Sie ist größer als ihre europäischen Verwandten und kann Warmblütler über hunderte Meter verfolgen: Die Hyalomma-Zecke. Um die möglichen Gefahren durch die tropische Zecke zu untersuchen, soll jedes gefundene Exemplar an die Universität Hohenheim geschickt werden.
Im vergangenen Jahr vermeldete Prof. Ute Mackenstedt, Parasitologin und Expertin für Zecken an der Universität Hohenheim, die ersten Funde der tropischen Hyalomma-Zecke in Deutschland. Auf einer Pressekonferenz bat sie jetzt die Bevölkerung um Mithilfe bei der Forschung zur Ausbreitung der neuen Art. Doch auch die klassische Holzbock-Zecke war 2018 besonders aktiv. Bundesweit erkrankten 583 Menschen an der von ihr übertragenen Hirnhautentzündung. Die meisten Krankheitsfälle traten in Baden-Württemberg auf. Gleichzeitig benennt das Robert-Koch-Institut neue Risikogebiet. Weitere Infos, Bild- und Videomaterial auch unter: zecken.uni-hohenheim.de
Die beiden Arten Hyalomma marginatum und Hyalomma rufipes stammen ursprünglich aus den Trocken- und Halbtrockengebieten Afrikas, Asiens und Südeuropas. Erwachsene Zecken bevorzugen große Tiere als Wirte. Auf deren Körpern bewegen sie sich selbst dann bis zu 100 Metern aktiv. Larven und Nymphen befallen vor allem Vögel und Kleinsäuger. Sie bleiben bis zu 28 Tage auf ihrem Wirt und können so mit Zugvögeln nach Deutschland eingeschleppt werden. „Der Klimawandel scheint es der Hyalomma-Zecke zu erlauben, auch dauerhaft in Deutschland Fuß zu fassen“, sagt Prof. Mackenstedt.
Hartnäckiger als die Holzbock-Zecke
Auch in ihrem Jagdverhalten unterscheidet sich die neue Art von ihren europäischen Verwandten: Letztere klettern an Gräsern, Kräutern und Büschen in die Höhe, wo sie sich von Wildtieren und Wanderern abstreifen lassen. „Die Hyalomma-Zecke jagt dagegen aktiv: Sie erkennt Warmblütler auf Distanzen von bis zu 10 Metern und kann sie über mehrere 100 Meter verfolgen“, so Prof. Mackenstedt.
Wie weit die neue Art auch Krankheiten überträgt, ist noch unklar „In ihrer Heimat gilt die Hyalomma-Zecke als Überträgerin einiger Krankheitserreger. Dazu gehören die Erreger des sogenannten Krim-Kongo Hämorrhagischen Fiebers, des Arabisch Hämorrhagischen Fiebers und einer Form des Zecken-Fleckfiebers.“ Rickettsien seien in einigen der 2018 gefundenen Exemplare auch nachgewiesen worden. Die Erreger der hämorrhagischen Fieber-Formen bislang jedoch noch nicht.
„Wir sind dankbar um jede eingesandte Hyalomma-Zecke“
Um die Ausbreitung und mögliche Gefahren durch die neue Hyalomma-Zecke zu erforschen, bittet die Zecken-Expertin nun die Bevölkerung um Mithilfe: „Wir sind dankbar um jede eingesandte Hyalomma-Zecke, die wir im Labor erforschen können.“
Vor allem Reiterinnen und Reiter sollten beim täglichen Pferdestriegeln aufmerksam sein, da die Hyalomma-Zecke gerne große Säugetiere befällt. Festgebissene Zecken am besten wie europäische Zecken mit Zeckenzange, Zeckenkarte oder Pinzette entfernen. In einem kleinen, festverschlossenen Container senden an:
Universität HohenheimProf. Dr. Ute MackenstedtFachgebiet für ParasitologieEmil-Wolff-Straße 3470599 Stuttgart
Rekordjahr auch für klassische Holzbock-Zecke und FSME-Erkrankungen
Auch in anderer Hinsicht war das vergangene Jahr 2018 auffällig. „Die hohen Temperaturen und eine hohe Aktivität der Zecken bescherten uns auch ein Rekordjahr an FSME-Erkrankungen“, diagnostizierte Dr. Gerhard Dobler, Mikrobiologe und Leiter des Nationalen Konsiliarlabors für Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr.
Die hohe Zahl der Erkrankten in der Bundesrepublik sei vermeidbar, so die Experten. „Diese hohen Krankheitszahlen sind eigentlich unnötig“, sagte Dr. Dobler. Anders als zum Beispiel in Österreich seien in Deutschland nur 20 bis 40 Prozent der Bevölkerung gegen FSME geimpft. Die Krankheitszahlen in Deutschland lägen deshalb rund viermal höher als in der Alpenrepublik, wo 80 Prozent der Bevölkerung geimpft seien.
Baden-Württemberg an Spitze der FSME-Statistik
Im Jahr 2018 wurden die meisten Krankheitsfälle nicht mehr aus Bayern, sondern aus Baden-Württemberg gemeldet, berichtete Dr. Rainer Oehme vom Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg auf der Pressekonferenz.
Zum besonderen Hot-Spot entwickle sich hier der Landkreis Ravensburg. „Bereits im Jahr 2017 traten dort 19 Fälle auf. Mit 23 Fällen hat sich die Zahl im Jahr 2018 noch einmal gesteigert“, so Dr. Oehme.
Deutschland wird zum bundesweiten Risikogebiet
Doch auch in nördlicheren Bundesländern ist der FSME-Erreger auf dem Vormarsch. „Erstmals finden wir 2018 mit dem Landkreis Emsland auch in Niedersachsen ein Risikogebiet“, berichtete Dr. Dobler.
„Generell beobachten wir seit einigen Jahren, dass sich das Risiko nicht mehr lokal eingrenzen lässt“, sagte Prof. Mackenstedt. Manche Hot-Spots mit besonders hohem Krankheitsrisiko blieben über Jahre stabil. Andere tauchten von Jahr zu Jahr neu auf, verschöben sich und verschwänden wieder. „Im vergangenen Jahr trat jede fünfte Erkrankung außerhalb der bekannten Risikogebiete auf.“
„Ein Fazit ist, dass man dem FSME-Risiko in Deutschland nicht mehr ausweichen kann“, erklärte die Parasitologin. Das gelte nicht nur für Waldgebiete, sondern auch für Grünanlagen oder den eigenen Garten, wie die Universität Hohenheim bereits zwischen 2014 und 2016 in Studien belegt habe.
Ein Grund zur Panik bestehe aber nicht. „Unsere Nachbarländer machen uns vor, wie erfolgreich eine möglichst flächendeckende Impfung die Krankheitszahlen nach unten drückt.“ Die Impfung werde von der Krankenkasse bezahlt und wird in endemischen Regionen gleich für die ganze Familie empfohlen.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Universität Hohenheim.
Bildquelle: Uni Hohenheim/Marco Drehmann