Wie oft ist psychische Belastung der Grund für eine Krankmeldung, lautete eine Kleine Anfrage der Linken. Die Regierung liefert nun Antworten. Die Zahl der Krankheitstage hat sich zwischen 2007 und 2017 mehr als verdoppelt. Spitzenreiter: arbeitstätige Männer im Alter von 60 bis 65 Jahren.
Heute geht ein Bericht zum Thema Krankheitstage durch die Medien. Die Zahl der Menschen, die sich wegen psychischer Probleme krank meldet, hat sich innerhalb von 10 Jahren mehr als verdoppelt. Daraus ergab sich eine knappe Verdreifachung der wirtschaftlichen Ausfallkosten von 12,4 Milliarden auf 33,9 Milliarden Euro. Dies berichten viele Zeitungen wie etwa der Tagesspiegel mit Verweis auf die Deutsche Textservice Nachrichtenagentur (dts).
Im September des Vorjahres hatten Abgeordnete der Linken-Fraktion eine kleine Anfrage gestellt. Die wichtigste Frage an die Bundesregierung: Wie viele AU-Tage in Millionen aufgrund von „psychischen und Verhaltensstörungen“ gab es in den Jahren 2016, 2017 und 2018? „Zahlreiche Studien und Analysen kamen in den letzten Jahren zu der Schlussfolgerung: Psychische Belastungen in der Arbeitswelt nehmen zu,“ heißt es in der Anfrage. „Die Zunahme von Ausfalltagen aufgrund psychischer Erkrankungen ist ebenso alarmierend, wie der Anstieg der Zugänge in Erwerbsminderungsrente aus demselben Grund. Viele Beschäftigte halten nicht bis zur Rente durch.“
Jetzt liegt eine Antwort der Bundesregierung vor, eine Zusammenfassung der Ergebnisse veröffentlichte die Linke vor wenigen Tagen. Als Quelle für die Zahlen nennt die Bundesregierung Sozialversicherungsdaten und Berechnungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.
Wenig überraschend ist ein Aufwärtstrend bei Krankheitstagen aufgrund psychischer Probleme. Von einer solchen Entwicklung gingen vermutlich viele aus. Dass diese Zahl sich zwischen 2007 und 2017 aber mehr als verdoppelt hat, überrascht vielleicht den einen oder anderen. Die Tage stiegen von knapp 48 auf 107 Millionen, das entspricht einem Plus von 123 Prozent. Nur zwischen 2016 und 2017 ging die Zahl der Krankheitstage wieder zurück, allerdings nur um 2 Prozent. Um eine Vorstellung davon zu bekommen, wieviel das vom gesamten „Diagnosenkuchen“ ausmacht: Im Jahr 2016 waren es 109, 2 Millionen Krankheitstage aufgrund psychischer Probleme, dies entspricht 16,2 Prozent aller Diagnosegruppen.
Und noch eine Entwicklung ist in diesem Zusammenhang spannend: Männer meldeten sich häufiger aus psychischen Gründen krank als Frauen und ältere Beschäftigte hatten deutlich mehr Krankheitstage dieser Kategorie als jüngere. Das Maximum an Krankheitstagen stellte man im Jahr 2017 bei Männern im Alter von 60 bis 65 Jahren (434 Ausfalltage auf 100 Versicherte) fest. Am seltensten waren Krankmeldungen bei Frauen zwischen 15 und 20 Jahren (21 Ausfalltage auf 100 Versicherte).
Auch gingen im Jahr 2017 deutlich mehr Menschen wegen verminderter Erwerbstätigkeit vorzeitig in Rente: Die Zahl stieg seit 2007 von 53.900 auf über 71.300 Renteneintritte – davon waren 41.000 Menschen weiblich und 30.100 männlich. Ein Punkt muss hier allerdings berücksichtigt werden: Dass sich Männer häufiger krank gemeldet haben, liegt zumindest zum Teil auch daran, dass sie häufiger berufstätig sind als Frauen. Nicht nur die Zahl der Arbeitstätigen ist bekanntlich bei Männern höher, auch der Anteil an Vollzeitbeschäftigten. Besonders deutlich ist dieser Unterschied generationsbedingt bei älteren Menschen.
Die Bundesregierung kommt zu folgendem Schluss: „Es kann […] nicht das Ziel einer menschengerechten Gestaltung der Arbeit sein, Belastungen grundsätzlich zu reduzieren. Vielmehr kommt es darauf an, sie optimal an die Bedürfnisse und Ressourcen der einzelnen Beschäftigten anzupassen.“ In der Antwort werden Lösungsvorschläge gemacht, um die Situation auf lange Sicht zu verbessern. Sie betreffen hauptsächlich den Arbeitgeber. Er solle noch mehr dazu befähigt werden, „das vorhandene Arbeitsschutzinstrumentarium“ zu nutzen, „um Gesundheitsrisiken durch psychische Belastungen frühzeitig [zu] erkennen.“
Linken-Sprecherin Jutta Krellmann ist mit diesem Statement offensichtlich unzufrieden. Es sei „offensichtlich, dass die jetzigen Instrumente überhaupt nicht ausreichen. Das grenzt an vorsätzlichem [sic] Staatsversagen“, heißt es in der Pressemitteilung ihrer Partei. Und: „Die Regierung muss endlich handeln. Wir brauchen eine Anti-Stress-Verordnung und flächendeckend Arbeitsschutzkontrollen.“
Warum es zu immer mehr Krankheitstagen wegen psychischer Probleme kommt, hat nicht nur einen, sondern viele unterschiedliche Gründe. Vor allem Ärzte bekommen in ihrem beruflichen Alltag oft einen tiefen Einblick in das Leben ihrer Patienten.
Deshalb eine Frage an jene Leser, die medizinische Berufe mit Patientenkontakt ausüben: Ist die psychische Belastung im Job ein Problem, das von Patienten immer häufiger thematisiert wird?
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