Krankheiten oder Unfälle führen häufig zu Schäden am Skelettsystem. Mit einem innovativen Reparaturschaum oder maßgeschneiderten Implantaten aus dem 3D-Drucker gewinnen Patienten ihre Lebensqualität wieder zurück. Sogar lebende Zellen werden jetzt in Form gebracht.
Zwischen vier und acht Prozent aller Menschen in Deutschland leiden an Osteoporose. Betroffen sind vor allem Frauen ab dem 45. Lebensjahr und Männer jenseits ihres 55. Geburtstags. Orthopäden raten Patienten in der aktuellen DVO-Leitlinie, ihren Lebensstil zu ändern, sich zu bewegen und Muskeln aufzubauen. Gleichzeitig sollte die Medikation hinsichtlich ihres Frakturrisikos überprüft werden. Neben Calcium und Vitamin D verordnen Ärzte unter anderem Alendronat, Bazedoxifen, Denosumab, lbandronat, Östrogene, Teriparatid, Raloxifen, Risedronat, Strontiumranelat und Zoledronat. Trotzdem bleibt die Versorgungssituation unbefriedigend.
Wissenschaftler um Pierre Weiss aus Nantes berichten jetzt [Paywall] von einem selbstabbindenden Schaum, um Defekte im Knochen zu reparieren. Galenische Anwendungen dieser Art sind nicht neu. Allerdings ist es jetzt nach etlichen Versuchen gelungen, besonders feinporige Formulierungen herzustellen. Weiss setzt bei der Anwendung von injizierbarem Calciumphosphat-Zement auf siliziumorganische Verbindungen. Sein makroporöses Präparat zeigte im Tierexperiment gute Eigenschaften. Es stabilisierte den Knochen und kurbelte Regenerationsprozesse an. Toxische Effekte traten nicht auf. „Wir glauben, dass dies ein gutes Biomaterial ist, um vielleicht zusammen mit aktiven Molekülen gegen Osteoporose lokal vorzugehen“, so Weiss. Er hofft, Chirurgen auf der ganzen Welt hätten bald ein Material zur Hand, um minimal invasiv gegen die Krankheit vorzugehen. Bis es soweit ist, bleiben klassische Behandlungsansätze.
Trotzdem steht die Zeit nicht still. Australische Chirurgen haben weltweit erstmalig Halswirbel per 3D-Druck erzeugt und transplantiert. Ihr Patient litt an Chordomen, sprich seltenen Knochentumoren. Die maligne Erkrankung hatte die beiden oberen Halswirbel angegriffen, und Instabilitäten waren nur noch eine Frage der Zeit. Neurochirurg Ralph Mobbs entwarf auf Basis der Bildgebung ein passendes Implantat. Ein 3D-Drucker lieferte das Werkstück aus synthetischem Material. Zusammen mit Kollegen musste Mobbs den Kopf vom Knacken trennen, zerstörtes Knochenmaterial entfernen und schließlich Implantate passgenau einsetzen: eine „äußerst heikle OP“. Mobbs sieht den 3D-Druck bereits als „nächste Stufe in der individualisierten Gesundheitsfürsorge“. Sein Patient hat den 15-stündigen Eingriff von kleineren Blessuren abgesehen jedenfalls gut überstanden.
Die Prinzipien funktionieren nicht nur mit toter Materie. Forscher am Wake Forest Institute for Regenerative Medicine (WFIRM) in Winston-Salem haben jetzt gezeigt, dass sich lebende Kieferknochen, aber auch Knorpel, per 3D-Druck herstellen lassen. Bisher scheiterten entsprechende Versuche daran, dass Zellen ab einer Schichtdicke von 200 Mikrometern nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt wurden. Anthony Atala hat jetzt Wege aus dem Dilemma gefunden [Paywall]. Er arbeitet mit einem Gerüst aus Polycaprolacton (PCL). Der Kunststoff ist biologisch abbaubar, stützt aber bis zu zwei Jahre lang neue Strukturen. Atala entwickelte ein Hydrogel aus Hyaluronsäure, Gelatine und Fibrinogen in Glycerin plus Glucose. Für verschiedene Gewebearten wurde diese Mischung jeweils modifiziert. Dank mikroskopisch kleiner Kanäle in der Matrix gelang es dem Forscher, alle Zellen zu versorgen. Soweit die Theorie. In der Praxis stellte Anthony Atala aus CT-Daten ein lebendes Knochenstück her und vermehrten die per 3D-Druck aufgetragenen Zellen. Schließlich hatten sie ein festes Implantat zur Hand. In Ratten wuchsen Blutgefäße aus angrenzendem Gewebe in die neue Struktur hinein. Weitere Studien müssen folgen, um abzuklären, ob das neue Verfahren überhaupt für menschliche Gewebe geeignet ist. Die Autoren sind jedenfalls zuversichtlich – und sehen sogar Möglichkeiten, komplette Organe herzustellen.