Glioblastom-Patienten haben trotz intensiver Forschung eine schlechte Prognose. Jetzt berichten Onkologen von einer neuen therapeutischen Impfung. Die Forscher sprechen von einem „unglaublich wichtigen Fortschritt“. Doch ist das gerechtfertigt?
Glioblastome sind die häufigsten bösartigen Gehirntumore bei Erwachsenen. Warum sie entstehen, ist in den meisten Fällen unklar. Trotz zahlreicher Fortschritte in der Onkologie leben Patienten im Schnitt 11 bis 15 Monate unter leitliniengerechten Therapien. Lediglich 3 bis 5 Prozent erreichen 5 oder mehr Jahre. Der umstrittene Hoffnungsträger Methadon enttäuscht in neuen Studien. Deshalb setzen Forscher verstärkt auf Immuntherapien. Auf der Jahrestagung der American Association for Cancer Research (AACR) präsentierten sie Ende März Ergebnisse einer laufenden klinischen Phase 1b-Studie.
David Andrews, Wissenschaftler bei Jefferson Health und CEO beim forschenden Hersteller Imvax rekrutierte insgesamt 33 Patienten mit neu diagnostiziertem Glioblastoma multiforme. Alle Teilnehmer wurden chirurgisch vorbehandelt und erhielten anschließend IGV-001, den neuen Krebsimpfstoff.
Dieser neue Impfstoff wird personalisiert aus Tumorgewebeproben hergestellt, die Andrews' Team zuvor während der OPs entnahm. Im nächsten Schritt behandelten sie die Zellen mit Antisense-Oligonukleotiden, die sich gegen den Rezeptor des Insulinähnlichen Wachstumsfaktor 1 (IGF-R1) richten. IGF-R1 wird mit dem Wachstum und der Metastasierung von Tumoren in Verbindung gebracht. Bei dieser Methode stellen Forscher im Labor eine kurze Nukleinsäuresequenz (Antisense-Oligonukleotide) her, die gegenläufig (komplementär) zu einer von Tumorzellen exprimierten Messenger-RNA ist. Dadurch gelingt es, die Übertragung genetischer Informationen von der DNA auf die RNA und später auf Proteine zu unterbinden.
Zusammen mit weiteren Antisense-Oligonukleotiden packte Andrews und seine Kollegen die Krebszellen in eine centgroße Diffusionskammer und bestrahlten sie. Das Device wurde unter die Bauchhaut von Patienten implantiert.
„Die Kombination der IGF-1R-Antisense und Bestrahlung hat zur Folge, dass die Tumorzellen in der Kammer Antigene freisetzen. Zusammen mit den immunmodulatorischen Antisense-Oligonukleotiden diffundieren die Antigene aus der Kammer in den Körper des Patienten und aktivieren so das Immunsystem gegen Hirntumorzellen“, erklärt Immunologe D. Craig Hooper in einer Pressemitteilung.
Zu den Ergebnissen: Alle Studienteilnehmer wurden in vier Gruppen eingeteilt. Sie erhielten mindestens 10 Kammern für 24 Stunden. Maximal waren es 20 Kammern für 48 Stunden. Die Patienten wurden im Durchschnitt 13 Monate (vier bis 39 Monate) beobachtet. Als Gesamtüberleben nennen die Forscher bei der höchsten Impfstoffdosis 21,9 Monate, verglichen mit 14,6 Monaten unter leitliniengerechter Therapie. Beim progressionsfreien Überleben werden 10,4 Monate genannt (Vergleich: 5,4 bis 6,9 Monate). Die Autoren bezeichnen ihre Ergebnisse als „unglaublich wichtigen Fortschritt“. Aber handelt es sich wirklich um einen Durchbruch?
Das lässt sich in der Phase-1b-Studie nicht sagen. Dass Forscherteam hat keine randomisierte, kontrollierte Studie konzipiert. Alle Patienten erhielten die Vakzine, und Vergleiche basieren auf anderen Studien mit leitliniengerechter Therapie des Glioblastoms. Auch die Zahl an eingeschlossenen Patienten ist vergleichsweise klein. Von einer Heilung der Krankheit ist die Medizin noch weit entfernt. Aber sollten sich alle Ergebnisse auch in späteren Studien bestätigen, wäre es zumindest ein gewaltiger Fortschritt in der Therapie von Glioblastomen. Mit Enttäuschungen ist aber zu rechnen. Ein Beispiel: Trotz anfänglich guter Resultate floppte in 2016 eine Phase-III-Studie mit Immuntherapien gegen den EGF-Rezeptor, eine andere Zielstruktur der Krebstherapie.
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