Jedes Jahr tauchen mit steigenden Temperaturen die Zecken-Patienten in meiner Praxis auf. Immer im Schlepptau: ihre sehr besorgten Eltern mitsamt Halbwissen und irrsinnigen Vorstellungen davon, was ich nun unternehmen muss.
Ich schreibe jedes Jahr einen Beitrag zum Thema Zecken. Weil sie so in aller Munde sind, also hoffentlich nicht tatsächlich dort. Naja, ihr wisst schon: Jedes Jahr verbreitet sich eine gewisse Panik wegen der kleinen possierlichen Tierchen. Es existieren die wildesten Gerüchte und kryptische Handlungsempfehlungen. Das werde ich nun nicht alles wiederholen. Heute nur die neueste Story zu Zecken und weiter unten sind meine bisherigen Werke zum Thema verlinkt. Ab 2020 verlinke ich dann dieses Posting hier und tausche nur die Jahreszahl aus.
Neulich im Notdienst standen gegen 20:30 Uhr Sohn und Vater an der Anmeldung. Sie sagten, es gebe eine Zecke zu besichtigen, genauer: die nicht mehr vorhandene Zecke. Denn der Sohn hatte sie schon mit den Fingernägeln entfernt. Ich sah eine kleine rote Stelle, wie bei einem Insektenstich, so sieht‘s eben aus.
Vater: „Ganz übel entzündet, ganz übel, schauen Sie mal.“
Ich: „Naja. Keine Sorge, das ist nur die Reaktion auf den Stich.“
Vater: „ … Biss. Zeckenbiss.“
Ich: „Ich dachte, Zecken stechen, aber was weiß ich schon?“
Vater: „Und was jetzt tun?“
Ich erklärte die üblichen Verdächtigen: Das FSME-Virus, die Impfung dagegen (hatte der Junge schon bekommen), die Borrelien und worauf zu achten ist, also Wanderröte, grippale Symptome, Kopfschmerzen. Ich gab eine kurze Einschätzung des Risikos: Eher gering, weil die Zecke schnell entfernt wurde und der Junge geimpft ist.
Vater: „Und was ist mit der Zecke?“
Ich: „Wegen Einschicken? Also das machen …“
Vater: „Nee, nichts einschicken. Wir wissen ja gar nicht, wo sie ist.“
Es stellte sich heraus, dass der Junge die Zecke aus Ekel fallen ließ – verständlich – und sie dann nicht wiederfand.
Vater: „Die krabbelt doch noch bei uns rum.“
Ich: „Jaaa? Wahrscheinlich?“
Vater: „Aber das ist doch total gefährlich. Dann beißt sie ja nochmal. Den nächsten. Oder ihn wieder.“ Er zeigt auf seinen Sohn, der sich mit großen Augen ausmalt, was ihm heute nacht im Schlafzimmer blüht.
Ich: „Sie könnten alles absaugen.“
Vater: „Aber reicht das? Man sieht die Viecher doch gar nicht. Und vielleicht kommen die aus dem Staubsauger heraus?“ Die bekannte Angst. Wie bei Spinnen.
Ich: „Ich würde mir da mal keine Sorgen machen.“
Vater: „Aber da muss man doch was machen. Was machen Sie da jetzt?“
Ich: „Äh …, nichts?“
Vater: „Aber da muss man doch was machen? Ist das hier keine Notfallpraxis?“
Ich: „Guter Mann: Ihr Sohn ist außer Gefahr. Soweit hat er sich selbst gerettet. Der Stich sieht gut aus, da passiert erstmal nichts. Für zoologische Notfälle sind wir leider nicht zuständig.“
Vater: „Warum sind wir dann gekommen?“
Die Antwort blieb ich ihm schuldig.
Mehr zum Thema:
Zecken und viel Panik: Mein ultimativer Blogpost zum Thema. Noch mehr muss man nicht wissen. Erstmal.
Notdienstzecke 2: Eigentlich der Vater von oben, in einer anderen Variante.
Notdienstzecke: Diesmal eine Mutter, hier geht’s ums Untersuchen der Zecke – und wie sinnvoll das ist.
Zehn auf einen Streich: Schon vor zehn Jahren im Blog.
Bildquelle: John Tann, flickr