Menschen, die besonders viele Pilze essen, leiden im Alter seltener an kognitiven Beeinträchtigungen. So das Ergebnis einer aktuellen Studie. Könnte diese Entdeckung zu neuen Therapieansätzen verhelfen?
Die Frage, ob bestimmte Stoffe in Lebensmitteln zu einem längeren und gesünderen Leben führen, ist nicht nur uralt, sie ist auch sehr schwer zu beantworten. Und dabei geht es nicht um einen gesunden Lebensstil mit einer ausgewogenen Ernährung. Zu dieser Thematik hört man fast täglich Pseudoneuigkeiten, obwohl der gesunde Menschenverstand diese Frage eigentlich fix beantwortet hat. Die Frage ist, ob bestimmte Ingredienzen in Nahrungsmitteln spezifisch bestimmten Krankheiten vorbeugen oder sie sogar heilen können.
Demenzerkrankungen stellen eine große Herausforderung für die älter werdende Gesellschaft dar. Derzeit existieren nur wenige medikamentöse Therapieansätze und vor diesem Hintergrund werden insbesondere auch potentiell wirksame Substanzen in Nahrungsmitteln untersucht.
Ein Forscherteam der Abteilungen für Psychologische Medizin und Biochemie der Staatlichen Universität von Singapur hat jetzt herausgefunden, dass der Konsum von ungefähr 300 Gramm Pilzen pro Woche die Chance, eine leichte kognitive Störung (mild cognitive impairment, MCI) zu erleiden um ca. 50 Prozent reduzieren kann.
MCI stellt eine Vorstufe zu einem dementiellen Syndrom dar, dessen Ursache bei über 60-Jährigen zu 70 Prozent die Alzheimererkrankung darstellt. MCI ist dadurch charakterisiert, dass neuropsychologische Tests in bestimmten kognitiven Domänen, klassischerweise der Gedächtnisfunktion, leichte Abweichungen von einer altersangepaßten Stichprobe nachweisen, ohne dass die sogenannten Alltagsfunktionen (z.B. Einkaufen oder Behördengänge) merkbar beeinträchtigt sind.
Die Forscher haben in ihrer Studie mehr als 600 in Singapur lebende Chinesen untersucht, die älter als 60 Jahre waren und bei denen zum Untersuchungszeitpunkt weder eine manifeste Demenz noch eine andere psychiatrische Erkrankung vorlag. Der wesentliche Befund bestand hierbei darin, dass diejenigen, bei denen mithilfe ausführlicher klinischer und neuropsychologischer Diagnostik eine leichte kognitive Störung nachgewiesen wurde, signifikant weniger Pilze konsumierten als diejenigen, die eine altersentsprechende kognitive Leistungsfähigkeit zeigten.
Ein signifikanter Unterschied hinsichtlich der Verminderung der Chance, eine leichte kognitive Störung zu haben, zeigte sich ab 2 Standardportionen (ca. 300 g) Pilzen pro Woche. Insgesamt wurden 6 verbreitete Pilzsorten konsumiert. Die signifikante Assoziation zwischen Pilzkonsum und dem Vorhandensein einer leichten kognitiven Störung blieb auch dann bestehen, wenn für verschiedene potenziell konfundierende Variablen adjustiert wurde (demographische Faktoren, Bildung und klassische Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Rauchen, Diabetes mellitus u.a.).
Pilze haben verschiedene interessante Inhaltsstoffe, z.B. solche, die die Synthese von Nervenwachstumsfaktoren fördern. Besonders im Fokus haben die Wissenschaftler einen Stoff namens Ergothionein, der möglicherweise antioxidative und zellschützende Eigenschaften hat.
Die Forscher räumen ein, dass die vorliegende Querschnittsstudie natürlich nicht geeignet ist, um einen Kausalzusammenhang zwischen Pilzkonsum und der Verzögerung des Abbaus von kognitiven Fähigkeiten im Alter nachzuweisen. Dazu planen sie eine randomisierte kontrollierte Studie, die vergleichend die Wirksamkeit verschiedener Pflanzenstoffe (u.a. auch Inhaltsstoffe von Teeblättern) hinsichtlich der Verzögerung eines kognitiven Abbaus untersuchen soll. Es bleibt abzuwarten, ob sich ein Konsum von Pilzen hier wirklich als wirkungsvoller erweist als andere bisher untersuchte Nahrungsstoffe, die per se einen eher bescheidenen Effekt hatten.
Artikel von Andreas Lüschow
Bildquelle: Christine Siracusa, unsplash