Was ist schlimmer als keine Zusage? Eine Zusage, die man gemacht hat, aber nicht einhält. Kollegen und Patienten sind enttäuscht oder wütend, wenn wir nicht verlässlich sind und umgekehrt. Ein Regelwerk aus dem Supermarkt-Business hilft dabei, Zusagen auch wirklich einzuhalten.
Mittwoch Nachmittag. Endlich habe ich Zeit gefunden, einen Vortrag vorzubereiten. Voller Elan mache ich mich ans Werk und will mit der Recherche von Fachartikeln beginnen. Und dann kam gleich die große Enttäuschung.
Der Zugang funktioniert nicht! Ich kann tun, was ich will, mein Zugriff auf das Online-Archiv wird verweigert. Das Referat sollte eigentlich schon längst fertig sein, ich beginne mal wieder auf den letzten Drücker.
Ein Anruf in der IT-Abteilung kann das Problem nicht lösen. Aber die Kollegin verspricht mir, den Fehler zu beheben und mir bis Ende der Woche den Zugang zu ermöglichen. Ob das wohl klappt?
Kaum eine Enttäuschung ist so groß, wie eine gebrochene Zusage. Im Großbetrieb Krankenhaus gibt es viele Abteilungen, Zuständigkeiten und Prozesse. Damit alles reibungslos läuft, sind wir auf gegenseitige Verlässlichkeit angewiesen. Wir müssen einander gegenseitig zuarbeiten und uns aufeinander verlassen können. Es gibt keinen schnelleren Weg, den eigenen Ruf zu zerstören, als durch nicht eingehaltene Versprechen.
Das gilt besonders für Zusagen, die Führungskräfte machen. Um reibungslos arbeiten zu können, sind Mitarbeiter oft auf Rückmeldung oder Erledigung wichtiger Führungsaufgaben angewiesen. Sie müssen sich darauf verlassen können, dass der Chef das macht, was er verspricht.
Und andersherum? Wer als Führungskraft nicht in Mikromanagement verfallen möchte, muss sich darauf verlassen können, dass Mitarbeiter delegierte Aufgaben erledigen. Ohne ständige Nachfragen und Kontrollen.
Was passiert, wenn Zusagen gebrochen werden? Hier erlebt jeder andere Gefühle. Wenn wir merken, dass Zusagen nicht eingehalten wurden, spüren wir Enttäuschung, Ratlosigkeit oder auch Traurigkeit und Wut. Wir sind hilflos und frustriert, denn oft kommen wir selbst nicht weiter mit dem, was uns wichtig ist.
Am schlimmsten ist es für unsere Patienten und deren Angehörigen, wenn wir Versprechen machen und sie nicht einhalten. Die „Notaufnahmeschwester“ beschreibt in Ihrem Beitrag „Er hat nicht angerufen“, wie sie es als Angehörige erlebte, als ihr Vater operiert werden musste. Der Operateur hatte ihr versprochen, sie nach der OP gleich anzurufen. Sie hatte Angst um ihren Vater und wartete sehnlichst auf den Anruf. Je länger es dauerte, desto mehr stieg die Angst, es könnte ihm etwas zugestoßen sein. Der Arzt hatte versprochen, sich zu melden. Er meldete sich nicht.
Selbst wenn wir später gute Nachrichten haben, mischt es sich bei Patienten und Angehörigen auch mit der Enttäuschung und Wut, dass wir uns nicht gleich gemeldet und sie von ihrer quälenden Unsicherheit befreit haben.
Niemand möchte bei Kollegen und Mitarbeitern als unzuverlässig gelten. Mit etwas Empathie können wir uns in sie hineinversetzen und spüren, wie es sich anfühlt, sich auf jemanden zu verlassen, der immer wieder Zusagen macht und dann nicht einhält. Man glaubt ihm nicht mehr. Man verliert das Vertrauen in die Person.
Und Sie? Wie reagieren Sie, wenn andere Zusagen machen und nicht einhalten? Wie stellen Sie sicher, dass Sie selbst einhalten, was Sie versprechen? Es folgt eine Hilfestellung in Form von unterschiedlichen Optimierungsansätzen.
Wir sind schnell dabei, Dinge zu versprechen. Erst später stellen wir fest, dass wir zeitlich nicht alles schaffen können, was wir zugesagt haben. Dann entsteht Stress und Unzufriedenheit. Wir versuchen alles gleichzeitig zu machen und werden mit nichts fertig. Seien Sie vorsichtiger mit dem, was Sie zusagen. Überlegen Sie erst, was Sie sonst noch zu tun haben und reagieren sie häufiger mit einem respektvollen Nein.
Sie können nur Zusagen einhalten, an die Sie sich auch erinnern. Verlassen Sie sich nicht auf Ihr Gehirn, Sie im richtigen Moment zu erinnern. Wenn Sie etwas zusagen, schreiben Sie es auf Ihre Aufgaben-Liste.
Viele Anfrage erreichen Sie per E-Mail. Der Absender weiß nicht immer, dass Sie gerade länger abwesend sind und wundert sich, dass er nichts von Ihnen hört. Nutzen Sie immer die Abwesenheitsnotiz.
