Firmen schalten Werbung auf der Videoplattform Youtube. Doch viele von ihnen waren schockiert darüber, wo ihre Werbung mitunter auftauchte: nämlich im Impfgegnerspektrum. In Youtube-Videos, in denen gegen das Impfen Stimmung gemacht wird, soll es ab sofort keine Werbung mehr geben.
Nach einem Masernausbruch in den USA und teils erheblichem Druck von Politikern und Werbekunden wollen Digitalkonzerne gegen irreführende Beiträge zu Impfungen vorgehen. In der vergangenen Woche hatten bereits viele Werbekunden wie Nestle oder Kelloggs Werbekampagnen auf YouTube beendet, da die Plattform es Pädophilen erleichtern soll, sich zu vernetzen.
Nun geht es um unfundierte Impfkritik: So hatte Adam B. Schiff, der als Mitglied der Demokratischen Partei im US-Repräsentantenhaus sitzt, sich Mitte Februar in einem Brief an Google-Geschäftsführer Sundar Pichai gewandt. „Ich schreibe Ihnen, da ich mir Sorgen mache, dass YouTube Nachrichten ein Publikum gibt und Beiträge empfiehlt, die Eltern abraten, ihre Kinder zu impfen“, erklärte er in Bezug auf die zu Google gehörende Videoplattform. Dies sei „eine direkte Bedrohung für die öffentliche Sicherheit – und sie läuft dem Fortschritt zuwider, den wir bei der Bekämpfung von Krankheiten gemacht haben, die durch Impfungen verhindert werden können“.
Pichai habe bereits in früheren Gesprächen anerkannt, dass der Suchalgorithmus nicht darauf ausgerichtet sei, hochqualitative Informationen von Falschmeldungen oder irreführenden Nachrichten zu unterscheiden, schreibt Schiff in dem Brief. Daher könnten auch Eltern Seiten und Videos mit Falschinformationen erhalten, die eigentlich auf der Suche nach akkuraten Informationen sind.
Er begrüßt, dass Google bereits im Januar im offiziellen Blog angekündigt hatte, „grenzwertige Beiträge“ und solche, die Nutzer auf gefährliche Weise fehlinformieren könnte, nicht mehr aktiv zu empfehlen. Hierzu sollen auch Videos gehören, die Wundermittel für ernste Erkrankungen empfehlen oder Verschwörungstheorien verbreiten. Allerdings bleiben sie weiterhin auf der Plattform verfügbar, sofern sie nicht die Community-Standards verletzen – so auch Beiträge zum gesundheitsgefährlichen Mittel „Miracle Mineral Supplement“ (MMS). „Wir denken, dass dies einen guten Mittelweg darstellt, um einerseits weiterhin eine Plattform mit Meinungsfreiheit zu sein und andererseits unserer Verantwortung für die Nutzer nachzukommen“, ist im Blog zu lesen.
Als nächsten Schritt hat YouTube nach Protesten von Werbekunden nun angekündigt, keine Werbung mehr bei Anti-Impf-Videos anzuzeigen – und Werbung für Videos zu entfernen, die Panik vor Impfungen schüren. Impfgegner-Videos würde YouTube als „gefährlich und schädlich“ ansehen, erklärte ein Sprecher der Videoplattform laut dem US-amerikanischen Portal „Buzzfeed“. „Wir haben strenge Regeln, die bestimmen, auf welchen Videos wir Werbung erlauben – und Videos, die Anti-Impf-Inhalte fördern, verletzen diese Regeln“, sagte er. „Wir setzen diese Regeln auf strenge Weise um, und wenn wir ein Video finden, das sie verletzt, greifen wir sofort durch und entfernen die Werbung.“ Mehrere Firmen, die auf YouTube werben, hatten gegenüber „BuzzFeed“ erklärt, dass ihnen nicht bewusst war, dass ihre Werbung auf Impfgegner-Videos eingeblendet wurde.
Screenshot, Quelle: YouTube
Für Nutzer aus englischsprachigen Ländern blendete YouTube bei derartigen Videos, die die Masern-Mumps-Röteln-Impfung thematisierten, bislang einen Hinweis ein, der die Impfung erklärte und auf die entsprechende Wikipedia-Seite verwies. Nun hat YouTube den Hinweis geändert – und verlinkt zu der Wikipedia-Seite zur „Impfzurückhaltung“, welche die Weltgesundheitsorganisation kürzlich als eine der zehn größten Gefahren für die öffentliche Gesundheitsversorgung bezeichnet hat.
„Wir haben Schritte unternommen, um die Ausbreitung von gesundheitsbezogenen Falschinformationen auf Facebook zu reduzieren“, erklärte auch ein Sprecher von Facebook laut „Washington Post“. „Aber wir wissen, dass wir noch mehr zu tun haben“, sagte er. „Wir arbeiten derzeit an weiteren Änderungen, die wir in Kürze ankündigen werden.“
Insbesondere will Facebook offenbar Empfehlungen für Gruppen reduzieren oder entfernen, die irreführende Gesundheitsinfos enthalten. Laut „Washington Post“ will es derartige Inhalte auch bei den Suchtreffern weiter hinten anzeigen als bisher. Bislang arbeitet Facebook wie auch andere IT-Firmen sehr intransparent – und inkonsequent: Gruppen zu bedenklichen Themen wie MMS müssen teils vielfach gemeldet werden, bis Facebook sie endgültig deaktiviert. Bei anderen Themen sieht Facebook gar keinen Handlungsbedarf.
Offenbar bereits seit Herbst 2018 geht die Digitalplattform „Pinterest“ gegen Fehlinformationen zu Impfungen vor. Diese ist bei Eltern sehr beliebt: Laut Umfragen sollen 80 Prozent aller Mütter und 38 Prozent aller Väter in den USA die Plattform benutzen, schreibt die „New York Times“. Sie hat sich entschlossen, manche Suchbegriffe völlig zu sperren: Wer bei Pinterest etwa nach „Vaccination“ sucht, erhält eine Meldung, dass Beiträge zu dem Thema häufig gegen die Community-Richtlinien verstoßen. „Daher können wir derzeit keine Suchergebnisse anzeigen“, schreibt Pinterest.
Diese Schritte seien aber nur eine „vorübergehende Lösung, um zu verhindern, dass Nutzer gefährlichen Fehlinformationen begegnen“, erklärt eine Sprecherin. Die Firma wolle mit Experten zusammen einen besser angepassten Langzeit-Ansatz entwickeln.
Jedoch greifen diese Schritte nur in der englischsprachigen Welt. Die deutsche Ausgabe von Pinterest blockiert nach Recherchen von MedWatch zwar auch Suchen nach „vaccination“, aber nicht nach „Impfung“. Eine „Impf-Studie mit 300.000 Kindern“ zeige, dass Grippeimpfungen wirkungslos seien, erklärt etwa ein prominent angezeigter Beitrag bei Pinterest, der auch „Impfung, Impfschäden, Eugenik und Menschenvergiftung“ aufführt. „Regierung gibt zu“, heißt es in einem anderen Falschbeitrag: Nach diesem würden Impfungen „schwere körperliche/psychische Schäden“ anrichten.
Und auch etwa die deutsche Ausgabe von YouTube kennt die auf der englischen Seite eingeblendeten Hinweise auf die Impfskepsis noch nicht.
Text: Hinnerk Feldwisch-Drentrup
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Bildquelle: priscilladupreez, unsplash