Nachdem die Lasertherapie zur Behandlung von Krampfadern lange positiv bewertet wurde, rudern Experten immer mehr zurück: Es gebe keine Vorteile gegenüber einer OP, die Rezidivraten seien alarmierend. Bedeutet das eine Rückkehr zu alten chirurgischen Behandlungsmethoden?
„Die hohen Rezidivraten der Lasertherapie sind als alarmierend anzusehen“, sagt Prof. Achim Mumme, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie. Die Zahlen werfen im Nachhinein die Frage auf, ob der Paradigmenwechsel, der mit der Einführung der Hitzeablationsmethoden einherging, berechtigt war.
Er hat sich kürzlich gemeinsam mit Kollegen in einem Artikel kritisch zur Endovenösen Laserablation (EVLA) für die Behandlung von Krampfadern geäußert. Er empfiehlt, die chirurgischen Verfahren des Venenstrippings und der Crossektomie als Therapie der ersten Wahl zu betrachten.
Venenleiden betreffen etwa 25 Prozent der Frauen und 15 Prozent der Männer. Varikosen sind überwiegend genetisch bedingt und betreffen vor allem die Beine. Typische Beschwerden sind z. B. Juckreiz, Schweregefühl, Spannungsgefühl, leichte Schwellneigung und Wadenkrämpfe. Im weiteren Verlauf kann es zu trophischen Hautstörungen, Ekzemen, Ödemen, Thrombophlebitis und Ulcus cruris kommen.
Die chirurgische Behandlung ist seit mindestens einem halben Jahrhundert die Standardmethode für die Behandlung von Varizen. Je nach Schweregrad gibt es unterschiedliche Methoden, häufig ist eine Vollnarkose und ein Krankenhausaufenthalt erforderlich. Außerdem müssen über längere Zeit Kompressionsstrümpfe getragen werden.
Mit der EVLA werden Varizen ohne einen chirurgischen Eingriff durch Hitzeablation entfernt. Dabei wird eine irreversible thermische Verletzung in der Venenwand erzeugt, die zu Fibrose und schließlich zu einer vollständigen Resorption über mehrere Monate führt. Während der Prozedur sind die Patienten wach, sie können danach direkt nach Hause, haben weniger Schmerzen, es sind nur für kurze Zeit Kompressionsstrümpfe erforderlich und es besteht nur wenige Tage lang eine Arbeitsunfähigkeit. Für gesetzlich Versicherte hat die minimal-invasive Behandlung allerdings einen Preis, der je nach Aufwand zwischen einigen hundert bis zu einigen tausend Euro liegt, denn es handelt sich um eine individuelle Gesundheitsleistung.
IGeL-Monitor: Erst „tendenziell positiv“, dann „unklar“
Das Verfahren hat sich nach seiner Einführung vor ca. 20 Jahren schnell verbreitet und wurde lange positiv bewertet. Seit einiger Zeit mehren sich aber kritische Stimmen. Im Jahr 2012 wurde die Laserbehandlung von Krampfadern vom IGeL-Monitor noch mit „tendenziell positiv“ bewertet. Allerdings lagen damals nur Daten von Studien vor, in denen die Patienten maximal zwei Jahre beobachtet wurden. Ende 2017 wurde die Bewertung der Laser-Therapie korrigiert und der Nutzen auf „unklar“ herabgestuft. Grund dafür waren vorliegende Studien, in denen Rückfälle und Nebenwirkungen in einem Nachbeobachtungszeitraum von bis zu fünf Jahren beschrieben wurden. Demnach herrscht Gleichstand: Es ergab sich im Vergleich zur Operation weder ein Nutzen noch ein Schaden für die Patienten.
Ein Behandlungsparadoxon
Beim Vergleich von Operation und EVLA stößt man auf ein Behandlungsparadoxon, denn je nach Methode gelten andere Maßstäbe: Bei der OP gehört die Crossektomie zwingend zur Behandlung, und das Zurückbleiben eines Crossenstumpfes gilt als Behandlungsfehler, weil von ihm häufig Komplikationen und Rezidive ausgehen.
Bei der Hitzeablation durch endovenöse Verfahren, zu denen neben der Laser- auch die Radiowellentherapie gehört, bleibt dagegen regelmäßig ein Crossenstumpf stehen, weil die Behandlung der proximalen ein bis zwei Zentimeter der Stammvene aus technischen Gründen nicht möglich ist.
Mumme und seine Kollegen haben sechs randomisierte klinische Studien aus den Jahren 2013 bis 2017 ausgewertet, in denen EVLA und Operation miteinander verglichen wurden. Die Nachbeobachtungszeit betrug mindestens fünf Jahre. Für die Einschätzung der Erfolgsrate wurde das Auftreten eines duplexsonographisch nachweisbaren Crossenrefluxes genutzt, der das spätere Auftreten eines klinischen Rezidivs vorhersagt. Fünf Jahre sind für eine Beurteilung der Rezidivrate Mummes Erfahrungen nach nämlich zu kurz: Er hatte in einer anderen Untersuchung festgestellt, dass Personen mit einem Leistenrezidiv, das auf einen zurückgelassenen Crossenstumpf zurückging, zuvor durchschnittlich über 7,4 ± 5,70 Jahre hinweg beschwerdefrei waren. Klinische Studien mit einer derart langen Nachbeobachtungsphase gibt es derzeit aber nicht.
