Lang- und Mittagsschläfer haben möglicherweise ein erhöhtes Risiko für vorzeitigen Tod, Herzinfarkt und Schlaganfall. So das Ergebnis einer epidemiologischen Studie. Ist da was dran? Oder wurden Ursache und Wirkung vertauscht? Was sagen andere Studien?
Die amerikanische Gesellschaft für Schlafmedizin hat in einem Konsensuspapier Schlafempfehlungen für alle Altersgruppen herausgegeben. Demnach liegt die optimale Schlafdauer für Erwachsene von 18 bis 64 Jahren zwischen 7 und 9 Stunden Schlaf. So oder so ähnlich sehen die Empfehlungen von fast allen Experten und Fachgesellschaften aus. Und eins haben alle gemein: Während das Unterschreiten der Mindestschlafdauer als ungesund gilt, wird überdurchschnittlich viel Schlaf meistens als gesundheitsförderlich eingestuft – getreu dem Credo: „Viel hilft viel“.
Möglicherweise gibt es auch bei der Schlafdauer ein zu viel des Guten, sprich eine Schlafdauer, ab der es ungesund werden kann. Dr. Chuangshi Wang vom Peking Union Medical College und ihre Kollegen haben untersucht, wie sich zu viel Schlaf und der Mittagsschlaf auf die Gesundheit auswirken. Ihre Ergebnisse haben sie kürzlich im European Heart Journal veröffentlicht.
Das Fazit der Studie überrascht: Demnach sollte man nachts ausreichend, aber nicht zu viel schlafen und auf einen Mittagsschlaf verzichten. Denn Kurz- und Langschläfer hatten in der Studie ein erhöhtes Sterberisiko und bekamen mehr Herzinfarkte sowie Schlaganfälle. Aber Vorsicht: Es handelt sich um epidemiologische Daten, die Hinweise aber eben keine Beweise für eine Kausalität liefern.
Aufgrund des internationalen prospektiven Studiendesigns und der großen Teilnehmerzahl ließen sich die Ergebnisse jedoch zumindest für verschiedene Volksgruppen und Regionen generalisieren, meint Dr. Dominik Linz von der Universität Adelaide (Australien) in einem begleitenden Editorial. Die Studie mit dem Namen „PURE“ (Prospective Urban Rural Epidemiology) schloss knapp 117.000 Teilnehmer aus 21 Ländern im Alter zwischen 35 bis 70 Jahren ein. Sie kamen aus Nord- und Südamerika, Europa, dem Mittleren Osten, Südasien, Südostasien, China und Afrika.
Zu Beginn erfassten die Studienautoren per Fragebogen Schlafmuster, demografische und sozioökonomische Parameter, den Lebensstil (z.B. Rauchen, Alkohol, Bewegung und Ernährung), mögliche Krankheiten, Symptome und Beschwerden sowie eingenommene Medikamente. Der Beobachtungszeitraum lag bei durchschnittlich 7,8 Jahren. Jeder Studienteilnehmer wurde mindestens alle 3 Jahre telefonisch oder persönlich befragt. Zudem recherchierten die Wissenschaftler anhand von Krankenakten, Sterbeurkunden und Autopsie-Berichten die Zahl der Todesfälle und schwerer kardiovaskulärer Ereignisse.
Die mediane Schlafdauer lag demnach bei 8 Stunden täglich. Für die kombinierten Studienendpunkte Mortalität und schwere kardiovaskuläre Ereignisse ermittelten die Forscher eine optimale Gesamtschlafdauer von 6 bis 8 Stunden. Hier waren das Sterberisiko und das Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse am niedrigsten. Bei einer Schlafdauer von 8 bis 9 Stunden erhöhte sich das Risiko um 5 %, bei 9 bis 10 Stunden um 17 %. Bei täglich mehr als 10 Stunden Schlaf stieg das Risiko um 41 %. Auch Kurzschläfer (weniger als 6 Stunden täglich) hatten ein um 9 % erhöhtes Risiko.
Die Ergebnisse decken sich in Teilen mit den Ergebnissen anderer Studien: So hatte eine im European Journal of Preventive Cardiology veröffentlichte, niederländische Studie gezeigt, dass eine Schlafdauer von 7 Stunden oder mehr das Risiko einer kardiovaskulären Erkrankung um 22 % senkt. Das Risiko, an einem Herzinfarkt oder Schlaganfall zu sterben, verringerte sich sogar um 43 %.
Eine Untersuchung von spanischen Wissenschaftlern um Dr. Fernando Domínguez vom Centro Nacional de Investigaciones Cardiovasculares Carlos III in Madrid und Kollegen hat zudem den Einfluss von Schlafdauer und Atherosklerose-Risiko untersucht. Ihr Fazit: Studienteilnehmer mit weniger als 6 Stunden Schlaf pro Nacht gehörten mit einer um 27 % höheren Wahrscheinlichkeit in die Gruppe mit der höchsten Belastung an atherosklerotischen Plaques – im Vergleich zu Studienteilnehmern, die täglich 7 bis 8 Stunden schliefen. Die Ergebnisse wurde erst kürzlich im Journal of the American College of Cardiology veröffentlicht. Eine schlechte Schlafqualität beschleunigt also möglicherweise Atherosklerose-Prozesse und könnte kardiovaskuläre Risiken erhöhen. Aussagen zu den Risiken von zu viel Schlaf machen beide Studien jedoch nicht.
