Husten, Schluckbeschwerden oder geschwollene Lymphknoten sind oft Anzeichen banaler Leiden. In seltenen Fällen stecken jedoch Krebserkrankungen hinter den Symptomen. Wie sollten Ärzte vorgehen, um nichts zu übersehen?
Anhaltende Halsschmerzen deuten nicht nur auf eine chronische Tonsillitis hin. Sie können in seltenen Fällen mit Larynxkarzinomen assoziiert sein, warnen britische Forscher. Außerdem standen Schluckbeschwerden, Ohrenschmerzen, rezidivierende Infektionen der Atemwege, Schlaflosigkeit, Atemnot, Beschwerden im Mundraum sowie erhöhte Entzündungsmarker statistisch signifikant mit der Krebsform in Verbindung. Ihre Kohorte umfasste 806 Patienten mit Larynx-Ca sowie 3.559 Kontrollen. „Entscheidend ist, dass schwerwiegende Heiserkeit weitere Untersuchungen rechtfertigt“, sagt Prof. Willie Hamilton. Er forscht an der University of Exeter Medical School. Was können Allgemeinmediziner aus solchen Studien für ihren Alltag mitnehmen? Auf welche vermeintlich banalen Symptome sollten sie achten? Und wie schafft man es als Arzt, wichtige Kleinigkeiten ernst zu nehmen, ohne hysterisch zu wirken und den Patienten zu verunsichern?
„Die genannten Beschwerden sind jedoch – gemessen an der Vielzahl von Symptomen und Krebserkrankungen – eher eine leichtere Übung“, so Freund weiter. „Unser Problem in der Onkologie ist, dass sich viele Krebserkrankungen in einer bunten Mischung vermeintlich banaler Symptome verbergen.“
Als Beispiel nennt er Schwellungen der Lymphknoten. Leidet ein Patient nur an banalen viralen Infektionen oder steckt vielleicht ein Hodgkin- bzw. Non-Hodgkin-Lymphom dahinter? „Schmerzlose, unsymmetrische Vergrößerungen mit klarer Progredienz sprechen eher für die Krebserkrankung“, so Freund weiter. Er engagiert sich auch in der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs und warnt, Hodgkin- bzw. Non-Hodgkin-Lymphome würden vor allem zwischen 15 und 35 Jahren ein Inzidenz-Maximum erreichen.
„Erfahrene Ärzte nehmen deshalb jede Vergrößerung ernst.“ Wichtig sei, alles akkurat zu dokumentieren. Mit Metaphern wie „wachteleigroß“ könne niemand etwas anfangen; objektivierbare Angaben seien zu bevorzugen. Beim Folgetermin stelle sich heraus, welche Trends es gebe und ob Folgeuntersuchungen erforderlich seien.
Das gilt auch für unklare Rückenschmerzen: ein Symptom, an dem Millionen Menschen leiden. Nun sind idiopathische Rückenschmerzen für Onkologen uninteressant. Es kann sich aber auch um ein fortgeschrittenes Prostatakarzinom handeln. „Liegen bereits Metastasen vor, berichten Patienten eher von Rückenschmerzen“, weiß der Experte. Bekannte Symptome, etwa Miktionsstörungen, sind leider auch nicht eindeutig. Der weitere Gang der Abklärung bis hin zur Biopsie bleibt keinem Patienten erspart.
Auch bei Bauchschmerzen oder Durchfall im Wechsel mit Verstopfung denken Ärzte nicht sofort an Krebs. Gerade bei jungen Menschen liegen solche Vermutungen eher fern. Das Spektrum an Differentialdiagnosen reicht von Infektionen über chronisch-entzündliche Darmerkrankungen oder ein Reizdarmsyndrom bis hin zu psychogenen Faktoren. Dass Kolonkarzinome in der Altersgruppe zwischen 15 und 39 bei der Krebsinzidenz an fünfter Stelle rangieren, wissen nur wenige. Verschwinden die Beschwerden nicht, sei Freund zufolge auch bei jungen Patienten eine Koloskopie notwendig.
Auch bei Tumoren in der Brusthöhle, sogenannten Mediastinaltumoren, seien Verzögerungen zwischen dem Arztbesuch und der Diagnose bekannt. „Hier kommt es anfangs recht unspezifisch nur zu Engegefühl und leichter Atemnot“, weiß Freund. „Ich bin erstaunt, wie groß solche Tumoren werden können, bevor Ärzte die Symptomatik ernst nehmen und weitere Untersuchungen durchführen.“ Ein Röntgenthorax zu Beginn wäre ideal.
Geht es um Lungenkrebs, sieht die Sache klarer aus. Medizinisch betrachtet können Husten, Schmerzen und Verschlechterung des Allgemeinzustands Alarmzeichen sein. Aber leider hebt sich das nicht so eindrucksvoll von der Raucherbronchitis ab, an die viele Patienten gewöhnt sind. Sprich: Sie berichten Ihrem Arzt nicht von den Beschwerden. „Nur in den seltensten Fällen kommt es zu Auffälligkeiten wie blutigem Auswurf“, so Freund. Eine frühe Diagnostik sei jedoch extrem wichtig. „Mittlerweile gibt es gute Daten, dass eine Früherkennung mit computertomographischen Verfahren die Heilungsrate verbessert.“ Ob Screenings letztlich umgesetzt worden, bleibt politisch zu klären. Die DGHO hat auf die positiven Daten für solche Untersuchungen hingewiesen.
Was sollten Ärzte aber schon jetzt tun? Patienten mit malignen Erkrankungen haben 60 bis 70 Lebensjahre auf dem Buckel, doch ist Krebs eben nicht nur eine Alterserkrankung. Freund sieht vor allem bei jungen Patienten die Gefahr, dass Kollegen sich Symptome mit banalen Leiden erklären, ohne weiter nachzuforschen. Er warnt, Krebs im ersten Lebensdrittel zu unterschätzen, denn: „Sterben Menschen im Alter von 30 bis 34, ist fast jeder dritte Todesfall bei Frauen und jeder achte Todesfall bei Männern auf Krebs zurückzuführen.“ Deshalb sollten alle Symptome bei unklarem Gesamtbild akribisch dokumentiert werden.
Anschließend bekommt der Patient gleich einen Folgetermin. „Ich wäre immer vorsichtig, wenn Symptome einen spezifischen Beginn haben und nicht wieder verschwinden“, sagt Freund. Ein progredienter Verlauf, auch wenn er wellenförmig ist, sei Grund genug für weitere Untersuchungen. Nicht alle Patienten erzählen wichtige Details aus freien Stücken. „Deshalb ist es Aufgabe des Arztes, nachzufragen“, sagt Freund. „Das braucht Zeit, aber Zeit fehlt immer häufiger.“
Artikel von Michael van den Heuvel
Bildquelle: M.T ElGassier, unsplash