Beim Vergleich der Rückfallquoten von OP und EVLA war nur eine Studie auf gleiche Rezidivraten gekommen, in den fünf anderen Untersuchungen traten duplexsonographische Crossenrezidive 1,7- bis 5,6-fach häufiger nach EVLA auf. Mumme geht davon aus, dass die Erfahrungen mit einem Crossenstumpf nach Operation auf die Methode der EVLA übertragbar sind.
Er hält die Rezidivfreiheit für ein überaus wichtiges Kriterium bei der Auswahl einer geeigneten Therapiemethode. Deswegen empfiehlt er Venenstripping und Crossektomie als die Therapien der ersten Wahl. Er schätzt, dass auf das Gesundheitssystem zusätzlich jährlich ein dreistelliger Millionenbetrag für die Beseitigung von Crossenrezidiven zukäme, wenn ausschließlich EVLA statt Operationen angewendet würden.
Dr. Guido Bruning, Chefarzt des Zentrums für Venen- und Dermatochirurgie am Krankenhaus Tabea, stellt fest, dass alle Studien zu dem Ergebnis kommen, dass es bei endovenösen Verfahren häufiger zu einem Crossenreflux kommt: „Die Wahrscheinlichkeit ist relativ hoch, dass diese Neorefluxe, die man bei den endovenösen Therapien sieht, irgendwann wieder zu einer hämodynamisch relevanten Krampfaderbildung führen werden. Beweisen kann man das aber letztendlich nicht.“
Auch eine neuere britische Studie lieferte Ergebnisse, die dies unterstützen: Dort war bei 218 Patienten nach Behandlung von Varizen der Vena saphena in duplexsonographischen Untersuchungen fünf Jahre nach einer OP bei 94,5 Prozent der Patienten und nach EVLA zu 88,6 Prozent kein Crossenreflux nachweisbar (p = 0,62).
Dennoch beurteilten die Autoren die EVLA-Behandlung als überlegen, weil innerhalb der fünf Jahre signifikant weniger klinische Rezidive aufgetreten waren als nach Operationen (20,9 bzw. 34,3 %; p = 0,01). Die absolute Risikoreduktion betrug 0,134. Basierend auf den Ergebnissen errechneten die Autoren, dass durch sieben EVLA-Behandlungen ein klinisches Rezidiv in fünf Jahren vermieden wurde. Binnen fünf Jahren waren bei 22 von 137 Patienten (16,1 Prozent) in der Operationsgruppe und 18 von 139 (12,9 Prozent) in der EVLA-Gruppe (P = 0,463) erneute Eingriffe erforderlich.
Bruning hat folgende Erfahrung gemacht: „Nach fünf Jahren sind sowohl bei der endovenösen Therapie als auch nach einer Operation gleichviele sichtbare Krampfadern vorhanden. Wieviel davon hämodynamisch relevant ist, ist unklar. Wenn Sie die perioperativen Parameter wie Lebensqualität, Morbidität, Mortalität oder Komplikationsrate vergleichen, ist es unerheblich, welche Methode Sie verwenden.“
Im Gegensatz zur Situation in Deutschland wird EVLA seit 2013 in der britischen Leitlinie als erste Behandlungsoption genannt. Bruning erklärt, dass dies nicht wegen der besseren Ergebnisse der Fall ist, sondern weil das Therapieschema besser zum britischen Gesundheitssystem passt.
In der deutschen Leitlinie, deren Veröffentlichung für Ende Mai 2019 geplant ist und in deren Kommission Bruning mitgewirkt hat, wird sich keine Aussage dazu finden, ob eine Methode der anderen überlegen ist. „Es steht ganz klar in der Leitlinie, dass man einen Komplikationsshift bekommt. Bei der Operation hat man ein etwas höheres Blutungs- und Infektionsrisiko, dafür besteht bei den endovenösen Therapien ein höheres Thromboserisiko von etwa 2 Prozent im Vergleich zu 0,5-1 Prozent nach der OP. Allerdings muss man fairerweise sagen, dass bei den endovenösen Verfahren nach einigen Tagen Kontrollen erfolgen, bei den OPs werden nur symptomatische Patienten nachuntersucht.“
Bei der heutigen Studienlage ist es schwierig, zu einem klaren Ergebnis zu kommen, weil die Verfahren in ihrer Durchführung, den gemessenen Parametern und der Beurteilung von Rezidiven und Komplikationen nicht einheitlich sind. Bruning sagt: „Es gibt nur wenige gute Studien, oft sind die Fallzahlen klein oder die Nachbeobachtungsphasen zu kurz. Meine persönliche Einschätzung ist, dass beide Verfahren je nach Ausgangssituation gleich gut sind. Wenn bei einem Patienten die Vene sehr dick ist, ist eine Operation wahrscheinlich besser, weil das Rezidivrisiko bei den endovenösen Therapien mit dem Durchmesser steigt. Hat der Patient eine dünnere Vene mit wenig Seitenästen, dann ist er mit dem endovenösen Verfahren gut bedient.“
Ein Artikel von Karen Zoufal
Bildquelle: Ash Edmonds, unsplash