Merkelzellkarzinome werden von der Immunabwehr oft nicht als Gefahr erkannt. Die Tumoren nutzen epigenetische Mechanismen, um wichtige Gene des Immunsystems zum Schweigen zu bringen. Eine gezielte Blockade mit Hemmstoffen macht die Tumoren wieder zur Zielscheibe.
Wissenschaftler des Deutsche Konsortiums für Translationale Krebsforschung (DKTK) am Partnerstandort Essen haben jetzt aufgedeckt, wie Merkelzellkarzinome dem Immunsystem entgehen - und wie man ihre Tarnung auffliegen lassen kann. „Normalerweise würde sowohl die virale Infektion, als auch die Umwandlung in eine bösartige Tumorzelle eine Gefahr signalisieren, die wiederum Abwehrzellen aktiviert“, erklärt Jürgen Becker, der am Universitätsklinikum Essen die DKTK-Arbeitsgruppe für translationale Hautkrebsforschung leitet. „In den umprogrammierten Krebszellen sorgt das Virus jedoch dafür, dass ein wichtiges chemisches Lesezeichen, die Histon-Acetylierung, entfernt wird und verschiedene Immungene dadurch abgeschaltet werden. Das Phänomen ist auch als epigenetic silencing bekannt.“ Histone verpacken unsere DNA geordnet in Chromosomen. Werden sie mit Acetylgruppen gelabelt, ist das für die Zelle ein Signal, die DNA abzulesen. Beim Merkelzellkarzinom werden die Acetyl-Gruppen entfernt, wodurch ein Gen der Abwehr abgeschaltet wird, das ein entscheidendes Stressmolekül verschlüsselt. Die T-Zellen erkennen die Tumoren deshalb nicht mehr als Gefahr und greifen nicht an.
Den Wissenschaftlern aus Essen gelang es jetzt, den Tumor wieder erfolgreich zur Zielscheibe des Immunsystems werden zu lassen. Mit Hemmstoffen blockierten sie das für die Inaktivierung verantwortliche Schlüsselenzym, die Histon-Deacetylase. Infolgedessen wurden die Signal-Gene reaktiviert und wieder abgelesen. In Zellkulturen konnten die Forscher zeigen, dass die behandelten Tumorzellen daraufhin von spezialisierten T-Zellen attackiert und zerstört wurden. „Dass epigenetic silencing bei Krebserkrankungen eine Rolle spielt, war bereits bekannt. Wie zentral dieser Mechanismus für das Entkommen der Tumorzellen ist, hat uns jedoch überrascht“, sagt Cathrin Ritter, die die Arbeiten im Rahmen ihrer Doktorarbeit im DKTK durchführte und voraussichtlich auch den nächsten Schritt in Richtung klinische Prüfungen begleiten wird.
Jürgen Becker ist angesichts der Studienergebnisse zuversichtlich: „Mit unserer Arbeit haben wir gezeigt, dass die epigenetische Inaktivierung von Genen ein wichtiger Tarnmechanismus beim Merkelzellkarzinom ist, den wir rückgängig machen können. Wir sehen deshalb gute Chancen, derzeitige Therapieansätze mit unseren Ergebnissen zu kombinieren.“ Originalpublikation: Reversal of epigenetic silencing of MHC class I chain-related protein A and B improves immune recognition of Merkel cell carcinoma Cathrin Ritter et al.; Scientific Reports, doi: 10.1038/srep21678; 2016