Hier geht die chinesische Studie von Wang ins Detail: Demnach hat ein Mittagsschlaf eher negative Auswirkungen. Mehr als 6 Stunden und ein Mittagsschlaf waren mit einem erhöhten Risiko assoziiert. Mit steigender Gesamtschlafdauer beobachteten die Wissenschaftler zudem, dass das Risiko kontinuierlich anstieg. Am gesündesten ist es dagegen, nachts 6 bis 8 Stunden zu schlafen und auf den Mittagsschlaf zu verzichten.
Die Ausnahme waren Studienteilnehmer, die nachts weniger als 6 Stunden geschlafen und ihr Defizit tagsüber nachgeholt hatten – bei einer mittleren Gesamtschlafdauer von 6,4 Stunden. Sie zeigten zwar auch ein erhöhtes Risiko, aber das war statistisch nicht signifikant. Und es war niedriger als bei Teilnehmern, die kurz geschlafen, sich aber mittags nicht mehr hingelegt hatten. Der Mittagsschlaf zeigte also nur bei Kurzschläfern in Summe einen Schutzeffekt.
Die Ergebnisse legten nahe, dass langer Schlaf per se mit erhöhten Risiken einhergehe, so Wang und Kollegen. Aber auch sie merkten an, dass aus den Ergebnissen keinesfalls eine Kausalität abgeleitet werden dürfe, da es sich um Beobachtungsdaten handele.
Und was wäre, wenn das erhöhte Risiko der Langschläfer schlicht Folge einer verkehrten Ursache-Wirkungs-Beziehung wäre? Dann wäre das größere Schlafbedürfnis Folge und nicht Ursache einer (noch nicht diagnostizierten) kardiovaskulären Erkrankung. Nicht der Schlaf ist dann der Risikofaktor, sondern die auslösende Erkrankung. Wang und Kollegen haben daher eine zweite Analyse durchgeführt und um Confounder wie Behinderung, Krankheiten, Symptome und Beschwerden bereinigt. Auch hier kamen sie zu vergleichbaren Ergebnissen: Langer Schlaf war mit erhöhten kardiovaskulären Risiken assoziiert.
Jedoch schränken die Autoren ein, dass Teilnehmer mit einer Schlafdauer von mehr als 10 Stunden von vorneherein deutlich mehr kardiovaskuläre Risikofaktoren hatten. Und 72 % von ihnen machten einen Mittagsschlaf. Das sind fast 3-mal so viel wie in der Gruppe der Normalschläfer mit 27 % Mittagsschläfern. Viel zu langer Schlaf könne also doch ein Marker für eine (noch) nicht diagnostizierte Krankheit sein. Die Autoren raten Ärzten, nach Schlafgewohnheiten zu fragen und sie in die Anamnese einzubeziehen. So könnten Risikopatienten besser und früher erkannt werden.
Jenseits dieser möglichen Risikogruppe vermutet Schlafmediziner Linz, dass bestimmte physiologische Mechanismen dazu führen, dass sich zum Beispiel der Mittagsschlaf eher gesundheitsschädlich auswirken könnte. So könne die veränderte Lichtexposition den zirkadianen Rhythmus aus dem Takt bringen. Das würde die Genexpression in Herz- und Gefäßzellen und folglich deren Stoffwechsel sowie Funktion verändern. Zudem schnellten Blutdruck und Herzrate nach dem Erwachen aus dem Mittagsschlaf abrupt in die Höhe. Analog zum morgendlichen Aufstehen sind auch hier gehäufte kardiovaskuläre Ereignisse denkbar. Wie negativ sich der Mittagsschlaf auswirkt, hängt wahrscheinlich auch von Tageszeit, Häufigkeit, Dauer und erreichten Schlafstadien ab.
Linz empfiehlt Kollegen, bei möglichen Schlafstörungen interdisziplinär zusammenzuarbeiten. So könnten Kardiologen und Neurologen nach Risikofaktoren suchen, die vermeidbar sind. Man könne Patienten zudem den Rat geben, mäßig lange zu schlafen und auf eine gute Schlafhygiene zu achten. Auch sollte Patienten verdeutlicht werden, dass ein Mittagsschlaf trotz ausgiebiger Nachtruhe nicht unbedingt gesund sein muss und ein Hinweis auf eine Erkrankung sein kann.
Aber auch zu wenig und schlechter Schlaf erhöhen das Herz-Kreislauf-Risiko. Das hat unter anderem eine prospektive Register-Studie norwegischer Wissenschaftler aus dem Jahr 2013 gezeigt. Danach hatten Menschen im mittleren Lebensalter ein erhöhtes Risiko für Herzinsuffizienz, wenn sie schlecht einschlafen und nicht jede Nacht durchschlafen konnten oder mehr als einmal in der Woche keinen erholsamen Schlaf hatten.
Auch für die Schlafdauer scheint also zu gelten: Das richtige Maß ist gesund. Und ein ruhiger und erholsamer Schlaf ist und bleibt gut für Herz und Gesundheit.
Artikel von Thomas Kresser
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