Soll das Ausstellen von Folgerezepten in der Apotheke erlaubt werden? Jens Spahn soll von dem Konzept angeblich nicht abgeneigt sein. Ob das eine gute Idee ist und wer davon am meisten profitiert, darüber lässt sich hervorragend streiten.
Was Jens Spahn nun genau mit der ABDA Spitze am 18. Januar besprochen hat, bleibt weiterhin hinter verschlossenen Türen. Nur so viel drang von der Pharmacon in Schladming an das Licht der Öffentlichkeit: Es wird wieder Probleme mit der Ärzteschaft geben. Kaum ist die Kuh „Impfen in der Apotheke“ vom Eis geholt, kommt das nächste Thema über das es sich miteinander trefflich streiten lässt: das Ausstellen von Folgeverordnungen in der Apotheke.
Der DAV-Chef Fritz Becker hat angedeutet, dass der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in den vorangegangenen Gesprächen dem Ausstellen von Folgerezepten in der Apotheke nicht ganz abgeneigt gegenüber stand. Die geplante Lockerung des Fernbehandlungsverbotes macht eine solche Überlegung ja inzwischen salonfähig. Von Teilen der Apothekerschaft wird diese Aussage gefeiert, andere sehen den ganzen Komplex skeptisch. Und von Seiten der Ärzte kann wohl auch niemand Standing Ovations für diesen Vorstoß erwarten. Warum ist das Thema Folgeverordnungen so interessant, dass man es auf einen Streit der Zünfte ankommen lässt, obwohl die Forderungen beim Thema Impfen in der Apotheke schnell zurückgezogen wurden, als sich die ersten schwarzen Wolken am Himmel zeigten?
Auch Ärzte würden profitieren
Zunächst einmal geht es den Apothekern darum, die größte und wichtigste Kundengruppe zufrieden zu stellen: die Chroniker. Diese machen den größten Teil des Umsatzes aus, daher möchte man ihnen natürlich gerne entgegenkommen. Jemand, der über Jahre das gleiche Medikament erhält, muss jedes Mal wenn es sich dem Ende neigt, einen langen Gang auf sich nehmen. Der Patient muss seinen Arzt aufsuchen, ein Rezept anfordern, in der Praxis auf das Dokument warten und damit in eine Apotheke gehen, um das Präparat dort zu erhalten. Das bedeutet besonders für die berufstätigen Patienten einen erheblichen zeitlichen Aufwand, denn der Besuch beim Arzt muss sich ja auch mit seinen Arbeitszeiten koordinieren lassen. Auch die Arztpraxen könnten hier nicht nur einen Wegfall der eigenen Kompetenzen sehen, sondern eine Erleichterung und Zeitersparnis.
Probleme gibt es zur Zeit vor allem dann, wenn das Medikament leer wird und der Hausarzt im Urlaub ist oder das Wochenende vor der Türe steht. Ein Hauptteil der Diskussionen in den Apotheken entsteht doch, wenn der Kunde sein Medikament ohne gültige Verordnung vorab ausgehändigt haben möchte. In diesem Fall wäre die Möglichkeit, ein solches Folgerezept auszustellen für die Apotheken und den Patienten eine große Erleichterung. Letztlich geht es um Service an der wichtigsten Patientengruppe – und um Kundenbindung. Eine Apotheke, die die erforderlichen Unterlagen zur Neuausstellung eines Rezepts hat, wird auch den Kunden behalten.
Die Konkurrenz steht bereit
Doch die Folgeverordnung birgt auch große Gefahren, denn die öffentlichen Apotheken sind in der Versorgung der Chroniker nicht der alleinige Anbieter. Im Bereich Kundenbindung, Bequemlichkeit bei der Versorgung und Belieferung stehen auch die Versandapotheken bereit, um die Folgeverordnungen zu beliefern. Ist der Chroniker einmal in ein solches Programm aufgenommen, wird er einen Wechsel in eine Apotheke vor Ort wohl kaum mehr auf sich nehmen. Diese müssen ihm zwingend ebenfalls ein Full-Service-Angebot offerieren, um weiter im Spiel zu bleiben. Das beinhaltet die Reichweitenberechnung und das rechtzeitige Beliefern der Medikamente zum Kunden nach Hause.
In anderen europäischen Ländern ist dieses Modell der Folgeverordnung aus den Apotheken bereits Wirklichkeit. In Großbritannien wird es beispielsweise seit dem Jahr 2006 angeboten, allerdings nur nach einer umfangreichen und teuren Fortbildungsmaßnahme für die teilnehmenden Apotheker, die viel Zeit und Geld in Anspruch nimmt.
Lohnt sich das?
Ob das zusätzliche Honorar, das in Aussicht gestellt wird, die Kosten dafür und für den zusätzlichen Mehraufwand für Dokumentationstools und Botendienste auffängt, bleibt dahingestellt. Und ob wirklich finanziell noch etwas hängen bleibt ist ebenfalls fraglich. Ein Nutzen entsteht allerdings durchaus: mehr Bequemlichkeit für die Chroniker und weniger Aufwand für die Versandapotheken. Sie müssen nicht mehr darauf warten, dass die Kunden ein Rezept einsenden, sondern können einfach nach eigener Reichweitenberechnung liefern. Die benötigten Programme haben sie im Gegensatz zu den meisten Apotheken bereits, müssen nichts nachrüsten und der Versand ist ohnehin die einzige Möglichkeit, die Arzneimittel an den Kunden zu bringen. Abo-Versorgung können die Versender ohne Probleme leisten, das sollte allen Beteiligten klar sein.
Ob es sich also wirklich lohnt, für das Sujet der Folgeverordnung einen Streit mit den Ärzten einzugehen, muss sich jeder Apotheker selbst fragen. Besonders dann, wenn er sich noch nicht damit auseinandergesetzt hat, wie er mit einem solchen Auftrag auf Augenhöhe mit einem Versender umgehen kann. Daher gilt bei allen Vorschlägen die man der Politik macht, ein Satz aus Äsops Fabel: „Quidquid agis, prudenter agas et respice finem“ – „Was auch immer du tust, tue es klug und bedenke das Ende“. Es wäre fatal, wenn noch mehr kleine Apotheken auf der Strecke bleiben, weil sie bei der Umsetzung solcher Vorschläge von ihrer Standesvertretung nicht an die Hand genommen werden.
Bildquelle: Pat Guiney, flickr