Durch die Chemikalienverbotsverordnung ist die Abgabe von gefährlichen Stoffen streng geregelt. Jetzt kommen noch einige Erneuerungen hinzu. Sie gelten ab dem 1. Juni 2019 und betreffen auch das pharmazeutische Personal.
Die PTA schaut den etwa dreißigjährigen Mann, der vor ihr steht, genau an. Er wirkt etwas nervös, tritt von einem Fuß auf den anderen. Er schaut sie nicht an, als er seine Bestellung abgibt. Einen Liter Diethylether möchte er kaufen und einen Liter Schwefelsäure. Der Kunde erklärt hastig, dass er damit seinen verschmutzten Teppich und die Toilette reinigen will, und dass es damit am besten funktioniert.
Dass diese beiden Chemikalien Schmutz gut lösen, weiß die PTA. Sie weiß aber auch, dass man sie zur Herstellung von illegalen Drogen in Labors verwendet. Ob sie die gewünschten Produkte nun abgibt, liegt in ihrem Ermessen.
Mitarbeiter des pharmazeutischen Personals besitzen aufgrund ihrer Ausbildung die Sachkunde für die Abgabe von Chemikalien und Gefahrstoffen. Sie wissen, wie diese gekennzeichnet werden, bei welchen Stoffen sie den Kunden über Gefahren in der Anwendung unterrichten und wann sie bei der Abgabe die Identität des Käufers feststellen müssen. Dies ist vor allem bei den Stoffen nötig, die zur Herstellung von Sprengstoffen verwendet werden können.
Eine Liste findet sich in der EU-Verordnung über die Vermarktung und Verwendung von Ausgangsstoffen für Explosivstoffe:
Bildquelle: EU-Verordnung
Doch auch bei der Frage nach Aceton kann pharmazeutisches Personal hellhörig werden. Viele selbstgebaute Sprengsätze werden aus Komponenten zusammengestellt, die für sich genommen nur wenig gefährlich klingen. Nach Anleitungen aus dem Internet sind sie sogar so einfach zusammengesetzt, dass selbst Kinder gefährliche Sprengstoffe selbst herstellen können.
Die Käufe folgender Stoffe sind daher nicht immer unproblematisch: Aluminiumstaub, Ammoniak, Ammoniumnitrat, Bittermandelöl, Bleiacetat, Blutlaugensalz, Calciumcarbonat, Cyanamid, Eisenoxid, Ether, Glycerin, Guanidinnitrat, Harnsäure Jod (-tinktur), Kalium(per)chlorat Kaliumhexacyanoferrat (III), Kaliumnitrat, Kaliumpermanganat, Kieselgur, Kupfer-(I)-chlorid, Kupfer-(I)-oxid, Kupfersulfat, Lycopodium, Magnesia, Magnesiumcarbonat, Magnesiumstaub, Magnesiumsulfat, Mangan-(IV)-oxid, Naphthalin, Natriumazid, Natriumnitrat, Natrium(per)chlorat, Natriumhydroxid, Natriumsulfat, Natriumsulfid, Paraffin, Pentaerythrit, Petroleum, Phenol, Phosphor, Salpetersäure, Schwefel, Schwefelsäure, Silbernitrat und Terpentinöl.
Ob die Erklärung des Käufers über die Verwendung der Chemikalien schlüssig ist, entscheidet die abgebende Person hier selbst. Ein Kauf von Glycerin in der Weihnachtszeit, damit der Tannenbaum länger frisch bleibt, ist sicherlich unproblematisch. Auch der Verkauf kleinerer Mengen Kaliumpermanganat wird nach entsprechender Eintragung in das Abgabebuch bei einem Fischzüchter mit Teichanlagen sicherlich machbar sein. Doch es gilt: Ist der Käufer dem Apothekenpersonal nicht bekannt, kann sich nicht ausweisen und wirkt dazu noch der Anwendungszweck der Chemikalie wenig plausibel, so unterbleibt die Abgabe.
Auf diese Weise regelte die Chemikalienverbotsverordnung nun mehrere Jahre die Abgabe an den Endverbraucher. Ab dem 1. Juni 2019 ändert sich das, die Verbotsverordnung wurde bereits am 27.01.2017 neu geregelt. Pharmazeutisches Personal besitzt zwar immer noch die Sachkunde zur Abgabe, aber diese muss, wenn das Studium oder die Ausbildung länger als sechs Jahre zurückliegen, regelmäßig erneuert werden. Sie geht nicht verloren, muss aber entweder alle drei Jahre durch einen halbtägigen Kurs mit vier oder alle sechs Jahre durch einen ganztägigen Kurs mit acht Stunden aufgefrischt werden.
Geschieht das nicht, so dürfen alle Stoffe, die unter die Anlage 2 der Chemikalienverbotsverordnung gelistet werden, nicht mehr an Endverbraucher abgegeben werden. Dabei ist gleichgültig, ob es sich um die private oder berufliche Anwendung handelt. Es ist davon auszugehen, dass ab diesem Zeitpunkt deutlich weniger Apotheken als heute dazu in der Lage sein werden, entsprechende Stoffe zu verkaufen. Da Chemikalien vergleichsweise selten abgegeben werden, lohnt sich der Besuch einer entsprechenden Fortbildungsveranstaltung für die meisten Inhaber wohl nicht.
Wie entscheidet sich nun unsere PTA zur Abgabe von Diethylether und Schwefelsäure? Sie wendet hier einen kleinen Trick an, denn der Mann vor dem HV kommt ihr verdächtig vor.
„Ich kann Ihnen die gewünschten Chemikalien gerne bestellen. Würden sie uns dazu freundlicherweise Ihren Namen, die Adresse und Telefonnummer hierlassen?“ Der Kunde dreht sich in diesem Moment schnell um und verlässt die Apotheke wortlos. Offenbar hatte die PTA den richtigen Riecher. Haben die Mitarbeiter einer Apotheke den Verdacht oder Hinweise darauf, dass die Chemikalien missbräuchlich verwendet werden, sind sie verpflichtet, dies an die Gemeinsame Grundstoffüberwachungsstelle ZKA/BKA beim Bundeskriminalamt (GÜS) zu melden.
Artikel von Eva BahnBildquelle: Matt Barber, flickr