Forscher haben gezeigt, nach welchen mathematischen Gesetzmäßigkeiten die Hirnrinde gefaltet ist. Ihre Berechnungen sehen sie als Beleg dafür, dass die Faltung einer fraktalen Form entspricht – vergleichbar mit geknülltem Papier. Dem widerspricht nun der Wissenschaftler Marc de Lussanet.
Zerknülltes Papier und Romanesco-Blumenkohl haben eines gemeinsam: Sie weisen eine fraktale Form auf. „Wissenschaftler diskutieren schon lange, ob auch die Wölbungen unseres Großhirns eine fraktale Form haben“, erklärt Dr. Marc de Lussanet, Forscher an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU). Die Experten wollen wissen, wie die Hirnfalten entstehen, um das Gehirn, seine Entwicklung und mögliche Störungen zu verstehen. Die brasilianischen Forscher Bruno Mota und Suzana Herculano-Houzel hatten in einer Studie gezeigt, nach welchen mathematischen Gesetzmäßigkeiten die Hirnrinde gefaltet ist. Ihre Berechnungen sahen sie auch als Beleg dafür, dass die Faltung einer fraktalen Form entspricht. „Die Rechnung ist falsch“, widerspricht Marc de Lussanet. Das mathematische Modell der brasilianischen Forscher stellt eine Gesetzmäßigkeit her, nach der die Faltung der Hirnrinde von der Gesamtoberfläche und der Dicke der Hirnrinde abhängt. Demnach, so die Brasilianer, falte sich die Großhirnrinde der Säugetiere nach den gleichen Gesetzen, die zum Tragen kommen, wenn man ein Blatt Papier zusammenknülle. Marc de Lussanet zeigt, weshalb diese Rechnung nicht stimmt.
Das mathematische Modell lasse sich auf eine sehr viel einfachere, nicht-fraktale Form reduzieren. Diese einfachere Formel beschreibe die Messdaten sogar besser als das mathematische Modell der brasilianischen Wissenschaftler. Zudem decke eine verbesserte statistische Auswertung systematische Fehler des Modells auf. Somit müsse man die Theorie, nach der das Gehirn wie ein Papierkügelchen gefaltet ist, verwerfen, so Marc de Lussanet. „Paradoxerweise bedeutet dies jedoch nicht, dass das Gehirn keine fraktale Form hat“, sagt Marc de Lussanet. „Denn meine Berechnungen führen zu neuen Ergebnissen, die auf eine von zerknülltem Papier abweichende, aber eindeutig fraktale Struktur der Großhirnrinde hinweisen.“ Um das Rätsel der Hirnfaltung zu lösen, seien allerdings nun weitere Studien notwendig, die die Vorhersagen des neuen Modells prüfen. Originalpublikationen: