Die Psoriasis ist eine der häufigsten Autoimmunkrankheiten. Viele Betroffene hoffen auf zielgenauere Therapien. Forscher haben nun ein Antigen identifiziert, das auf den Pigmentzellen der Haut sitzt und den Angriff des Immunsystems offenbar verursacht.
Das charakteristische Erscheinungsbild macht die Diagnose der Psoriasis einfach: Bei den betroffenen Patienten kommt es zu einer beschleunigten und vermehrten Erneuerung der oberen Hautschicht. Es bilden sich silbrig glänzende Schuppen, die sich leicht ablösen. Das darunter liegende Gewebe weist eine deutliche Rötung auf. Was der eigentliche Auslöser für die rasche Teilung der Hautzellen ist, blieb jedoch lange Zeit weitgehend rätselhaft. Wie bei vielen anderen Autoimmunkrankheiten wurde auch bei der Psoriasis eine Kombination aus Umwelteinflüssen und genetischer Veranlagung verantwortlich gemacht. Ein Forscherteam der Universität München ist jetzt auf der Suche nach der Krankheitsentstehung einen entscheidenden Schritt weitergekommen. Wie die Wissenschaftler um Jörg Prinz in einem Artikel im Journal of Experimental Medicine berichten, beruht die Psoriasis auf einer Autoimmunreaktion gegen die pigmentbildenden Zellen der Haut. Das könnte den hautspezifischen Charakter der Psoriasis erklären, da Melanozyten vorwiegend in der Haut vorkommen.
Mittlerweile sind knapp 50 Risikogene bekannt, die mit der Krankheit assoziiert sind. Rund 60 Prozent aller Psoriasis-Patienten besitzen die Genvariante HLA-C*06:02, die die Wahrscheinlichkeit für eine Erkrankung um das 9- bis 23-fache erhöht und als Hauptrisikogen der Psoriasis gilt. Das HLA-System sorgt dafür, dass kleine aus neun Aminosäuren bestehende Peptide aus dem Zellinneren zur Zelloberfläche gebracht und dort der körpereigenen Abwehr präsentiert werden. Diese auch als Antigene bezeichneten Peptide sind Bruchstücke von größeren Proteinen, die entweder von der Zelle selbst oder von Krankheitserregern stammen, die in die Zelle eingedrungen sind. Mithilfe eines Rezeptormoleküls untersuchen spezialisierte T-Zellen die vom HLA-System dargebotenen Proteinbruchstücke. Wenn sie diese als körperfremd erkennen, schütten sie Botenstoffe aus, die das Immunsystem weiter stimulieren. Im Rahmen ihrer Studie wollten Prinz und sein Team zuerst herausfinden, welche Hautzellen für die Attacke des Immunsystems bei der Psoriasis verantwortlich ist. Aus diesem Grund isolierten sie T-Zellen aus der Hautläsion eines HLA-C*06:02-positiven Psoriasis-Patienten und charakterisierten den auf ihnen vorkommenden T-Zell-Rezeptor (TZR). Anschließend übertrugen sie dessen genetischen Code auf sogenannte Hybridomzellen, die im Gegensatz zu natürlichen T-Zellen sehr langlebig sind. Die von den Forschern verwendeten Hybridomzellen besaßen zusätzlich die Erbinformation eines grün fluoreszierenden Reporterproteins. Seine Produktion wird nur hochgefahren, wenn der auf den Hybridomzellen sitzende T-Zell-Rezeptor das passende Antigen erkannt hat.
Die Forscher nutzten die TZR-Hybridomzellen als Werkzeug, um die Zielzelle zu identifizieren, die in der Haut von Psoriasis-Patienten von T-Zellen angegriffen wird. Das Ergebnis dieses Versuchs überraschte die Forscher: Denn nur, wenn Prinz und sein Team die TZR-Hybridomzellen mit Melanozyten von HLA-C*06:02-positiven Testpersonen zusammenbrachten, konnten sie unter dem Mikroskop ein grünes Fluoreszenz-Signal beobachten. „Bisher dachten wir immer, dass die ebenfalls in der Haut sitzenden Keratinozyten von Psoriasis-Patienten das Angriffsziel von T-Zellen sind“, sagt Prinz, leitender Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie des Klinikums der Universität München. Als er und sein Team Hautproben von Psoriasis-Patienten, Patienten mit einem Nickel-Ekzem und gesunden Personen genauer analysierten, bestätigte sich dieses Ergebnis: Im Vergleich zu den ersten beiden Gruppen fanden sich bei den gesunden Personen viel weniger aktivierte T-Zellen in der Haut; bei den Patienten mit Psoriasis standen deutlich mehr dieser T-Zellen mit Melanozyten in Kontakt als bei den Patienten mit einem Nickel-Ekzem.
Um herauszufinden, welches Antigen von HLA-C*06:02-positiven Melanozyten präsentiert wird, stellten die Forscher eine große Sammlung unterschiedlicher, jeweils aus neun Aminosäuren bestehender Peptide her und untersuchten deren Reaktion auf die TZR-Hybridomzellen. Nur bei wenigen dieser Peptide konnte das Team um Prinz eine Aktivierung der TZR-Hybridomzellen beobachten. Eine gründliche Analyse der positiv getesteten Peptide zeigte, dass diese an bestimmten Stellen die gleichen Aminosäuren trugen. Diese Ähnlichkeit in der Aminosäure-Abfolge konnten die Forscher auch bei 180 in menschlichen Zellen vorkommenden Proteinen nachweisen. Allerdings führte nur eines dieser Proteine, ADAMTSL5, in weiteren Experimenten zu einer Aktivierung der TZR-Hybridomzellen. ADAMTSL5, dessen Funktion noch unbekannt ist, wird in der Haut ausschließlich von den Pigmentzellen gebildet. Dies geschieht sowohl bei Patienten mit Psoriasis als auch bei gesunden Menschen. Doch nur die Melanozyten von Patienten mit dem Risikogen HLA-C*06:02 präsentieren auf ihrer Oberfläche einen Teil von ADAMTSL5, der von den T-Zellen, vielleicht aufgrund einer früheren Infektion, als fremd erkannt wird und so die typische Entzündungskaskade der Psoriasis verursacht.
„Zum ersten Mal konnte der Krankheitsmechanismus einer Autoimmunerkrankung derart umfassend aufgeklärt werden“, findet Prinz. „Die Aufklärung der Psoriasis als T-Zell-vermittelte Autoimmunreaktion gegen ein Protein von Pigmentzellen bietet nun die Möglichkeit, gezielt in das Krankheitsgeschehen einzugreifen“. Der Forscher sieht zwei potenzielle Angriffspunkte: Entweder, so Prinz, ließen sich die gegen ADAMTSL5 gerichteten T-Zellen spezifisch ausschalten oder man könne mit einem auf die Haut aufzutragenden Wirkstoff dafür sorgen, dass die Melanozyten von Psoriasis-Patienten weniger HLA-C-Moleküle herstellen und dadurch eine geringere Menge des krankheitauslösenden Antigens präsentiert wird. Doch beide Therapieansätze sind bislang reine Zukunftsmusik, da es noch keine konkreten Pläne zu ihrer Umsetzung gibt.