Wenige Kohlenhydrate, wenig Fett oder besser wenig Fleisch? Populäre Diäten gibt es wie Sand am Meer. Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Beweislage überall sehr dürftig. Stellen Patienten ihre Gewohnheiten langfristig um, purzeln auch die Pfunde.
Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge sind mehr als eine halbe Milliarde Menschen übergewichtig. In Deutschland hat jeder zweite Erwachsene zu viel Speck auf den Rippen. Betroffene nehmen, gemessen am täglichen Umsatz, zu viele Energieträger auf. Neben Umweltfaktoren wie Bürojobs, wenig Freizeit und Ernährungssünden spielen Gene eine zentrale Rolle. Mutationen in FTO oder TRIM28 mit epigenetischer Regulation werden mit einer Adipositas in Verbindung gebracht. Die Erkenntnis hilft Betroffenen momentan nicht weiter. Bei BMI-Werten über 40 beziehungsweise über 35 in Kombination mit weiteren Erkrankungen raten Experten zu bariatrischen Eingriffen. Ansonsten bleiben unzählig viele Diätprogramme. Ein Überblick der letzten Publikationen zeigt, was Wissenschaftler darüber denken.
Lange Zeit galt Fett bei Ernährungsgurus als der Bösewicht schlechthin. Proteine oder Kohlenhydrate erschienen mit ihrer deutlich geringeren Energiedichte besser geeignet zu sein. Langfristig führten fettreduzierte Diäten aber nicht zum gewünschten Resultat, fanden Deirdre K. Tobias und Frank B. Hu, Boston, heraus. Sie waren mit einem Unterschied von 5,41 Kilogramm zwar einer standardmäßigen Ernährung überlegen. Unter einer kohlenhydratarmen Kost verloren Probanden jedoch 1,15 Kilogramm mehr als unter fettreduzierter Ernährung. Lydia A. Bazzano und Tian Hu, New Orleans, kommen bei einer randomisierten, kontrollierten Vergleichsstudie mit 148 Probanden zu ähnlichen Resultaten. Alle Teilnehmer hatten keine Vorerkrankungen. Sie wurden nach dem Zufallsprinzip zwei Gruppen zugeteilt. Low-Carb-Diäten enthielten maximal 40 Gramm Kohlenhydrate pro Tag. Beim Low-Fat-Programm sollte maximal 30 Prozent der Energie aus Fetten bestehen. Ein bestimmtes Kalorienziel gab es nicht. Die Adhärenz war mit 80 Prozent nach zwölf Monaten in beiden Gruppen vergleichsweise hoch, was an regelmäßigen Kontakten mit Ärzten und Ernährungsberatern lag. Nach dieser Zeit hatten Abnehmwillige unter Low Carb 5,3 Kilogramm an Gewicht verloren, unter Low Fat aber nur 1,8 Kilogramm. Signifikante Unterschiede fanden Wissenschaftler zwar nicht beim LDL-Spiegel, jedoch beim C-reaktiven Protein und bei Triglyceriden. Anhand des Framingham Risk Scores fanden sie heraus, dass Low-Carb-Programme mit deutlich niedrigeren kardiovaskulären Risiken assoziiert sind.
Renée Atallah, Montreal, hat sich eingehend mit vier populären Programmen befasst, nämlich mit der Atkins-, Zone-, Weight-Watchers- und South-Beach-Diät. Berücksichtigt wurden zwölf randomisierte, kontrollierte Studien. Im Vergleich zur Kontrollgruppe mit allgemeinen Empfehlungen oder alternativen Diäten punktete nur die Weight-Watchers-Diät. Allerdings hatten viele Probanden zwei Jahre nach Beginn einen Großteil ihres verlorenen Gewichts, nämlich 3,5 bis 6,5 Kilogramm, wieder zugelegt. In einer Vergleichsstudie schnitt die Atkins-Diät hervorragend ab, während andere Arbeiten diese Form eher schlecht beurteilten. Alles in allem fand Atallah keine klaren Favoriten.
Zur Frage, ob vegetarische Diäten das Körpergewicht verringern, gab es bislang ebenfalls keine klaren Aussagen. Ru-Yi Huang aus Taiwan und Jorge E. Chavarro aus Boston versuchten deshalb, mit einer Metaanalyse Licht ins Dunkel zu bringen. Über Publikationsdatenbanken fanden sie zwölf kontrollierte randomisierte Studien mit 1.151 Teilnehmern beziehungsweise unterschiedlichen Diätkonzepten. Wer sich vegetarisch ernährte, verlor durchschnittlich 2,02 Kilogramm mehr als Probanden, bei denen Fleisch und Fisch auf dem Speiseplan standen. Rein vegane Lebensformen ließen die Waage um weitere 2,52 Kilogramm nach unten gehen, verglichen mit Ovo-Lacto-Vegetariern. Wer seine Kalorien zählte und die aufgenommene Energiemenge begrenzte, freute sich über 2,21 Kilogramm weniger auf den Rippen. Ohne Kalorienrestriktion waren es nur 1,13 Kilogramm. Huang und Chavarro sind jedenfalls der Meinung, eine vegetarische Lebensform könne das Abspecken erleichtern. Langfristige Aussagen gelangen mit der Metaanalyse jedoch nicht.
Von vermeintlichen Wundermitteln wie dem Intervallfasten, Entgiftungsdiäten, der Paleo-Diet oder der HCG-Diät halten Experten ebenfalls wenig. In einer Stellungnahme kritisiert die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) mehrere Schwachpunkte. Einerseits fehlen wissenschaftliche Belege für den erwünschten Effekt. Andererseits wird es Patienten nicht gelingen, ihre Gewohnheiten langfristig umzustellen. Stattdessen rät die DGE allen Patienten, langfristig an Gewicht zu verlieren – und zwar mit mehr Bewegung, Ernährungsumstellungen und Verhaltensänderungen. Gäbe es nur nicht den inneren Schweinehund: So mancher gute Vorsatz verläuft Monate später im Sande. Patienten, die regelmäßig Kontakt zu Ernährungsberatern hatten, hielten in einigen Studien länger durch. Trotzdem spricht der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) allgemeinen Ernährungsberatungen ihren Mehrwert bei Adipositas, kardiovaskulären oder metabolischen Vorerkrankungen ab.