Mit dem Terminservicegesetz stieß Jens Spahn einigen Ärzten vor den Kopf. Mit zahlreichen Nachbesserungen wurde das TSVG heute im Bundestag verabschiedet. Doch für Ärzte entwickeln sich Spahns Reformen zu einem massiven Problem.
Mit dem Terminservicegesetz (TSVG) hat sich Jens Spahn (CDU) kaum einen Gefallen getan. Der Bundesgesundheitsminister stieß allen nur erdenklichen Health Professionals mit Referentenentwürfen vor den Kopf. Mehrere Nachbesserungen folgten. Heute wurde das TSVG im Bundestag verabschiedet.
Besonders heftig war der Gegenwind bei Spahns Idee eine „Triage“ vor Psychotherapien einzuführen. Der Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten (BVVP) war strikt dagegen, während einzelne Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie durchaus Chancen in vorgelagerten Begutachtungen sahen. Coaching oder Psychotherapie – das ist oft die Frage. Patientenverbände machten ebenfalls Druck, und eine Petition beim Deutschen Bundestag überschritt das Quorum rasch. Jetzt knickte Spahn ein. „Dieser Bereich soll nun zeitnah in einem anderen Gesetz geregelt werden“, heißt es in einer Zusammenfassung des Gesundheitsausschusses am Bundestag. Man wird sehen.
Terminservicestellen – wer kennt die schon?
Im Gesetz hält der Bundesgesundheitsminister am Ausbau von Terminservicestellen fest. Die Teams sollen 24 Stunden am Tag über eine bundesweit einheitliche Notdienstnummer sowie über das Internet erreichbar sein. Auch Haus- und Kinderärzte sollen künftig vermittelt werden. Experten nehmen Priorisierungen anhand der geschilderten Beschwerden vor.
Das ist auch sinnvoll. Denn momentan werden laut Zahlen der Techniker Krankenkasse 25 Millionen Menschen jährlich in den Notaufnahmen der Krankenhäuser behandelt. Jeder vierte Patient ist fehl am Platz. Viele Patienten scheinen weder den ärztlichen Bereitschaftsdienst, erreichbar unter der Nummer 116117, noch die kassenärztlichen Bereitschaftspraxen zu kennen. Ambulanzen sind beliebt – und für viele Versicherte wohl zum Teil der Versorgungsstruktur geworden. Ob Spahns Terminservicestellen im Bewusstsein von Patienten landen werden, ist zu bezweifeln.
Auch zur Finanzierung von Servicestellen äußert sich der Christdemokrat nicht. Solche Kosten sind über die Leistungsvergütung der Krankenkassen nicht abgedeckt. Die Bundesärztekammer fordert ergänzende Investitionen aus Steuermitteln.
Facharzttermine: Zwangsweise bleibt die Praxis offen
Spahns eigentliches Ziel war, Patienten zügiger Facharzttermine zu vermitteln. Ob wirklich bedarf besteht, ist bei Ärzten umstritten. Von der Idee, Praxisöffnungszeiten zu beeinflussen, rückt Spahn nicht ab. Nach viel Hin und Her sollen Praxisärzte mindestens 25 Wochenstunden für gesetzlich Versicherte anbieten. Außerdem sollen Fachärzte fünf Stunden pro Woche ohne Terminvereinbarung anbieten, soweit das nicht schon geschieht. Die erfolgreiche Vermittlung eines Facharzttermins durch den Hausarzt kann mit zehn statt wie zuvor angedacht mit zwei bzw. fünf Euro vergütet werden. Und wer neu Patienten behandelt, tut das sogar außerhalb des Honorarbudgets. Für Patienten, die per Terminservicestelle vermittelt werden, gibt es neuerdings Zuschläge je nach Wartezeit. Die Größenordnung liegt bei 20 bis 50 Prozent als Zuschlag auf die Versichertenpauschale.
Bonbons für die hausarztzentrierte Versorgung
Eine weitere Ergänzung betrifft die hausarztzentrierte Versorgung (HzV). Schon im Entwurf stand, dass Versicherte in solchen Programmen an Effizienzgewinnen zu beteiligen sind. Das klingt gut, ist aber reichlich nebulös – welche Kasse gibt schon gern Gelder zurück? Jetzt müssen GKVen ihren Versicherten vor deren Einschreibung in HzV-Modelle genau vorrechnen, wie die Sache monetär aussieht. Und GKVen sind sogar verpflichtet, ihre Kalkulation den zuständigen Aufsichtsbehörden vorzulegen. Das kann man als recht deutliche Signale gegen Mauscheleien bewerten.
Viel Ärger für Ärzte – wenig Mehrwert für Versicherte
Trotz dieser kurzfristigen Änderungen wird das TSVG Patienten kurzfristig kaum etwas bringen, so lange sie das Modell weder kennen noch akzeptieren. Und für Ärzte entwickeln sich Spahns Reformen zu einem massiven Problem: Öffnungszeit ist nicht gleich Arbeitszeit. Und Arbeiten hinter den Kulissen würdigen weder Patienten noch Politiker oder Krankenkassen. Was bleibt? Ärzte müssen noch mehr arbeiten oder – falls finanziell möglich – weitere Kräfte einstellen. In ein paar Jahren stellen wir dann fest, dass sich die „gefühlten“ Wartezeiten nicht verbessert haben.
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