Im Klimakterium beeinflussen Beschwerden wie Hitzewallungen die Lebensqualität von Frauen oft negativ. Estradiol, Antidepressiva und Phytoöstrogene sollen Abhilfe schaffen. Wie sinn- und wirkungsvoll diese Therapien sind, wird nach wie vor diskutiert.
Die mittlere Lebenserwartung nimmt stetig zu. Mit dem Zugewinn an Jahren hat aber auch der Körper mehr Zeit, zu erkranken. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts verstarben Frauen häufig noch mit etwa 50 Jahren - also etwa zu Beginn der Wechseljahre. Wenn Frauen jedoch heute ins Klimakterium eintreten, haben sie noch etwa ein Drittel ihres Lebens - und im Fall der Fälle eine entsprechend verlängerte Phase mit Beschwerden - vor sich.
Avis et al. [Paywall] von der Wake Forest School of Medicine in North Carolina analysierten die Daten von mehr als 1.400 Frauen mit Wechseljahrsbeschwerden. Die SWAN-Studie (Study of Women's Health Across the Nation) gibt einen Aufschluss darüber, wie lange die klimakterischen, vasomotorischen Symptome (VMS) wie Hitzewallungen und Schweißausbrüche andauern. 1.449 Frauen im Alter zwischen 42 und 52 Jahren wurden an 13 verschiedenen Terminen während einer Beobachtungszeit von im Mittel 12,7 und maximal 17,2 Jahren unter anderem zur Häufigkeit und Schwere ihrer klimakterischen Beschwerden, psychologischen Symptomen und zum physischen Allgemeinzustand befragt. Bei Frauen, die bereits in der Prämenopause oder frühen Perimenopause an vasomotorischen Symptomen litten, dauerten die Beschwerden am längsten an: im Mittel 11,8 Jahre beziehungsweise 9,4 Jahre von der letzten Regelblutung an gerechnet. Dagegen dauerten die vasomotorischen Wechseljahresbeschwerden am kürzesten (3,4 Jahre) an, wenn sie erst in der Postmenopause eingesetzt hatten. Insgesamt hatten die Teilnehmerinnen im Durchschnitt 7,4 Jahre lang mit Hitzewallungen zu kämpfen. Nach der letzten Regelblutung vergingen durchschnittlich 4,5 Jahre, bis die Beschwerden wieder verschwanden. Der wichtigste Prädiktor für eine lange Beschwerdedauer ist der frühzeitige Symptombeginn. Die nunmehr festgestellte durchschnittliche Zeitspanne von 7,4 Jahren verdeutlicht, dass die Empfehlungen hinsichtlich einer möglichst kurzen Hormontherapie in der Peri- und Postmenopause nur eingeschränkt umgesetzt werden können.
Ursächlich für die typischen menopausalen Beschwerden wie Hitzewallungen und Nachtschweiß sind sinkende Estradiolkonzentrationen zunächst im Serum, dann auch im hypothalamischen Temperaturregelzentrum. Der Östrogenmangel verändert die Neurotransmitteraktivität, insbesondere im serotoninergen und noradrenergen System. Pathophysiologisch kann der Östrogenmangel in der Perimenopause zu einer Abnahme der Serotonin- und Noradrenalinkonzentrationen führen. Ein weiterer therapeutischer Ansatz ist entsprechend die Regulation dieser Neurotransmitter. In Deutschland haben selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) keine Zulassung für die Indikation Menopause, in den USA schon. Für eine Studie von Joffe et al. [Paywall] an der Harvard Medical School in Boston wurden 340 Frauen mit täglich mindestens zwei lästigen Hitzewallungen oder Schweißausbrüchen in drei Gruppen eingeteilt. 97 bekamen niedrig dosiertes Estradiol (0,5 mg/d), 96 den SNRI Venlafaxin in niedriger Dosis (75 mg/d) und 146 Placebo. Zu Beginn hatten die Probandinnen im Mittel 8,1 Phasen mit klimakterischen Beschwerden. Diese Zahl war nach acht Wochen in der Estradiol-Gruppe um 4,5 und in der Venlafaxin-Gruppe um 3,9 zurückgegangen. In der Placebogruppe fiel die Zahl der täglichen Hitzewallungen und Schweißausbrüche dagegen nur um 2,2. Auf einer Skala von 1 (mild) bis 3 (schwer) gaben die Frauen an, wie stark die Attacken waren, und mit einer Skala von 1 (nicht) bis 4 (sehr) wurde erfasst, wie sehr sie sich durch die Symptome belästigt und eingeschränkt fühlten. Mit Estradiol waren die Symptome nach acht Wochen im Schnitt um 0,3 Punkte schwächer und um 0,3 Punkte weniger lästig als mit Placebo. In der Gruppe mit Venlafaxin war die Differenz jeweils einen Zehntelpunkt geringer und erreichte nur noch bei der Symptomstärke das Signifikanzniveau. Mit knapp 70 Prozent traten in der Venlafaxin-Gruppe am häufigsten Nebenwirkungen auf, 56 Prozent waren es bei den Frauen mit Estradiol und 62 Prozent bei denen mit Placebo. Frauen mit Hormontherapie berichteten vermehrt über Schlafstörungen, solche mit Venlafaxin und Placebo vermehrt über Müdigkeit. Mit Venlafaxin kam es im Schnitt zu einer leichten Blutdruckerhöhung, wohingegen der Blutdruck mit Estradiol leicht zurückging. 70 Prozent der mit Estradiol behandelten, aber nur 51 Prozent in der Venlafaxin-Gruppe waren mit der Therapie zufrieden, in der Placebogruppe lag der Anteil bei 38 Prozent. SSRI und SNRI könnten also vor allem für Frauen mit erhöhtem Risiko für Brustkrebs und kardiovaskuläre Ereignisse sinnvoll sein. Die vergleichsweise höhere Therapiesicherheit steht einer etwas geringeren Wirkung gegenüber.
