Wenn Babys zu klein geboren werden, könnte dies am fehlenden Transkriptionsfaktor TFAP2C liegen, durch den die Entwicklung der Plazenta reguliert wird. Wurde TFAP2C im Mausmodell gezielt unterdrückt, wogen die betroffenen Mäuse bei Geburt deutlich weniger als ihre Artgenossen.
Bei etwa fünf von 100 Geburten sind die Babys zu klein und zu leicht. „Solche Kinder tragen ein erhöhtes Risiko, später von Fettleibigkeit, Diabetes sowie neurologischen und Herzkreislauf-Erkrankungen betroffen zu sein“, sagt Prof. Dr. Hubert Schorle vom Institut für Pathologie des Universitätsklinikums Bonn (UKB). Eine Ursache für die intrauterine Wachstumsretardierung können Störungen bei der Entwicklung und Reifung der Plazenta sein. Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang der Transkriptionsfaktor TFAP2C.
TFAP2C ist für die Entwicklung der Plazenta aus Trophoplasten-Stammzellen von entscheidender Bedeutung. „Ob TFAP2C auch in der späteren Plazenta-Entwicklung wichtig ist, war bislang unklar“, sagt Erstautorin Neha Sharma. Die Wissenschaftler haben solche Störungen der Plazenta am Mausmodell untersucht. Das Forscherteam schaltete in den Nagetieren gezielt das Gen für den Transkriptionsfaktor aus. Die Entwicklung der Plazenta war daraufhin stark beeinträchtigt. „Die Embryonen verkümmerten, starben aber nicht“, berichtet Schorle. „Demzufolge ist ohne TFAP2C eine normale Entwicklung der Plazenta nicht möglich.“ Die betroffenen Mäuse waren im Schnitt rund 19 Prozent leichter als ihre gesunden Artgenossen, weil sie weniger gut mit Nährstoffen versorgt waren. Die Wissenschaftler untersuchten auch menschliche Plazenta-Zelllinien und fanden ganz ähnliche Effekte, wenn sie die Menge an TFAP2C-Protein herabregulierten. Ein Verlust des Transkriptionsfaktors beeinträchtigt den Aufbau von Energiespeichern in der Plazenta, die für die Ausreifung des Fötus kurz vor der Geburt wichtig sind. Darüber hinaus ist TFAP2C für das Wachstum und die Differenzierung des Trophoblasten mitverantwortlich, der die Verbindung zur Gebärmutterwand herstellt.
Das Forscherteam fragt sich nun, welche Folgen eine gestörte Plazenta-Entwicklung langfristig auf die Nachkommen hat. Schorle: „Wer mit zu geringem Gewicht geboren wird, holt kurz nach Geburt den Wachstumsrückstand auf. Aber durch die Unterernährung im Mutterleib erfolgt auf molekularer Ebene eine Umprogrammierung der Aktivität verschiedener Gene, die später zu den beschriebenen gesundheitlichen Risiken führt.“ Der Zusammenhang zwischen der intrauterinen Wachstumsretardierung und den gesundheitlichen Folgen im Erwachsenenalter kann nun mit diesem Modell intensiv untersucht werden. Die Forscher haben sogar einen Ansatzpunkt geschaffen, um mögliche Behandlungen solcher Beeinträchtigungen zu testen. Um die mangelnde Versorgung durch die Plazenta zu kompensieren, sollen den Muttertieren während der Schwangerschaft zusätzliche Nährstoffe mit dem Futter zugeführt werden. Es sei aber noch ein weiter Weg, bis solche Behandlungen für den Menschen verfügbar sind. Originalpublikation: TPBPA mediated deletion of TFAP2C leads to deregulation of MAPK, P21, AKT and subsequent placental growth arrest Neha Sharma et al.; Development, doi: 10.1242/dev.128553; 2016