Deutsche Podologen greifen an. Nach einem gelungenen Klagefeldzug erweitern sie in ihrem Heimatgebiet den Machtanspruch. Das Nachsehen haben die Heilpraktiker – sie müssen sich die Sockenregion jetzt teilen.
Gestern erregte eine knappe Meldung im Ärzteblatt (die Website – nicht die an Schwindsucht leidende Druckversion) meine Aufmerksamkeit: In Thüringen bekommen jetzt Podologen den Zugang zum Heilpraktikerberuf. Ihnen wird für Heilbehandlungen des Fußes grundsätzlich die Tätigkeit als Heilpraktiker eröffnet, so das OVW Weimar (Az.: 3 KO 194/15). Das Land ist nun verpflichtet, eine Prüfungsordnung zu erlassen, entsprechende Prüfungen abzunehmen und die Heilpraktikertätigkeit zu erlauben. Der Thüringer Landtag darf sich über diese wichtige Aufgabe zur Verbesserung des deutschen Gesundheitswesens freuen. Das Bundesland ist dann die erste Region der Welt, in der es eine flächendeckende Versorgung durch „Fußheilpraktiker“ gibt.
Das Urteil des OVW markiert ein gelungenes Beispiel juristischer Kriegsführung. Der Heilpraktikerberuf, ein sorgsam geschütztes Biotop paramedizinischer Therapietechniken, wurde erfolgreich durch eine Bodenoffensive entschlossener Kittelträger attackiert. Langsam, aber beharrlich haben sich die Podologen, vulgo Fußpfleger, von der Großzehe in Richtung Sprunggelenk vorgearbeitet und sind damit überraschend in die angestammten Weidegründe der Heilpraktiker vorgestoßen. Ein echter Coup. In Zukunft müssen sich hochkarätige Therapietechniken wie die Fußreflexzonenmassage, die „Podo-Orthesiologie“ und die Stichelung von rund zwei Dutzend Akupunkturpunkten am Fuß dem scharfen Wettbewerb stellen. Auch wenn mein Mitgefühl als Vertreter der Schulmedizin sich in Grenzen hält – der Heilpraktikerberuf hat damit ein Stück Bodenständigkeit verloren. Ich frage mich: Wie konnte der Berufsverband dieses wichtige Therapiefeld kampflos der Konkurrenz überlassen?
Was kommt als nächstes? Planen die NagelpflegerInnen schon einen aggressiven Zweitschlag von der Hand in Richtung Rumpf? Denkbar wäre das Berufsbild des „Manologen“ mit weitgehenden therapeutischen Freiheiten bis zur distalen Handwurzel, ersatzweise das des „Ungologen“ mit Ermächtigung zur Nagelbettmassage und zur schonenden Akupressur der Fingerkuppe. Gut, dass Mutter Natur hier den Nagelwall als gut sichtbare Verteidigungslinie aufgeschüttet hat.
Auch vom Kopf her droht den Vertretern der Alternativmedizin Unheil. Mit Fug und Recht können die Friseure den Skalp für sich beanspruchen. Der Sprung vom Curlingstab zur Moxibustion der Kopfhaut, von der Schere zum Skalpell – er ist nicht weit. Zumal Friseure, sollten sie für die Berufsbezeichnung "Haarheilpraktiker" optieren, sich hier auf eine lange Tradition berufen könnten.
Ich bin gespannt. Werden sich die HPs in Zukunft strategisch immer weiter in Richtung Rumpf zurückziehen? Aber wohin? Denn Verrat lauert hinter den eigenen Linien. Die Osteopathen haben als fünfte Kolonne bereits das Feld vom Skelett her aufgerollt. Diverse Ernährungstherapeuten greifen derweil beherzt mit Mikronährstoffen bewaffnet vom Darm her an. Alternativmedizinisches Kampfgetümmel, wohin das Auge blickt.
Patienten können im Kügelchenhagel homoöpathischer Globuli nur rechtzeitig in Deckung gehen. Denn auch der Kampf mit Akupunkturnadeln – er kann bis aufs Blut geführt werden, wenn es ums Geld geht.
Bildquelle: Fuß, Flexikon