Das Medikament Oxytocin ist für jeden Kreißsaal unabdingbar. Trotzdem herrschte plötzlich ein Lieferengpass. Der eine Hersteller hatte bereits im Dezember auf Produktionsprobleme hingewiesen. Der andere Hersteller konnte den Mangel nicht ausgleichen. Nun musste Spahn ran.
Am 27.12.2018 erklärte die Firma Rotexmedica einen Lieferengpass für seine Oxytocin-Injektionslösung. Die Produktionsprobleme des Herstellers, der etwa 70 Prozent des deutschen Marktes mit dem wehenfördernden Hormon versorgt, bringt damit viele werdende Mütter in Lebensgefahr. Krankenhausapotheker baten daher Gesundheitsminister Jens Spahn um Hilfe – erfolgreich.
Der Engpass zeichnete sich bereits Anfang des Jahres ab, denn der einzige Hersteller der Hormons ist abgesehen von Rotexmedica die Firma Hexal, die bisher einen Marktanteil von lediglich 30 Prozent abdeckte. Aufgrund der erhöhten Nachfrage erklärte sie selbst Ende Februar eigene Lieferengpässe. Das Peptidhormon wirkt wehenregulierend, fördert die Ablösung der Plazenta und regt die Milchdrüsen zur Produktion an. Oxytocin wird auch oft als „Kuschelhormon“ bezeichnet, da es unter anderem wichtig für die Mutter-Kind-Bindung ist.
Ohne Oxytocin werden Geburten gefährlich
Mütter die nach der Geburt einen niedrigen Oxytocinspiegel aufweisen, leiden außerdem signifikant häufiger unter postpartaler Depression. Ein Kreißsaal ohne das Neuropeptid ist vor allem deshalb kaum zu führen, weil es die Gebärmutter kontrahieren lässt und damit in der Lage ist Blutungen zu stoppen. Ohne die Möglichkeit einer Oxytocingabe wird die Geburt für alle Frauen gefährlicher.
Im europäischen Ausland ist das künstliche Hormon durchaus lieferbar, doch hier erschweren deutsche Gesetze die Einfuhr. Laut Paragraph 73 Absatz 3 des Arzneimittelgesetzes ist eine Einfuhr nur personenbezogen möglich. Dies ist bei einem Medikament, das erst unmittelbar nach der Entbindung verabreicht wird, selbstverständlich unmöglich. Die Firma Hexal hat nach eigenen Angaben noch Chargen zur Verfügung, denen jedoch ein aktualisierter Beipackzettel fehlt. Der Hinweis, dass die Gabe von Oxytocin bei Frauen mit einer Latexallergie zu einem anaphylaktischen Schock führen kann, ist noch nicht beigefügt. Außerdem entspricht die Umverpackung, die nach dem 09.02.2019 freigegeben wurde, noch nicht den Securpharm-Richtlinien, die seit diesem Datum zwingend erforderlich sind.
Jens Spahn wird aktiv
Um die Kreißsäle in Deutschland weiterhin sicher führen zu können, haben sich in den letzten Tagen Krankenhausapotheker zusammengetan und an Gesundheitsminister Spahn appeliert, aktiv zu werden. Er stellte daraufhin am gestrigen Montag offiziell den Versorgungsmangel in Deutschland mit oxytocinhaltigen Arzneimitteln fest, was über das BfArM verkündet wurde. Damit können die bisher eingefrorenen Chargen freigegeben werden und die schwierige Lage durch den Engpass entspannt sich vorerst.
Die Firma Rotexmedica stellte das Ende ihrer Lieferschwierigkeiten für April 2019 in Aussicht.
Text von Eva Bahn
Bildquelle: Erich Ferdinand, Flickr