Es würde wohl niemand auf die Idee kommen, dass das Design von Arzneimittelschachteln zu Medikationsfehlern führen könnte. Genau das ist aber kürzlich passiert. So wurde die Zahl sieben einem Unternehmen zum Verhängnis.
Manche Medikamente müssen in der Originalverpackung gelagert werden, um den Inhalt vor Licht oder Feuchtigkeit zu schützen. Dazu gehören beispielsweise Nifedipin-Tropfen, Atorvastatin- oder Amoxicillin-/Clavulansäure-Tabletten.
Es ist unstrittig, dass Verpackungen als Kommunikationskanal und damit auch der Markenbildung dienen. Das ist bei Arzneimitteln nicht anders: Ein Produkt soll leicht im Gedächtnis behalten und schnell identifiziert werden können. Das ist sowohl bei Rx- als auch bei OTC-Arzneimitteln von Bedeutung, denn Kunden merken sich oftmals das Produkt anhand der Schriftfarbe, der besonderen Funktion, Handhabung der Darreichungsform oder auch durch eingesetzte Motive mit Wiedererkennungswert. „Ich möchte das Schlafmittel mit dem Schäfer“ oder „Auf der Faltschachtel meiner Schilddrüsentabletten ist ein Schmetterling“ sind nur zwei Beispielsätze, wie sie Apothekenmitarbeiter im Berufsalltag oft zu hören bekommen.
Präparate mit einem hohen Wiedererkennungswert der Sekundärverpackung können auf der einen Seite dazu führen, dass Verwechslungen von Arzneimitteln vermieden werden. Auf der anderen Seite können sie aber für zusätzliche Verwirrung sorgen, wie ein aktueller Fall zeigt.
Fair-Med gestaltet seit Anfang des Jahres die Aufmachung seiner Produkte minimalistischer, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Name und Stärke des Arzneimittels werden in schwarzer Schrift auf weißem Hintergrund angebracht und sollen für die Identifizierung ausreichen. Zusätzlich wurden die Packungen mit einer Zahl versehen, die die Zugehörigkeit zu einer Indikationsgruppe darstellen soll.
Was verstehen Patienten oder Apotheker, wenn auf einer Amlodipin-Packung die Zahl 7 gedruckt ist, die über die gesamte Packungshöhe reicht? Wahrscheinlich entweder die Stärke des Wirkstoffs pro Dosiseinheit oder die Tablettenanzahl in der Verpackung. Dass sich eine unternehmensinterne Zahl dahinter verbirgt, darauf würden Apothekenmitarbeiter und auch Patienten wohl eher nicht kommen.
Ob die 7 intern für die Gruppe der Herz-Kreislauf-Mittel steht oder nicht, interessiert das pharmazeutische Personal, das täglich den Spagat zwischen Kundenwünschen, Rabattverträgen und Retaxationen schafft, herzlich wenig. Denn die Zahl hat zudem keine wissenschaftliche Grundlage und ist auch nicht aus der (Hochschul-) Ausbildung in irgendeiner Form bekannt. Im Vorfeld wurden die Apotheken zudem nicht informiert, das Chaos war daher vorprogrammiert.
Das Packungsdesign sorgte für Verwirrung und zu zwölf (potenziellen) Medikationsfehlern, wie aus der Meldung der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) zu entnehmen ist. Darin wurde die Umgestaltung der Faltschachtel angekündigt - sehr zur Erleichterung der Apotheker und PTA. Die schwarze 7 werde zukünftig auf Packungen nicht mehr aufgebracht.
Apotheker meldeten der AMK, dass insbesondere Patienten mit schlechtem Sehvermögen dazu neigten, die Medikamente falsch einzunehmen. Sie seien verunsichert und irritiert gewesen. In acht Fällen hätten sie die 7 als Dosisangabe gedeutet. Selbst das pharmazeutische Personal war mit seinem Latein am Ende, drei Apotheken wechselten sogar auf ein anderes Präparat. „Mehrere Apotheken hielten eine Beratung der betroffenen Patienten bezüglich der Aufmachung für nötig, um Missverständnissen vorzubeugen“, heißt es weiterhin in der Meldung.
Der Fall macht deutlich, dass Design und Aussagekraft einer Arzneimittelpackung nicht zu unterschätzen sind. Denn auch die Verpackung transportiert Informationen, sie kommuniziert mit demjenigen, der sie in der Hand hält. Außerdem wird sichtbar, wie mit weniger Informationen potenziell mehr Medikationsfehler auftreten können. Scheinbar benötigt die Marketingabteilung von Fair-Med noch ein wenig Nachhilfe in Sachen Minimalismus.
Artikel von Deniz Cicek-Görkem
Bildqulle: Miguel Á. Padriñán, Pexels