Kinder sind ein Geschenk. Manche sagen auch, sie seien ein Jungbrunnen. Definitiv sind sie gelegentlich eine Fundgrube: für diverse Gegenstände, die man als Arzt aus ihnen rausholen muss, weil sie mehr oder weniger versehentlich in den Körper gelangt sind. Meine Top-7-Funde.
Einer Studie aus den USA zufolge haben sich in den letzten zwanzig Jahren die Fallzahlen, bei denen Kinder Fremdkörper verschluckten, verdoppelt. Die Wissenschaftler Danielle Orsagh-Yentis et al. führen das auf die Zunahme von Knopfbatterien in elektronischen Geräten zurück, denn genau diese wurden am häufigsten gefunden. Aber auch Münzen, Nägel, Schrauben oder Ringe mussten die Notfallmediziner im Krankenhaus bergen.
Selbstverständlich habe auch ich auf diesem Gebiet Erfahrungen gemacht. Es folgt eine Liste der sieben interessantesten Objekte, die ich bisher aus Körperöffnungen von Kindern herausbringen musste (plus einem Bonusklassiker):
Ich musste einmal einem Achtjährigen mehrere kleine Steinsplitter aus der Fußsohle popeln, keine schöne Aufgabe. Etwas blutig, sehr tapfer der Mann, viel Desinfektionsmittel. Der Junge war barfuß Fahrrad gefahren (ohne Bremse) und musste schnell abspringen. Ins Schotterbett. Aua.
Das sei kein Fremdkörper? Bei Kindern unter drei Jahren sehr wohl! Kaugummi haben in diesem Alter im Mund nichts verloren. Wenn der Doc dann noch den Rachen inspiziert, weil das Kind so viel Halsweh habe, kann er froh sein, wenn das Kaugummi am Spatel festklebt und nicht beim Abwehrschreien fehlverschluckt wird.
Gut, das ist jetzt nicht wirklich etwas Besonderes, da Zecken sich gerne die unmöglichsten Stellen suchen, um zuzustechen. Augenlider, hinterm Ohr, in der Achsel oder eben im Bereich der warmen weichen Haut der Genitale. Im aktuellen Fall war es aber gar keine Zecke, das habe ich auch erst mit der Lupe erkannt, sondern Schorf. „Die Unterhose hat so gerieben“, sagte der Zwölfjährige. Ja. Bestimmt. Reiht sich übrigens ein in die vielen vielen Schmutz- und Schorfstellen, die ich in der Praxis schon als vermeintliche Zecken entfernen musste.
Nochmal die kleinen possierlichen Tierchen, diesmal in Massen. Vor ein paar Jahren kam ein Kind mit zehn Zecken am Bein zu mir in die Praxis, glücklicherweise waren es nur kleine Nymphenstadien, die sich leicht entfernen ließen. Sehr beeindruckend, aber wohl nicht selten, wenn man in ein Zeckenbrutgehege tritt.
Naja, das ist mittlerweile Standard. Keine Ahnung, warum die Dinger so eine Anziehungskraft auf die Choanen ausüben, aber es vergeht wohl kein Monat, in dem wir nicht eine Bügelperle aus einem Nasenloch ziehen. Meist in Rosa. Meist bei Mädchen. Don’t ask me why. Ich habe mir abgewöhnt, die geborgenen Perlen zurückzugeben. Eine Zweijährige war so schnell und hatte sie ruckzuck wieder ins andere Nasenloch gesteckt. Die Mama fands lustig.
Wieder ein gestürzter Junge, diesmal durch Schubsen vom Freund. Leider ist der Kerl direkt in einen Busch gefallen, und irgendwie hat er sich dabei ein kleines Ästchen in den Gehörgang geschoben. Ganz dünn, ganz spitz und drei Zentimeter lang. Am Ende konnte ich es bergen, das Trommelfell blieb heil, am Ästchen waren sogar zwei kleine Blätter und eine Miniblüte. Schade, da wäre bestimmt etwas gewachsen und hätte mir eine Veröffentlichung eingebracht.
Die Mutter wusste nur, dass die ganze Familie gebastelt habe, kleine Kastanienfiguren. Dann aber hatte Klein-Melanie komisch geniest und geweint und sich immer wieder auf die Nase gezeigt. Bevor sie lange geschaut hatten, sind sie lieber zu uns in die Praxis gekommen. Mit vereinten Kräften, also mit zwei fMFA und mir, konnten wir mittels Nasenspekulum und stumpfer Pinzette schließlich den Fremdkörper sehen: Ein Spielzeugauge, zum Aufkleben. Sehr flach, sehr rutschig, sehr gruselig. Trotzdem rausgezogen. Diesen Blick werde ich nicht mehr vergessen.
All das sind Alltäglichkeiten in der Kinderheilkunde. Nicht unerwähnt bleibt aber der Klassiker aus der Social-Media-Szene, das Ereignis, das bei Twitter die so genannte #Globukalypse auslöste und seinen Protagonisten, HNO-Kollegen Lübbers, endgültig zum Homöopathiegegner machte:
„Beim Kind mit einer akuten eitrigen Mittelohrentzündung 10 Globuli aus dem Gehörgang geholt … #Homöopathie wirkt: Dummheit potenziert sich.“ (Dr. Christian Lübbers via Twitter 8.1.2017)
Als Arzt wünscht man sich, dass Eltern sich erst die Zeit nehmen und in der Wohnung alle erreichbaren Ziele für das Kind in Augenschein nehmen, bevor sie besorgt zu mir eilen. Der Leitspruch „Keine Kleinteile für Kinder unter drei Jahren“ hat seine Berechtigung, das gilt nicht nur für Spielzeug, sondern auch für alles andere, was Kinder in die Hand bekommen. Das klassische Verschlucken ist dabei meistens nicht so schlimm: Der Magen-Darm-Trakt kann in aller Regel einiges vertragen, Legosteine, sogar Nadeln. Genau wie Geldmünzen kommen sie auf natürlichem Wege wieder ans Tageslicht. Große Ausnahme: Knopfbatterien. Sie können sich auflösen und zu Verätzungen führen. Auch Spielzeug mit Magneten sind immer zu bergen.
Wann immer aber ein Würgen oder ein Husten dazu kommt, muss ein Arzt konsultiert werden, hier ist der Fremdkörper einen falschen Weg gegangen, nämlich in die Lunge, oder er steckt noch irgendwo in der Speiseröhre.Nüsse und Kaugummis können bei Kindern bis zum Vorschulalter zu gefährlichen Aspirationen (Fehlverschlucken in die Luftröhre) führen. Wann immer der Verdacht besteht, dass Kinder etwas in den falschen Hals bekommen haben, gilt: Ab ins Krankenhaus!
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