Wer in NRW in der Psychiatrie tätig ist, verfolgt sicher mit größtem Interesse die Reform des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG) NRW. Dieses regelt, unter welchen Umständen und nach welchen Modalitäten Zwangsunterbringungen bei akuter Eigen- und/oder Fremdgefährdung durchgeführt werden.
Die Ausgestaltung dieses Gesetzes hat erhebliche Auswirkungen auf die Behandlung der genannten Patientengruppe und auf die Behandlungsrealität auf den geschützten psychiatrischen Stationen in NRW. Nach einer langen, mehrstufigen Diskussion unter Einbezug aller betroffenen Interessenvertreter – namentlich der Vertreter der Psychiatrie-Erfahrenen, der Angehörigenvertreter und auch der psychiatrischen Fachgesellschaften – legt das Gesundheitsministerium NRW einen Vorschlag für die Reformation des PsychKG´s NRW vor.
Wer sich wirklich für das Thema interessiert, sollte jetzt das Lesen dieses Blogposts pausieren und zunächst einmal in Ruhe den neuen Gesetzestext sowie die im gleichen PDF zu findenden erläuternden Kommentare sorgfältig lesen.
Das neue PsychKG NRW stärkt die Selbstbestimmung und den Schutz der Betroffenen und formuliert sehr viel konkreter und auch restriktiver, wann Zwangsmaßnahmen möglich sind und wer diese unter welchen Umständen beantragen, genehmigen und durchführen darf. Eine wesentliche Änderung dabei ist, dass eine Zwangsmedikation in der Regel nun dem Richtervorbehalt unterliegt, das ist aktuell nicht so.
Es gibt einige weitere Änderungen, auf die ich noch eingehen will. Weiterhin ist es aber auch mit dem reformierten PsychKG NRW möglich, bei Lebensgefahr oder erheblicher Gefahren für die Gesundheit der untergebrachten Person oder Dritter im Rahmen der Unterbringung, eine Zwangsbehandlung durchzuführen. Allerdings ist das Verfahren anders geregelt. Hier habe ich einige wesentliche Eckpunkte des neuen Gesetzes aufgeschrieben:
Warum musste das PsychKG NRW eigentlich reformiert werden?
Das PsychKG ist im Unterschied zum Betreuungsgesetz und zum Strafgesetz Ländersache, daher gibt es in jedem Bundesland ein eigenes PsychKG. Dem Wesen nach ähneln sich die länderspezifischen PsychKGs zwar, es gibt aber auch relevante Unterschiede. In den letzten Jahren wurden die PsychKG-Gesetze der meisten Länder überarbeitet. Dies ging zu einem großen Teil von der Einschätzung aus, dass andernfalls etwas ähnliches wie damals mit dem Betreuungsgesetz passieren könnte: Der Bundesgerichtshof könnte eine Konkretisierung bestimmter Gesetzesteile fordern und bis zur Konkretisierung das Gesetz beschränken. Im Fall des PsychKGs Sachsen hatte das Bundesverfassungsgericht 2013 genau das gemacht: Siehe Artikel hier.
Um dem zuvorzukommen, wurden die PsychKGs überarbeitet, konkretisiert und die Voraussetzungen für Zwangsmaßnahmen sehr viel spezifischer und restriktiver beschrieben. In Nordrheinwestfalen gilt aktuell dieses PsychKG.
Die Überarbeitung des Psych KGs NRW wurde von allen beteiligten Seiten mit großen Hoffnungen, Erwartungen und auch Befürchtungen begleitet. Einige Betroffenenvertreter hatten argumentiert, man solle Zwangsbehandlungen unter allen Umständen ausschließen. So ist es nicht gekommen und um ehrlich zu sein, das wäre dem Wesen des Psych KGs als Gesetz zum Umgang mit Krankheiten – meiner Meinung nach – auch nicht gerecht geworden. Denn gefährliche Krankheiten müssen auch behandelt werden dürfen.
Beim Richtervorbehalt der Zwangsmedikation wird entscheidend sein, wie gut und schnell die Richter erreichbar sind. Die erhöhten Ansprüche an eine schlüssige Begründung, dass die ergriffene Zwangsmaßnahme nicht durch ein anderes, milderes Mittel hätten ersetzt werden können, ist verhältnismäßig und auch der Richtervorbehalt im Regelfall entspricht den Anforderungen, die der BGH und das Verfassungsgericht in den letzten Jahren gestellt haben.
Ich finde die Neuformulierung gut, angemessen und auch praktikabel. Wie denkt ihr darüber? Kommentare, Anmerkungen und Diskussionsbeiträge gerne in die Kommentare.
Mehr auf meinem Blog.
*Ein Richtervorbehalt bezüglich einer Zwangsmedikation gilt aktuell schon beim Betreuungsrecht. Beim BtG ist zuvor sogar ein ärztliches Gutachten von einem unbeteiligten Arzt zu erstellen, in dem genau genannte Fragen beantwortet werden müssen. Dann entscheidet der Richter, ob eine Zwangsmedikation nach BtG erlaubt ist. Erst danach kann sie erfolgen.