Eine Studie von Speroff et al. überprüfte die Wirksamkeit des SSRI Desvenlafaxin bei 700 Frauen mit Hitzewallungen. Das Pharmakon ist ein Metabolit von Venlafaxine. In der randomisierten, doppelblinden, placebo-kontrollierten Studie wurden 707 gesunde, postmenopausale Frauen mit 50 oder mehr mittelgradigen bis schweren Hitzewallungen pro Woche eingeschlossen. Die Studienteilnehmerinnen erhielten 50, 100, 150 oder 200 mg Desvenlafaxin pro Tag oder Placebo. Die Studiendauer betrug 52 Wochen. Desvenlafaxin 100 mg/d bewirkte eine signifikant höhere Reduktion im Vergleich mit Placebo hinsichtlich der durchschnittlichen täglichen Anzahl von Hitzewallungen nach 4 Wochen (p= 0,013) und nach 12 Wochen (p= 0,005). Die Autoren schlussfolgerten: „Desvenlafaxine ist eine wirksame nichthormonelle Behandlung für vasomotorische Symptome bei postmenopausalen Frauen. Dessen Verträglichkeit ist mit der anderer Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer vergleichbar“. Nach einer placebokontrollierten Studie von Clayton et al. [Paywall] war Desvenlafaxine in der Lage, die Sexualfunktion von Patienten mit Depressionen zu verbessern. Libido, Erektionsfähigkeit und die Lubrikation wurden signifikant verbessert. Da diese Funktionen teilweise auch im Klimakterium leiden, ergibt sich womöglich ein adjuvanter Effekt. Die pharmakritische Zeitung arznei-telegramm stuft das Pharmakon hingegen als „Variante ohne besonderen Stellenwert“ und Scheininnovation ein.
Dass die SSRI in der Menopause wirksam sind, ist bestätigt, seit die FDA im Juni 2013 mit Paroxetin ein SSRI explizit für die Behandlung von klimakterischen Beschwerden zugelassen hat. Die Risiken der Östrogene rechtfertigen die Suche nach nebenwirkungsärmeren Alternativen. Leider haben SSRI auch ihre Schattenseiten. Belegt ist, dass der Einsatz von SSRI mit einem erhöhten Risiko von Knochenbrüchen einhergeht. Die aktuelle Auswertung der Datenbank PharMetrics, die einen Abgleich von Arzneiverordnungen mit späteren Diagnosen erlaubt, bestätigt die Assoziation. Miller et al. [Paywall] von der Northeastern University in Boston analysierten die Daten von Frauen in der Altersgruppe zwischen 40 und 64 Jahren. Die Analyse beschränkt sich zudem auf Frauen ohne psychiatrische Erkrankungen, was eine Verzerrung durch ein erhöhtes Knochenbruchrisiko infolge der psychischen Erkrankung ausschließt. Die Autoren verglichen 137.031 Frauen, die SSRI verordnet bekamen, mit 236.294 Frauen gleichen Alters, denen H2-Antagonisten oder Protonenpumpeninhibitoren (PPI) verschrieben wurden. H2-Antagonisten wurden nicht mit einem erhöhten Knochenbruchrisiko in Verbindung gebracht, bei PPI wird ein leichter Anstieg diskutiert. Die Auswertung ergab, dass mit SSRI behandelte Frauen im ersten Jahr zu 76 Prozent häufiger eine Fraktur erlitten. Nach zwei Jahren war das Risiko um 73 Prozent und nach fünf Jahren um 67 Prozent höher. Vermutlich steigern SSRI die Aktivität der Osteoklasten. Die Kausalität ist damit nicht bestätigt, zumal keine Dosis-Wirkungsbeziehung vorlag und Depressionen ebenfalls das Osteoporoserisiko steigern. Die Autoren empfehlen, die SSRI-Therapie auf die Dauer der klimakterischen Beschwerden zu beschränken.
