zerstört wichtige Daten. Deshalb fordert Bernhard Rohleder: „Bei der Verarbeitung der besonders sensiblen Gesundheitsdaten müssen die höchsten Standards für Datenschutz und technische Sicherheit der Geräte eingehalten werden.“
Neben kriminellen Machenschaften führen legale Wege ebenfalls an die begehrten Daten. Eine wachsende Zahl privater Krankenversicherungen hat Apps entwickelt, um Versicherten gesunde Verhaltensweisen zu vergolden. Generali will noch im ersten Halbjahr 2016 das Paket „Vitality“ anbieten. Im Produktportfolio heißt es: „Zu Beginn ermitteln Kunden ihre persönlichen Gesundheits- und Fitnessniveaus. Sie setzen ihre persönlichen Ziele fest, die sie im Laufe des Programms erreichen wollen.“ Je nach Erfolg oder Misserfolg winken Rabatte beziehungsweise Gutscheine in unterschiedlicher Höhe. Solche Offerten sind für junge, gesunde Versicherte nur allzu verlockend. „Allen Anwendern, die Fitness-Apps freiwillig herunterladen, rate ich, nicht unbedacht mit ihren sensiblen Gesundheitsdaten umzugehen und die kurzfristigen finanziellen Vorteile, welche die Datenoffenbarung vielleicht mit sich bringt, gegen die langfristigen Gefahren abzuwägen“, sagt Andrea Voßhoff, Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit. Vom Gesetzgeber fordert sie, privat versicherte Patienten besser zu schützen. „Die Mitglieder gesetzlicher Kassen sind durch Gesetz vor der unbedachten Preisgabe sensibler Daten und den damit verbundenen unabsehbaren Folgen geschützt.“ Begehrlichkeiten gibt es trotzdem. Jens Baas, Chef der Techniker Krankenkassen, ist zwar „strikt dagegen, Tarife mit gesundheitsbewusstem Verhalten zu verknüpfen“. Er kann sich aber vorstellen, für Mitglieder Vitalparameter-Daten zu managen. Seine Idee: Elektronische Patientenakten enthalten nicht nur medizinische Informationen, sondern Daten, die beispielsweise von Fitnesstrackern erhoben wurden. Für ihn ist die nächste Revolution, Bits und Bytes zusammenzuführen.
Ob Versicherte hier aufspringen, sei dahingestellt. Eine Befragung des Markt- und Meinungsforschungsunternehmens YouGov hat gezeigt, dass Konsumenten nicht nur Angst vor falschen Messwerten (32 Prozent) oder sinnlosen Gesundheitsratschlägen (31 Prozent) haben. Rund 39 Prozent machten sich Sorgen über ihre Daten, während 28 Prozent hier keine Schwierigkeiten sahen. 32 Prozent sagten, persönliche Gesundheitsdaten gingen Dritte nichts an, und 49 Prozent wollten selbst bestimmen, wer welche Informationen bekommt. „Die Studie zeigt: Fitness- und Gesundheitsdaten sind Teil der Privatsphäre“, so Verbraucherschutzminister Heiko Maas (SPD). Niemand sollte gezwungen werden, seine Fitness überwachen zu lassen. Maas weiter: „Das bedeutet zum Beispiel, dass man bei Krankenversicherungen keine Nachteile haben darf, weil man seine Gesundheitsdaten nicht zur Verfügung stellt.“ Er fordert einen besonderen Schutz für Gesundheitsdaten und will prüfen, ob Einschränkungen auf Grundlage der neuen EU-Datenschutzgrundverordnung möglich sind.