Die erste Stunde des Marathonlaufes geht wie von selbst: Du fliegst über den Asphalt, die Stimmung ist ausgelassen, alle sind fröhlich, nichts kann dich aufhalten. In der zweiten Stunde kommst du aber dann doch mit den Füßen auf der Straße an. Es wird schwieriger, das Tempo zu halten, die Beinmuskeln beginnen zu schmerzen und du fragst dich, wie du es bis zum Ziel schaffen sollst.
In der dritten Stunde wirst du langsamer, die Muskeln fangen an zu brennen, du hast Hunger, bist müde und erschöpft. Wenn das so weiterginge, kämest du vielleicht nicht ins Ziel. Und dann plötzlich durchflutet dich ein Rausch aus Euphorie, Leichtigkeit und Lust. Nichts schmerzt mehr, du kannst wieder schneller laufen und vergisst die Plagen der letzten Kilometer: Das Runner’s High.
Das absolute Hochgefühl dauert oft nur eine bis zwei Minuten an, aber auch danach kann man wieder eine ganz schön lange Zeit laufen, ohne von Schmerzen oder Erschöpfung allzu sehr gebremst zu werden.
Die Neurobiologie des Runner’s High
Früher dachte man, das Runner’s High würde neurobiologisch durch eine Endorphinausschüttung verursacht. Endorphine wirken wie Morphin, nur dass sie körpereigen sind und vom Gehirn selbst produziert werden. Morphine machen glücklich, schmerzfrei und führen dazu, dass man diesen Zustand erneut anstrebt. Passt alles zum Runner’s High.
Eine aktuelle Veröffentlichung im PNAS zeigt nun aber interessanterweise auf, dass noch ein zweites, eng verwandtes System an der Entstehung des Runner’s High beteiligt und offenbar unabdingbar ist: Das Endocannabinoid-System.
Endocannabinoide sind vom Körper selbst produzierte Cannabinoide, die also wirken wie Cannabis. Sie sind schmerzstillend, angstlösend, milde euphorisierend und bewirken ebenfalls einen Wiederholungsreiz. Der bekannteste Vertreter der Endocannabinoide ist das Anandamid. Die Mannheimer Forscher ließen Mäuse so lange in einem Laufrad rennen, bis die Mäuse aller Erfahrung nach ein Runner’s High entwickelten – erinnert mich stark an mein eigenes Lauftraining auf dem Laufband. Dann maßen sie die Endorphin- und Endocannabinoidspiegel im Blut der Mäuse. Beide Substanzgruppen zeigten erhöhte Spiegel. Wenn der Cannabinoid-Rezeptor blockiert wurde, blieben allerdings alle Wirkungen des Runner’s High aus.
Das Endocannabinoid-System spielt in vielen Bereichen wie Schmerzregulation, Angst und Motivation eine bedeutende Rolle, so richtig Licht kommt aber erst in den letzten Jahren in die Sache. Das ist umso interessanter, da auch bei der Psychose eine veränderte Regulation im Endocannabinoid-System eine Rolle spielen könnte. Wie auch immer: Bei meinem nächsten Runner’s High denke ich dann nicht mehr nur, ich hätte mir kostenlose Morphine besorgt, sondern gleichzeitig auch noch gesundheitsförderlich gekifft. In diesem Sinne: Auf geht's!