Kieler Wissenschaftler untersuchten am Beispiel von Fadenwürmern die Rolle des Darmmikrobioms. Sie konnten neue Erkenntnisse gewinnen, auf welche Weise das Mikrobiom eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Infektionen spielt.
Vom Einzeller bis zum Menschen sind sämtliche Tiere und Pflanzen von Mikroorganismen besiedelt. Als Wirtslebewesen beherbergen sie alle eine vielfältige Gemeinschaft von symbiotischen Kleinstlebewesen, das Mikrobiom. Gemeinsam mit ihnen bilden sie den sogenannten Metaorganismus. Die darin ablaufenden Interaktionen von Körper und Mikroben üben einen bedeutenden Einfluss auf die Funktionen und die Gesundheit des Wirtslebewesens aus.
Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) erforschen im Sonderforschungsbereich (SFB) 1182 „Entstehen und Funktionieren von Metaorganismen“ an diese komplexen Wechselwirkungen. Sie schreiben den Mikroorganismen auch eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Krankheitserregern zu. Sie nutzen verschiedene Modellorganismen, also Lebewesen, die sich in ihrem Zusammenspiel mit ihren bakteriellen Symbionten unter Laborbedingungen untersuchen lassen.
Am Beispiel des Fadenwurms Caenorhabditis elegans hat nun ein Kieler Forschungsteam aus der CAU-Arbeitsgruppe „Evolutionsökologie und Genetik“ die Funktion des natürlichen Darmmikrobioms untersucht. Dabei stellten sie fest, dass das natürliche Mikrobiom im Wurm offenbar eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Infektionen übernimmt und bestimmte Bakterien einen deutlichen antimikrobiellen Effekt haben. Diese Ergebnisse können künftig dabei helfen, die Funktionen des Darmmikrobioms insgesamt und insbesondere seine Effekte auf die Ansiedlung von Krankheitskeimen im Verdauungstrakt besser zu verstehen.
Direkter und indirekter Infektionsschutz
Den Grundstein für die aktuellen Forschungsergebnisse legte das Kieler Team vor wenigen Jahren, als es die erste systematische Analyse des natürlichen Fadenwurm-Mikrobioms vorlegte. Aus dieser Untersuchung ging eine genaue Kenntnis der Zusammensetzung und der dominierenden Arten dieser Bakterienbesiedlung hervor. Damals stellten die Forschenden die Hypothese auf, dass das natürliche Mikrobiom den Tieren einen evolutionären Vorteil verschafft. Es kann sie zum Beispiel gegen Krankheitserreger schützen. Um diese bisher nur vermutete Funktion des Mikrobioms besser zu verstehen, beschäftigten sich die Forschenden nun mit einzelnen Bakterien aus der damaligen Studie. Sie untersuchten, wie einzelne Bakterien auf bestimmte schädliche Keime wirken. Dabei machten sie zwei deutliche Wirkungsweisen aus.
„Einerseits konnten wir eine direkte Schutzwirkung bestimmter Bakterien gegen einen Krankheitserreger feststellen“, sagte Dr. Katja Dierking, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Arbeitsgruppe „Evolutionsökologie und Genetik“ an der CAU und Teilprojektleiterin im SFB 1182. „Bakterien der Gattung Pseudomonas hemmen das Wachstum des für den Wurm typischen Krankheitserregers Bacillus thuringiensis, wenn man beide in direkten Kontakt bringt“, so Dr. Dierking weiter. Außerdem zeigte sich bei der Untersuchung anderer Bakterien der Gattung Pseudomonas auch ein indirekter Effekt. Sie hemmen zwar nicht das Wachstum des Krankheitserregers, bewahren den Wurm aber trotzdem vor der schädlichen Wirkung. Insgesamt fanden die Forschenden sechs Bakterienisolate im natürlichen Mikrobiom, die an der Abwehr von Infektionen beteiligt sind. Zwei davon schützen den Wurm direkt vor dem Befall mit Krankheitskeimen, vier davon indirekt.
Wie Darmbakterien das Wachstum von Krankheitskeimen hemmen
Eine weitere Besonderheit der neuen Kieler Studie ist, dass im nächsten Schritt auch einen zugrundeliegenden molekularen Mechanismus identifizieren konnte. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des SFB 1182 konnten in Zusammenarbeit mit Forschenden der Goethe Universität Frankfurt mittels genomischer und biochemischer Analysen ein antibakterielles Molekül identifizieren. Es wird von den Mikrobiom-Bakterien, die Caenorhabditis elegans auf direkte Weise schützen, produziert. „Die Pseudomonas-Bakterien im Darm des Wurms produzieren ein sogenanntes zyklisches Lipopeptid“, erklärte Kohar Kissoyan, Erstautorin der Forschungsarbeit und Doktorandin in der Arbeitsgruppe „Evolutionsökologie und Genetik.“ Sie führte aus: „Diese chemische Verbindung entfaltet eine direkte Hemmwirkung auf den Krankheitskeim und unterdrückt so sein weiteres Wachstum.“
Wie kann man die neuen Erkenntnisse nutzen?
Die neuen Ergebnisse des Forscherteams bilden eine wertvolle Grundlage für die weitere Erforschung der verschiedenen Funktionen des natürlichen Darmmikrobioms. Mit dem Fadenwurm Caenorhabditis elegans steht dafür in Kiel und in zahlreichen Forschungslaboren weltweit ein sehr weit verbreiteter und bestens untersuchter Modellorganismus zur Verfügung. Als nächstes wollen Dr. Dierking und ihr Forschungsteam den Wirkungsmechanismus des im Darmmikrobiom des Fadenwurms identifizierten antibakteriellen Moleküls im Detail nachvollziehen.
Langfristiges Ziel des SFB 1182 ist es, auch die Wechselwirkungen der diversen Bakterien des Mikrobioms untereinander und mit dem Wirtsorganismus zu verstehen. In Zukunft, so hoffen die Kieler Forschenden, könne man durch Störungen des Darmmikrobioms verursachte Krankheiten mit der gezielten Gabe von Probiotika möglicherweise erfolgreich therapieren. Diesem Ziel möchten sich die Wissenschaftler in einer zweiten erfolgreichen Förderperiode weiter annähern.
Quelle: Pressemitteilung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Bildquelle: Thomas Galvez, flickr