Die Entscheidung für oder gegen eine Chemotherapie kann bei bestimmten Brustkrebspatientinnen durch Gen-Analysen erleichtert werden. Letztes Jahr sorgten Studienergebnisse über den Wert des Oncotype-DX-Test für Begeisterung. Jetzt gibt es neue Studien. Kann man den Test empfehlen?
Genexpressionstests zur Optimierung der adjuvanten Therapie des Mammakarzinoms werden bereits seit einigen Jahren in der klinischen Praxis eingesetzt. Jetzt haben weitere Studien den Wert des Oncotype-DX-21-Gen-Expressions-Assays erneut bestätigt. Die Daten wurden im Rahmen der 16. St. Gallen International Breast Cancer Conference im März vorgestellt.
Ein großer Schritt vorwärts
Der Oncotype-DX-Test wird bei Patientinnen mit Brustkrebs im Frühstadium mit oder ohne Lymphknotenbefall eingesetzt. Er dient dazu, die Wahrscheinlichkeit zu ermitteln, mit der der Brustkrebs bei einer Patientin wieder auftritt und ob auf eine adjuvante Chemotherapie verzichtet werden kann.
Bereits in der 2018 im New England Journal of Medicine publizierten und 2019 von der ASCO als „Major Advance“ klassifizierten TAILORx-Studie wurde gezeigt, dass bei mehr Frauen als bislang vermutet auf eine Chemotherapie verzichtet werden kann, ohne dadurch ihr Rezidivrisiko zu erhöhen. Es handelt sich um Patientinnen mit hormonrezeptor-positivem, HER2-negativem Brustkrebs ohne Lymphknotenbefall, die im Oncotype-DX-Score ein niedriges Rezidivrisiko haben.
So funktioniert der Test
Der Genexpressionstest Oncotype-DX erfasst 21 Gene, deren Aktivität mit dem Risiko eines Rezidivs korreliert. Das Ergebnis des Tests ist ein Wert auf einem Score, der von 0 bis 100 reicht. Bei postmenopausalen Frauen mit Werten unter 25 ist das Rezidivrisiko so niedrig, dass sie höchstwahrscheinlich nicht von einer Chemotherapie zusätzlich zur endokrinen Therapie profitieren. Frauen mit Werten über 25 haben dagegen ein hohes Rezidivrisiko, das sich durch eine zusätzliche Chemotherapie senken lässt.
Diese Daten wurden jetzt in einer Analyse von Real-World-Daten von mehr als 80.000 Patientinnen aus dem Register des National Cancer Institute (NCI) bestätigt. Die Ergebnisse zeigten, dass Patientinnen mit nodal-negativem Brustkrebs und einem Score unter 25 nicht von einer zusätzlichen Chemotherapie profitierten – das brustkrebsspezifische Überleben betrug auch ohne Chemotherapie nach neun Jahren über 96 Prozent. Bei Patientinnen mit nodal-positiver Erkrankung, die nicht chemotherapeutisch behandelt wurden, lag das brustkrebsspezifische Überleben nach neun Jahren bei 97 Prozent, wenn der Score unter 18 lag.
Gezielterer Einsatz der Chemotherapie möglich
Ein weitere in der Konferenz vorgestellte Arbeit basiert auf der aktualisierten Analyse eines Registers der Clalit Health Services, der größten Einrichtung des israelischen Gesundheitswesens. Darin wurden die Krankheitsverläufe von >1.300 Patientinnen mit nodal-negativem Brustkrebs retrospektiv untersucht. Patientinnen mit einem Score unter 25, die überwiegend mit einer Hormontherapie behandelt worden waren, wiesen nach 10 Jahren ebenfalls sehr niedrige Fernrezidivraten auf.
„Diese bedeutende Analyse mit einer langen Nachbeobachtungszeit stützt sich auf unsere Erfahrung mit dem Oncotype-DX-Test im klinischen Alltag. Sie steht im Einklang mit den Ergebnissen zahlreicher klinischer Studien, unter anderem der TAILORx-Studie“, so Prof. Salomon Stemmer, Prüfungsleiter der Studie, Abteilung für Onkologie, Davidoff Center, am Rabin Medical Center, das der Universität Tel Aviv in Israel angegliedert ist. „Die Ergebnisse belegen erneut den großen Mehrwert, den der genomische Test im Hinblick auf einen noch gezielteren Einsatz von Chemotherapien bietet.“
Studienergebnisse nicht auf andere Tests übertragbar
Oncotype-DX ist nicht der einzige Genexpressionstest auf dem Markt. Weitere Anbieter sind etwa MammaPrint, Prosigna oder EndoPredict. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) weist in einer Mitteilung darauf hin, dass jeder Test die Expression einer anderen Gruppe von Genen analysiert und die Ergebnisse der TAILORx- Studie deshalb nicht auf andere Tests übertragbar sind. Auch haben frühere Studien gezeigt, dass die prognostische Aussage der verschiedenen Genexpressionstests nicht deckungsgleich ist. Die Kosten für Genexpressionstests (3180 Euro für den Oncotype-DX-Test) werden derzeit nur auf Antrag von den Krankenkassen übernommen.
Fazit
Auch wenn Genexpressiontests die derzeitigen klinischen und immunhistochemischen Verfahren zur Einschätzung der Prognose, wie Tumorgröße, Nodalstatus, histologischem Differenzierungsgrad, Lymphangioinvasion, Hormonrezptorstatus, HER-2 neu und Ki-67, noch nicht ersetzen können, haben sie doch eine unabhängige prognostische Bedeutung. Bei einzelnen Patienten könnte das den Ausschlag für oder gegen eine Chemotherapie geben.
„Daher kann, wenn bei Frauen mit einem hormonrezeptorpositiven, HER2-negativen, nodal-negativen invasiven Mammakarzinom die konventionellen Prognoseparameter einschließlich Ki-67 keine eindeutige Entscheidung für oder gegen eine adjuvante Chemotherapie erlauben, ein methodisch standardisierter und klinisch validierter Multigentest bei der Entscheidung herangezogen werden“, so die aktuelle S-3 Leitlinie.
Artikel von Prof. Wilhelm Holtkamp
Bildquelle: Ed Uthman, flickr