Kaum ein Tag vergeht ohne Nachrichten zu Feinstaub, Stickoxiden bzw. Ozon. Das Chaos aus Konzentrationen und Grenzwerten ist perfekt. Was steckt hinter den Zahlen, und was sollten Ärzte wissen?
„Die Stickstoffdioxidbelastung geht 2018 insgesamt leicht zurück“, schreibt das Umweltbundesamt in einer Meldung. Doch die Freude währt nur kurz, den aus Stuttgart heißt es: „Feinstaubalarm besteht weiterhin“. Andere Städte berichten auch wenig Gutes. Tat für Tag erreichen uns die unterschiedlichsten Meldungen. Grund genug für DocCheck, das Chaos rund um Luftschadstoffe zu lichten. Unsere FAQs:
Wo kommen Luftschadstoffe eigentlich her?
Luftschadstoffe entstehen meist bei Verbrennungsprozessen. Sie haben verschiedene Ursachen, etwa Kraftwerke zur Energiegewinnung, Müllverbrennungsanlagen, die private Feuerung, Flugzeuge, Schiffe oder Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Grundsätzlich tragen alle Quellen zur Gesamtbelastung bei. Die Konzentration ist aber nicht gleichmäßig. In Großstädten erreichen Schadstoffwerte ein Maximum.
Stickoxide kommen aktuell vor allem aus Verbrennungsmotoren, berichtet das UBA. Andere Quellen spielen in den Gebieten mit hoher Belastung keine nennenswerte Rolle. Und Ozon entsteht indirekt aus Vorläufen wie Stickoxiden bzw. Kohlenwasserstoffen unter UV-Einfluss.
Feinstaub kommt häufiger aus Industrieprozessen als aus Motoren. Natürliche Quellen, etwa Halden mit Gestein oder - bei uns eher irrelevant - Vulkanausbrüche leisten auch ihre Beiträge. Lokale Feinstaub-Spitzenwerte in Metropolen sind meist auf den Verkehr zurückzuführen. Unterscheiden werden je nach Größe PM10 (< 10 Mikrometer), PM2,5 (< 2,5 Mikrometer) und ultrafeine Partikel (< 0,1 Mikrometer). Je kleiner die Teilchen sind, desto leichter gelangen sie in unsere Atemwege, durch Blutgefäße und in den Körper
Wie war die Situation im letzten Jahr?
Laut aktuellen Zahlen des Umweltbundesamts (UBA) ging die Belastung mit Stickoxiden etwas zurück. 39 Prozent (2017: 45 Prozent) aller verkehrsnahen Messstationen verzeichneten trotzdem Überschreitungen des EU-Grenzwerts:
Der seit 2005 einzuhaltende Feinstaubgrenzwert wurde in keinem Ballungsraum überschritten. Nur an einer industrienahen Messstation in Nordrhein-Westfalen lagen die Werte 36 Tage lang über 50 µg/m³. Zulässig sind maximal 35 Tage.
Aufgrund des Rekordsommers wurde Ozon zum Problem. Alle 265 Messstationen überschritten das Ziel von 120 µg/m³ als Mittel über 8 Stunden durchschnittlich 37 Tagen pro Station.
In welcher Größenordnung bewegen sich die Schadstoffwerte?
Messstationen arbeiten je nach Schadstoffart mit unterschiedlichen zertifizierten Referenzverfahren. Sie befinden sich in großen Städten an dicht befahrenen Straßen. Ein Beispiel: In Stuttgart erfassen Experten die Werte in der Warte „Am Neckartor“:
Messergebnisse, oben Feinstaub, darunter Stickstoffdioxid. Grafiken: UBA
Ozon wird u.a. in der Warte Stuttgart-Bad Cannstadt bestimmt:
Ozon-Messergebnisse. Grafik: UBA
In einem Kubikmeter Luft befinden sich also 5 bis 150 Milligramm Stickstoffdioxid, 5 bis 90 Milligramm Feinstaub (PM10) und bis zu 180 Mikrogramm Ozon.
Wie lassen sich zeitliche Trends erklären?
Das Messstationen stark schwankende Werte ermitteln, hat unterschiedliche Gründe. Im Winter wird viel geheizt. Auch der Verkehr unterliegt Schwankungen. Zur Rush Hour oder zu Ferienbeginn sind deutlich mehr Fahrzeuge unterwegs. Auch das Wetter spielt eine Rolle. Starker Wind führt zur schnelleren Durchmischung von Luftschichten. Die Schadstoffe werden quasi „verdünnt“. Schlecht sind sogenannte Inversionswetterlagen, wie sie im Winter oft vorkommen. Die oberen Luftschichten sind wärmer als die unteren. Kalte Luft hat jedoch eine höhere Dichte. Sie bleibt in Bodennähe, reichert sich mit Abgasen an und durchmischt sich kaum. Speziell bei Ozon spielt die UV-Intensität eine Rolle. Ozon entsteht aus Sauerstoff und Stickoxiden oder organischen Verbindung unter dem Einfluss energiereicher Strahlung. Mehr Sonne lässt auch bodennahe Ozonwerte in die Höhe schnellen.
Wie entstehen Grenzwerte?
Im ersten Schritt sucht die Weltgesundheitsorganisation WHO nach Experten mit anerkannter Expertise in unterschiedlichen Bereichen der Luftschadstoff-Forschung. Voraussetzung ist, dass sie im Bereich forschen und dies durch eigene Publikationen belegen. Diese Peers legen auf Basis von Studien Richtwerte zur Gesundheitsprävention fest. Ziel ist, gesundheitliche Folgen zu minimieren, aber nicht gänzlich zu vermeiden. Diese „Air Quality Guidelines“ sind keine verbindliche Vorgabe. Sie bilden aber Grundlagen für evidenzbasierte Entscheidungen der Politik, welche Grenzwerte umzusetzen sind. Auf Basis wissenschaftlicher Publikationen empfiehlt WHO-Forscher Grenzwerte, die in Europa jedoch nur teilweise übernommen wurden:
Quelle: Science Media Center Germany
Welche gesundheitlichen Folgen haben Schadstoffe?
Internationale Fachgesellschaften bewerten Folgen von Stickoxiden, Feinstaub bzw. Ozon auf das Herz-Kreislauf-System und das respiratorische System in den meisten Fällen als „kausal“. Feinstaub verkürzt laut einem Übersichtsartikel der European Respiratory Society (ERS) die Lebenserwartung aufgrund von Herz-Kreislauf- und Lungenerkrankungen. Ozon führt zu mehr pulmonalen Notfällen, aber auch zu einer höheren Sterblichkeit. Bei Stickoxiden fanden Wissenschaftler speziell bei Asthma eine Verschlechterung. Neuere Studien belegen auch Zusammenhänge mit Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen.