Insulin unterstützt Nervenzellen dabei, Eiweißstoffe zu produzieren, die wichtig für das Gehirn sind. Mäuse, denen intranasales Insulin verabreicht wurde, produzierten mehr Eiweißstoffe und fraßen weniger fettreiches Essen.
Zellen „antworten“ auf Stress, indem sie mehr Schutzmoleküle herstellen, die diesem Stress entgegenwirken. Diese sorgen unter anderem dafür, dass die Proteinreifung schnell, präzise und möglichst fehlerfrei abläuft. So passt sich der Körper auch an Extrembedingungen an, die entstehen können, wenn wir ständig zu viel oder zu wenig essen.
„Meist wird mit dem Begriff ‚Stress‘ etwas Negatives assoziiert. Hinter der zellulären Stressantwort verbirgt sich jedoch ein Prozess, der dafür sorgt, dass die Zellen gesund bleiben – in diesem Zusammenhang also etwas Positives“, sagt Dr. André Kleinridders. Er untersucht im Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) und im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD) die Ursachen und Folgen der Insulinresistenz im Gehirn.
Im zentralen Nervensystem ist Insulin für die Feinabstimmung der Hirnfunktion verantwortlich. Es beeinflusst sowohl das Belohnungszentrum und die Nahrungsaufnahme als auch die geistigen Fähigkeiten und die Emotionalität. Eine Insulinresistenz führt dazu, dass das Hormon nicht mehr wirkt, obwohl es in ausreichenden Mengen verfügbar ist.
Dr. Kleinridders und sein Team fanden nun heraus, dass Insulin im Gehirn dazu führt, dass die Zelle vermehrt Schutzmoleküle herstellt, darunter die für den Zusammenbau von Eiweißstoffen unentbehrlichen Hitzeschock-Proteine HSP10 und HSP60.
Über diesen Signalweg kontrolliert Insulin im Hypothalamus die Funktion der Mitochondrien. Eine defekte Stressantwort wäre der Untergang der Mitochondrien und somit auch das Ende der Nervenzellen. Der Verlust dieser Moleküle kann sowohl mit Stoffwechselerkrankungen wie Typ-2-Diabetes, als auch mit verschiedenen neurodegenerativen Erkrankungen einhergehen.
Bisher war bekannt, dass intranasales Insulin bei gesunden Menschen das Hungergefühl für zuckerreiches Essen dämpft. Wird Insulin durch die Nase, beispielsweise mit einem Spray, verabreicht, umgeht es die Blut-Hirn-Schranke und gelangt direkt ins Gehirn.
In der aktuellen Studie konnten die Forscher beobachten, dass gesunde Mäuse, die Insulin „schnupften“, ebenfalls weniger der angebotenen schmackhaften, diesmal allerdings nicht zucker-, sondern fettreichen Speisen aßen. Zudem stellte das Wissenschaftlerteam fest, dass die Mäuse vermehrt Schutzmoleküle bildeten, die die Funktion der Mitochondrien im Hypothalamus und somit die Gesundheit der Nervenzellen unterstützen.
Das Forscherteam untersuchte auch diabetische Mäuse, die nicht über körpereigenes Insulin verfügen und Mäuse, die durch eine fettreiche Nahrung resistent gegen das Hormon wurden. Beide Gruppen hatten eine verminderte Stressantwort. Durch die Stimulation mit Insulin konnte die Antwort wieder normalisiert werden.
„Wir wissen bis heute nicht, warum diabetische Patienten ein erhöhtes Risiko haben, an Alzheimer oder Parkinson zu erkranken. Der insulinabhängige Regulationsmechanismus der Stressantwort liefert dafür wichtige Erklärungsansätze, die unbedingt weiterverfolgt werden sollten“, sagt Kristina Wardelmann, Doktorandin der Nachwuchsgruppe und Erstautorin der Studie.
Neben dem Insulin scheinen auch Nahrungsbestandteile wie Fett die Stressantwort im Gehirn zu beeinflussen. „Vermutlich nimmt das Gehirn erhöhte Mengen an Fettsäuren wahr und aktiviert anpassende Stoffwechselreaktionen“, erklärt Dr. Kleinridders.
Künftig möchte die Gruppe auch nach Nährstoffen suchen, die eine ähnlich positive Wirkung wie das Insulin auf die Funktion der Mitochondrien und somit auf die Energielieferung und den Stoffwechsel haben. Das Wissen darum könnte dazu beitragen, neuartige Interventionsstrategien zu entwickeln, die gesundes Altern nachhaltig fördern.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke
Bildquelle: Paul Kitchener, Flickr