Die Deutsche Menopause Gesellschaft e. V. vertrat in den 1990er Jahren die Auffassung, dass es ein Kunstfehler ist, klimakterischen Frauen keine Hormone zu verordnen. Schließlich litten sie unter einer Hormonmangelkrankheit. Die Meinung zur Frau als „Hormonmangelwesen“ hat sich seitdem grundlegend gewandelt. „Zur Primärprävention von Erkrankungen wie koronarer Herzerkrankung, Osteoporose oder Depression ist eine peri- oder postmenopausale Hormontherapie nicht zu empfehlen. Das Risiko für Thrombosen, Lungenembolien und Schlaganfälle ist insbesondere bei älteren Frauen durch eine orale Hormontherapie erhöht. Bei jüngeren, frühmenopausalen Frauen ergibt sich ein deutlich günstigeres Nutzen-Risiko-Profil, sodass hier die Verordnung wieder großzügiger erfolgen kann“, so das Resüme einer aktuellen Übersichtsarbeit [Paywall] von Reuter und Fassnacht. Neu zugelassen ist ein Kombinationspräparat aus Östrogen und Bazedoxifen, einem selektiven Östrogenrezeptormodulator, für die Indikation postmenopausale Hormonersatztherapie. Bazedoxifen wirkt an Brust und Endometrium antagonistisch zu Östrogenen, während die positiven Effekte auf Skelett, vasomotorische Symptome und Lipidmetabolismus erhalten bleiben. Eine Zulassung für Deutschland steht noch aus.
Präparate mit Soja, Cimicifuga und Rotklee sind en vogue. Die darin enthaltenen Isoflavone wirken ansatzweise wie Östrogene, was hilfreich sein kann, da sich der Östrogenbedarf während des Klimakteriums erhöht. Schon vor 200 Jahren wurde die Traubensilberkerze (Cimicifuga racemosa) von Indianern erfolgreich gegen Frauenkrankheiten eingesetzt. Sie wurde bereits 1743 in Europa in die Frauenheilkunde eingeführt und gehört heutzutage zu den besterforschten Phytotherapeutika in der Gynäkologie. Durch die Monographie des Herbal Medicinal Product Committee (HMPC) der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) wird für Cimicifuga racemosa ein positives Nutzen-Risiko-Profil bestätigt. Die auf Überarbeitung wartende Leitlinie zur Hormontherapie im Klimakterium beurteilt Phytotherapeutika „schwammig“: „Zur Behandlung klimakterischer Beschwerden mit Phytoöstrogenen in Form von Isoflavonen aus Rotklee oder Soja und Cimicifuga racemosa sind zahlreiche Studien durchgeführt worden. Die Studienlage ist insgesamt inkonsistent. Die Mehrheit der Placebo-kontrollierten Studien zeigt keine signifikante Reduktion vasomotorischer Symptome. In einigen Untersuchungen konnte eine geringgradige Reduktion klimakterischer Beschwerden nachgewiesen werden.“ „Derzeit gibt es keine ausreichenden Wirksamkeits-Belege, die eine Verwendung von Traubensilberkerze bei Wechseljahrsbeschwerden rechtfertigen“, so das Ergebnis einer Studie von Leach et al. Entgegen der bisherigen Studienergebnisse kommt eine Ende 2012 veröffentlichte Placebo-kontrollierte Studie zu sehr positiven Ergebnissen in Bezug auf die Wirksamkeit von Cimicifuga bei Wechseljahresbeschwerden. In der dreiarmigen Doppelblindstudie von Schellenberg et al. wurde ein Cimicifuga-Trockenextrakt in den Dosierungen 6,5 und 13 mg mit der Placebo-Gabe verglichen. Über 12 Wochen erhielten insgesamt 180 Frauen mit Wechseljahresbeschwerden eine der drei Behandlungen.
Im Vergleich zur Placebo-Behandlung zeigte sich bei den Patientinnen der Cimicifuga-Gruppe eine signifikante Abnahme im Schweregrad der menopausalen Beschwerden. Beim primären Zielparameter der Studie (Kupperman-Index) ergab sich nach zwölf Wochen Therapie eine signifikante Überlegenheit beider Cimicifuga-Gruppen im Vergleich zu Placebo (13 mg: p < 0,0001; 6,5 mg p < 0,001). Das Ergebnis in der 13-mg-Gruppe war dem der 6,5-mg-Gruppe ebenfalls signifikant überlegen (p < 0,01). Die Symptome Hitzewallungen und Schweißausbrüche besserten sich bereits nach sechs Wochen dosisabhängig. Auch eine Updateanalyse [Paywall] von Beer attestiert Cimicifuga Wirksamkeit. Das jetzige Update der klinischen Studien von 2012 bis 2014 zeigt erneut, dass die Anwendung von Arzneimitteln aus Cimicifugawurzelstock zur Therapie von Wechseljahresbeschwerden auf solider Evidenz basiert. Die Differenzierung nach Extrakten ergab, dass nur als Arzneimittel zugelassene Extrakte wirksam waren. Der Autor gab als Interessenkonflikt an, drei honorierte Vorträge für eine Pharmafirma gehalten zu haben, die Cimicifugapräparate herstellt und vertreibt.