Der menschliche Körper gleicht einer großen Wohngemeinschaft: Auf der Haut, im Darm und an vielen anderen Stellen des Körpers leben Milliarden von Mikroorganismen. Aber hängt dieses Zusammenspiel auch mit Geschlechtshormonen und Fruchtbarkeit zusammen?
Entzündliche Darmerkrankungen, Diabetes, Adipositas, Hautkrankheiten und Allergien – viele menschliche Leiden sind in den letzten Jahren mit Veränderungen des Darmmikrobioms in Zusammenhang gebracht worden. Aber beeinflusst das Mikrobiom auch unseren Hormonhaushalt? Wie hängt es zum Beispiel mit dem Polyzystischen Ovarialsyndrom (PCOS) zusammen, das mit Übergewicht und ungewollter Kinderlosigkeit assoziiert ist?
Großer Forschungsbedarf
Das diskutieren Experten auf der Pressekonferenz des 62. Kongresses für Endokrinologie am 20.03.2019 in Göttingen. „Zu den wenigen Gewissheiten zählt, dass die mikrobielle Gemeinschaft aus Bakterien, Archaebakterien, Viren und Pilzen zum Stoffwechsel beiträgt und die Verdauung von Zucker, Fetten und anderen Nährstoffen beeinflusst“, erklärt Professor Heide Siggelkow, Kongresspräsidentin und Ärztliche Leiterin des MVZ Endokrinologikum Göttingen. Wie das Zusammenspiel der Mikroorganismen aber genau funktioniert und welche Arten sowie Zusammensetzungen für die Gesundheit eines Menschen entscheidend sind, sei derzeit noch Gegenstand intensiver Forschung. Auch die Verteilung von Ursache und Wirkung in diesem komplexen Gefüge ist noch unklar.
Korrelation zwischen Mikroben und Krankheitsbild
Mit Hinweisen auf ein Wechselspiel zwischen Hormonen und Darmbakterien bringen Grazer Wissenschaftler nun ein weiteres Erkrankungsbild ins Spiel: PCOS. Das Syndrom betrifft rund zehn Prozent aller Frauen weltweit. Es ist unter anderem durch überhöhte Spiegel männlicher Geschlechtshormone gekennzeichnet. Diese führen zu betont männlicher Körperbehaarung, Akne, aber auch zu Haarausfall. Die Regelblutung kann unregelmäßig werden oder ganz ausbleiben. Und es kann zu den namensgebenden polyzystischen Ovarien führen. Frauen mit PCOS haben oft Fertilitätsprobleme, sind häufig deutlich übergewichtig und haben ein erhöhtes Risiko für Typ-2-Diabetes. Auch Depressionen und Angststörungen können gehören unter Umständen zum Krankheitsbild.
Zahl und Art der Mikroben ist entscheidend
Im Rahmen einer Pilotstudie hat das Team um Prof. Barbara Obermayer-Pietsch, Medizinische Universität Graz, Frauen mit PCOS untersucht. Sie verglichen deren Darmmikrobiom mit dem gesunder Probandinnen. Dabei zeigte sich, dass sowohl die Zahl als auch die Art der Mikroben mit den Symptomen und Hormonveränderungen bei PCOS korrelierten. Die Durchlässigkeit der Darmwand und Entzündungsfaktoren bei PCOS standen ebenfalls im Zusammenhang mit der mikrobiellen Vielfalt. „Wir gehen aufgrund unserer Studienergebnisse davon aus, dass die Zusammensetzung des Mikrobioms auch einen Einfluss auf unsere Geschlechtshormone und ihre Funktion hat“, sagte Prof. Obermayer-Pietsch.
Neue Therapiemöglichkeiten für PCOS?
Bislang wird das PCOS hauptsächlich durch Gewichtsreduktion und Hormongaben behandelt. „Wenn sich unsere Beobachtungen in größeren Studien bestätigen, könnte etwa die Anwendung prä- oder probiotischer Therapeutika infrage kommen, um die Darmflora positiv zu beeinflussen“, betont Obermayer-Pietsch. Auch insulinsensitivierende Mittel wie das in der Diabetestherapie schon sehr lange und erfolgreich verwendete Medikament Metformin könnten einen höheren Stellenwert bekommen. „Metformin, das direkt auf die Darmflora wirkt, wird bislang noch zu wenig bei der PCOS-Behandlung eingesetzt. Sollten Studienergebnisse die positive Wirkung bestätigen, wäre das eine weitere Therapieoption“, so Kongresspräsidentin Prof. Siggelkow.
Quelle: Pressemitteilung der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.
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