Mit einer seit 22 Stunden anhaltenden Dauererektion stellt sich ein 42-jähriger Mann in der Notaufnahme vor. Die Erektion ist sehr schmerzhaft. Aufgetreten sei sie spontan, so der Patient. Eine sexuelle Stimulation sei nicht erfolgt, auch die Einnahme potenzsteigernder Medikamente verneint er.
Keine Erleichterung in Sicht
Bereits eine Stunde nach Erektionsbeginn verspürte der Mann Schmerzen, nachgelassen hat die Symptomatik seither nicht – zahlreichen Selbstbehandlungsversuchen mit Kühlpacks zum Trotz. Die Ärzte forschen weiter nach einer möglichen Ursache und schließlich berichtet der Mann, die Erektion sei kurz nach einer subkutanen Injektion von Melanotan aufgetreten.
Melanotan II ist eine synthetische Substanz, die der Patient als Bräunungsmittel in einem Bodybuilding-Shop erwarb. Sie erzielt ähnliche Wirkungen wie das natürlich vorkommende Hormon α-MSH, das die Melanozyten der Haut stimuliert. Schon nach früheren Melanotan-Injektionen habe er verlängerte Erektionen verzeichnet, so der Patient, doch diese hatten sich immer nach 1-2 Stunden rückgebildet.
Man schreitet zur Nadel
Nachdem ein weiterer Kühlungsversuch von ärztlicher Seite keine Wirkung zeigt, erhält der Mann einen Penisblock zur Regionalanästhesie. Anschließend wird eine bilaterale Aspiration von ungefähr 700 ml Blut aus beiden Corpora cavernosa vorgenommen.
Der Laktatspiegel im entnommenen Blut liegt bei 7,1 mg/dl, was sowohl die Verdachtsdiagnose eines Low-flow-Priapismus als auch die Befürchtung einer penilen Ischämie erhärtet. Zur Behandlung erhält der Patient somit alle 5 Minuten eine Injektion von 200 μg Phenylephrin.
Endlich Erleichterung
Nach der fünften Injektion erzielt dies schließlich seinen Effekt und die Erektion lässt nach. Das Ergebnis der anschließenden Blutgasanalyse ist bereits normwertig und so kann der Patient kurze Zeit später entlassen werden.
Bisher sind nur wenige Fälle von Melanotan-induziertem Priapismus bekannt. Trotzdem sei in der Bodybuilding-Szene eine bessere Aufklärung über die Gefahren eines regelmäßigen Melanotangebrauchs anzustreben, so die Ärzte in ihrem Bericht. Weiter raten sie an, im Falle einer Melanotan-induzierten Dauererektion vor einer chirurgischen Intervention stets einen Behandlungsversuch mit Phenylephrin zu unternehmen.
Textquelle: Dreyer et al / BMJ Case ReportsBildquelle: Bob Paris / Wikimedia commons