An einem verregneten freien Tag stoße ich beim Surfen im Internet auf eine Galileo-Sendung. Titel: „Zehn Fragen an einen Chefarzt.“ Ich bin zwar keiner, hier habe ich die Fragen aber trotzdem mal beantwortet – aus Chirurginnen-Sicht.
Es war ein verregneter Tag, ich hatte frei und nichts vor. Das Faulenzen genießend, surfte ich im Internet, umgeben von meinen schnurrenden Katzen. Auf Youtube wurde mir eine Folge von Galileo vorgeschlagen: „10 Fragen an einen Chefarzt”. Ich bin zwar keine Chefärztin, hier trotzdem meine Antworten.
1. Welches Auto fahren Sie und wieviele?
Keines, ich lebe in einer Stadt einem gut ausgebauten Öffi-Netz und fahre ansonsten gerne mit dem Zug in Urlaub.
2. Wieviel hat der Klinikalltag mit den typischen Krankenhausserien zu tun?
Ich bin da nicht so bewandert und kenne nur Scrubs und Grey’s Anatomy. Gemessen an diesen Serien: ziemlich wenig! Weniger Dramatik, keine Hintergrundmusik, und die Mitarbeitenden sehen nicht so gut aus.
3. Bevorzugen Sie Privatpatienten?
Nein. Ich arbeite in einem öffentlichen Spital und weigere mich so gut es geht, in einem System einer Zwei- oder Drei-Klassenmedizin mitzuarbeiten.
4. Stimmt es, dass Ärzte während der OP Musik hören?
Selten läuft das Radio im Saal, und das auch nur bei einfachen Routineeingriffen. Mehr Lärm im Saal ist mit einer höheren Komplikationsrate assoziiert.
5. Hatten Sie schon mal was mit einer Krankenschwester?
Ja.
6. Haben Sie schon mal etwas in einem Patienten vergessen?
Ja! Ich war als Assistenzärztin gemeinsam mit der Oberärztin und dem Chef am Tisch, und wir vergaßen ein Tuch im Bauch eines Patienten. Als Hauptoperateurin ist mir das, Gott sei Dank, noch nie passiert. Allerdings hatte ich schon drei Komplikationen: zwei relevante Nachblutungen und ein dislozierter Clip am abgesetzten Ductus cysticus. Dieser Patient musste am zweiten postoperativen Tag revidiert werden. In diesem Fall setzte ich den Clip einfach neu.
7. Schon mal aufgeputscht, Drogen genommen?
Im Dienst noch nie. Auch nicht davor, um mich munter oder konzentrierter zu machen. Kaffee und Cola sind meine einzigen Aufputschmittel. Auch von meinen Kollegen bekomme ich so etwas nicht mit. Wenn ich daran denke, dass man unter Drogen-/Medikamenteneinfluss einen Fehler begeht, ein Mensch dadurch verletzt wird und ich meine Arbeitsbewilligung verliere … Horrorvorstellung.
8. Wurden Sie schon mal von einem Patienten bedroht?
Das ist mir schon häufig passiert, allerdings ausschließlich durch demente Patienten. Denen nehme ich es nicht übel, egal ob es verbale Beleidigungen sind oder ein tätlicher Angriff. Auch Menschen unter Drogeneinfluss würde ich es, glaube ich, nicht wirklich übelnehmen, da die es ja auch nicht aus purer Bösartigkeit oder Spaß tun.
9. Behandeln junge Ärzte besser, da sie neueste Techniken kennen?
Ich setze hier auf das Mittelfeld ;-) Die jungen Hüpfer haben noch zu wenig Erfahrung.
10. Wieviel verdient ein Chefarzt?
Keine Ahnung. Als Assistenzärztin verdient man, je nach Ausbildungsjahr und nach Abzug der Steuern, circa 5500 Euro pro Monat.
Als Zugabe gibt es eine elfte Frage, die mir von einem meiner Leser zugeschickt wurde:
11. Mich würde interessieren, ob man als Menschenhandwerkerin selber eigentlich auf lange Sicht gesund bleiben kann – mental gesehen zumindest?!
Das ist eine interessante und schwierige Frage. Ich denke ja. Mir fällt zwar auf, dass ich weniger tragischen Schicksalen gegenüber etwas abgestumpfter geworden bin. Nicht, dass ich es lächerlich finde, aber wenn ich fast täglich tragische Krankheits- oder Unfälle miterlebe, und sehe, wie innerhalb weniger Sekunden eine Familie in tiefste Trauer gestürzt wird, dann habe ich oft wenig Verständnis, wenn sich jemand über schlechtes Essen, das Wetter oder ähnliche First-World-Problems beschwert. Auch wenn jemand über eine 40-Stunden-Woche klagt, kann ich mittlerweile nur mehr milde lächeln.
Bildquelle: Bill Smith, flickr