Früher habe ich mich amüsiert über Kollegen, die selbst wegen eines Tags Abwesenheit diese Funktion einschalten. Inzwischen habe ich verstanden, dass es die besonders zuverlässigen Mitarbeiter sind, die so denken.
Sam Walton war Gründer der Supermarktkette „Walmart“ in den USA. Alle Mitarbeiter müssen sich bis heute an seine „Basisregeln für den Verkauf“ halten. Eine davon ist die Sonnenuntergang-Regel.
Sie lautet: „Jede Anfrage muss bis zum Sonnenuntergang beantwortet sein. Kann bis dahin keine endgültige Lösung angeboten werden, muss es zumindest eine Reaktion geben“.
„Menschen vertrauen darauf, dass ihre Fragen und Anliegen ernst genommen werden, wenn Sie rasch eine Rückmeldung erhalten.“
(Sam Walten, Gründer von Walmart)
Wenn ich Kollegen die „Sundown-Rule“ erkläre, ernte ich oft Unverständnis. Wie soll das gehen, jedes Problem noch am gleichen Tag zu lösen? Aber darum geht es nicht. Es geht darum zu signalisieren, dass wir das Anliegen erhalten haben und ernst nehmen. Dass wir uns kümmern und dass wir das auch zeigen. Das schafft Vertrauen.
Die Abteilung einigt sich auf folgende Vereinbarung:
Bei Walmart gehört diese Einstellung gegenüber dem Kunden bis heute zu den Grundregeln, die jeder Mitarbeiter kennen muss. Wie stünde Ihre Abteilung dar, wenn Sie und alle Mitarbeiter sie befolgen würden?
Oft muss es keine lange Erklärung sein. Wenn wir für das Problem länger brauchen, reicht oft einfach die Rückmeldung, dass wir uns um das Anliegen weiter kümmern werden. Am wirkungsvollsten wird eine Rückmeldung, wenn sie deutlich macht, dass uns die Zusage wichtig ist und wir sie nicht vergessen haben. Hier können die vier Schritte der „Wertschätzenden Kommunikation“ das Grundgerüst bilden:
„Sehr geehrter Herr X,
in unserem letzten Telefonat hatten wir vereinbart, dass ich Ihnen die Befunde in den nächsten zwei Tagen zusende (1). Sie hatten mir geschildert, wie dringend Sie die Unterlagen für eine anstehende Untersuchung brauchen. Mir ist es bisher nicht gelungen, sie vollständig zu erhalten und ich kann mir vorstellen, dass Sie darüber enttäuscht sind (2). Es ist mir wichtig, dass Sie die Unterlagen rasch erhalten (3). Ich habe unser Archiv deswegen nochmals gebeten, mir die fehlenden Unterlagen rasch zu übersenden. Bitte haben Sie noch zwei Tage Geduld (4), dann kann ich Ihnen die Unterlagen vollständig schicken.“
Dann bleiben Sie sachlich und gehen Sie nach den gleichen vier Schritten vor:
Sehr geehrte Frau Y,
in unserem Telefonat am Montag hatten Sie mir zugesagt, mir die Befunde bis Donnerstag zu übersenden. Bis heute (Freitag) sind die Unterlagen nicht bei mir angekommen (1). Das macht mich traurig und ratlos (2), da ich die Unterlagen für die anstehende Untersuchung brauche und mir Zuverlässigkeit und Vertrauen wichtig sind (3). Können Sie mir bitte sagen, warum sich die Zusendung verzögert und bis wann ich mit den Unterlagen rechnen kann (4)?“
Auch am Ende der Woche funktioniert der Login nicht. Die Kollegin aus der IT hatte mir versprochen, das Problem zu lösen. Da ich schon so oft enttäuscht wurde, hatte ich es auf meine GTD-Liste „Warte auf“ geschrieben, die ich Dank „Getting Things Done“ nutze.
Aber in diesem Fall war das gar nicht nötig. Pünktlich am Freitag schrieb sie mir den Zwischenstand. Sie schilderte, was sie alles unternommen hatte und wer sich jetzt um das Problem kümmert. Sie hatte sich bemüht und daran gedacht, mir eine Rückmeldung zu geben. Ich vertraue ihr!
Antworten Sie auf jede Anfrage noch am gleichen Tag. Schon ein Textbaustein wie „Ich kümmere mich darum“ ist besser, als nicht zu reagieren. Wenn Sie eine Lösung bis zu einem bestimmten Datum versprochen haben, geben Sie zu diesem Datum immer eine Rückmeldung. Auch, wenn Sie das Problem nicht wie versprochen lösen konnten.
Es gibt noch weitere Basisregeln von Sam Dalton wie etwa die 10-Meter-Regel, die Effizienz-Regel und die Mitarbeiter-Hilfe-Regel. Lassen auch sie sich bei uns umsetzen? Übertragen auf den Kontext Krankenhaus könnten sie lauten:
Was meinen Sie: Lassen sich Leitlinien des Verkaufs auf ein Krankenhaus übertragen?
Bildquelle: Tom Morel, unsplash