Lange wurde gestritten, jetzt wird es konkret: Der pränatale Test zur Erkennung von Trisomien soll künftig von Krankenkassen bezahlt werden – zumindest bei Risikoschwangerschaften. Ist das ein fairer Vorschlag?
Der Bluttest im Rahmen der Pränataldiagnostik soll schon bald Kassenleistung werden, berichtete der Spiegel vor wenigen Tagen. Demnach sollen die Kosten für den nicht-invasiven Pränataltest (NIPT) künftig von den Krankenkassen übernommen werden. NIPT liefert einen frühen Nachweis von fetalen Trisomien (vor allem der Chromosomen 21, 18 und 13) sowie Anomalien in der Anzahl der Gonosomen. Die Sache hat nur einen Haken: Die Test wird nur unter bestimmten Bedingungen von den Kassen bezahlt – nach jetzigem Stand der Informationen.
Ein Beschlussentwurf soll bereits vorliegen. Dem Spiegel-Bericht zufolge soll der Gemeinsame Bundesausschusses (G-BA) schon am 22. März das Stellungnahmeverfahren einleiten. Gesetzliche Krankenkassen sollen den Bluttest bezahlen, aber erst nach der zwölften Schwangerschaftswoche und nur im Falle einer Risikoschwangerschaft. Für die werdenden Elteren gibt es also nur zwei Möglichkeiten: 1. Der Arzt ist (oder wird) davon überzeugt, dass es sich um einen Verdachts- oder Risikofall handelt. Oder 2. Eltern müssen den Test selbst bezahlen, wenn sie ihn trotzdem machen lassen wollen. Für Besserverdiener, die sichergehen wollen, ist das höchstens ärgerlich, für finanziell schlechter gestellte Familien stellt ein solcher Test einen beachtlichen Kostenpunkt dar.
Im Moment stehen in Deutschland der sogenannte PraenaTest®, der HarmonyTest®, Prenatalis® und Panorama® zur Verfügung. Diese nicht invasiven Testverfahren können ab der 10. Schwangerschaftswoche eingesetzt werden und haben einen sehr hohen Aussagewert. So liegt die Erkennungsrate für Trisomie 21 laut Hersteller beispielsweise beim HarmonyTest® bei über 99%. Für Trisomie 18 bei 97,4% und für Trisomie 13 bei 93,8% (1). Ebenfalls können X/Y-Störungen erkannt werden. Allerdings repräsentieren genetische Störungen insgesamt nur einen kleinen Anteil aller fetalen Fehlbildungen, d.h. mit Ausschluss der oben genannten Alterationen ist noch lange nicht gewährleistet, dass es zur Geburt eines gesunden Kindes kommen wird. Die Kosten schwanken je nach Bandbreite der zu untersuchenden Kriterien und Hersteller zwischen ca.129 und 544 Euro. Bisher werden die Untersuchungen nur in Einzelfällen von der GKV übernommen.
In meinem Arbeitsalltag mache ich unterschiedliche Erfahrungen in Hinblick auf pränatale Untersuchungen. Die Anfragen bezüglich pränataler Diagnostik lassen sich in unserer Praxis in drei Gruppen einteilen:
Die kontroverse Diskussion darüber, ob die GKV grundsätzlich die Kosten der pränatalen Bluttests tragen sollte oder nicht, ist im vollen Gange. Im Deutschen Ärzteblatt argumentiert Prof. Alena Buyx, Direktorin des Instituts für Geschichte der Medizin in München und Mitglied im Deutschen Ethikrat, folgendermaßen für die Kostenfreigabe: „Der Respekt vor Selbstbestimmung gehört zu den zentralen Normen unserer Gesellschaft […]. Gegenwärtig besteht nun die Situation, dass eine bereits zugelassene, risikoärmere Alternative nur Paaren zur Verfügung steht, die sich dies als Selbstzahler leisten können. Zurecht wird diskutiert, ob dies nicht sozial ungerecht ist.“ (Deutsches Ärzteblatt, Jg.115, Heft 44, 2.November 2018, Seite 1988/1989)
Dagegen hält Corinna Rüffer, Sprecherin für Behindertenpolitik und Bürgerangelegenheiten der Grünen-Bundestagsfraktion: „Es ist auch eine Debatte um die Wertschätzung behinderter Menschen […]. Er [gemeint ist ein pränataler Bluttest – Anmerkung der Autorin] macht also die Frage auf, ob das Leben mit Down-Syndrom lebenswert ist – eine Frage, die Menschen mit Down-Syndrom nachvollziehbarer Weise vor den Kopf stößt. Die GKV darf ein solches Signal nicht senden […]. Die Entscheidung, einen solchen Test durchführen zu lassen, wird mit der Kostenübernahme deutlich niedrigschwelliger.“ (Deutsches Ärzteblatt, Jg.115, Heft 44, 2.November 2018, Seite 1988/1989)
Interessant ist, was der anerkannte Medizinethiker, Prof. Dr. Giovanni Maio von der Universität Freiburg, zum Thema „Ethik der Pränataldiagnostik“ zu sagen hat: „Die Pränataldiagnostik ist eine medizinische Maßnahme. Sie bedarf daher einer medizinischen Indikation, das heißt sie muss einen medizinischen Zweck erfüllen. Bei der Pränataldiagnostik liegt er vor allem darin, die Schwangere psychisch zu entlasten und das Wohl des Kindes zu fördern, in dem man im Einzelfall dank der Pränataldiagnostik therapeutische Möglichkeiten im Mutterleib oder direkt nach der Geburt eröffnen kann […]. Zunächst kommt eine Schwangerschaft auf Vorbehalt, die erst nach einer unauffälligen Pränataldiagnostik zur voll akzeptierten Schwangerschaft wird […]. Denn gleichzeitig trauen sich schwangere Frauen immer weniger, ja zu ihrem Kind zu sagen, wenn eine Behinderung diagnostisch nicht ausgeschlossen werden kann.“ (Erfahrungsheilkunde, Dezember 2018, 67.Jahrgang, Seite 324-328)
Was braucht die Patientin?
Ich als Gynäkologin berate die Patientinnen zu Beginn der Schwangerschaft ausführlich über alle Möglichkeiten, einschließlich über den Bluttest. Einige sind bereits gut vorinformiert und legen sich schon im ersten Gespräch auf das gewünschte Vorgehen fest. Die Mehrzahl wünscht eine Bedenkzeit und teilt spätestens beim nächsten Termin mit, welche Untersuchungen sie wünscht. Für mich geht es in erster Linie darum, Schwangerschaft, Geburt und das postnatale Outcome zu optimieren.
Artikel von Dr. Petra Brandt
Bildquelle: PublicDomainPictures, pixabay