Das „Babyfernsehen“ für Schwangere ist ab 2021 verboten: Gynäkologen dürfen dann nur noch medizinisch notwendige pränatale 3D- und 4D-Ultraschallaufnahmen anfertigen. Ungeborene sollen so vor möglichen Risiken geschützt werden. Die Begründung wird heftig kritisiert.Die möglichen Risiken des pränatalen Ultraschalls werden seit Jahren kontrovers diskutiert. Ultraschalluntersuchungen im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge, die keine medizinische Indikation haben, sind ab 2021 vom Gesetzgeber untersagt. Grundlage ist die neue Strahlenschutzverordnung, die am 1. Januar 2019 in Kraft getreten ist. Damit stellt reines „Babyfernsehen“ in Zukunft eine Ordnungswidrigkeit dar. Es handele sich beim Föten um einen Schutzbefohlenen, dessen Schutz der Gesetzgeber wie folgt ausführt:
„Die für die Bildgebung notwendigen hohen Ultraschallintensitäten sind mit einem potenziellen Risiko für das Ungeborene verbunden, insbesondere da mit Beginn der Knochenbildung wesentlich mehr Schallenergie am Knochen absorbiert wird. Darüber hinaus fehlen verlässliche Untersuchungen über die Folgen dieser Anwendung [...]. Daher werden Ultraschallanwendungen zu einem nichtmedizinischen Zweck, wie z.B. zur reinen Bildgebung am Fötus („Babykino“), ohne dass eine ärztliche Indikation gestellt wurde, untersagt […].“
So wie die Verordnung formuliert ist, klingt es, als würde eine mögliche Gefahr der Ungeborenen durch den Ultraschall vermutet werden. Die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin e.V. (DEGUM) hält in einer aktuellen Pressemitteilung dagegen: „Trotz jahrzehntelanger intensivster Forschungsarbeit gibt es nach wie vor keine Studienergebnisse, die darauf hindeuten, dass Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft irgendeine Gesundheitsbelastung für das ungeborene Kind darstellen“, betont Dr. Kai-Sven Heling, Vizepräsident der DEGUM. „Und selbst, wenn bei Ultraschalluntersuchungen der fetale Schädel erfasst wird, entsteht laut aktuellen Erkenntnissen auch dadurch kein Schaden.“
Der Berufsverband der Frauenärzte erklärt in einer Stellungnahme, dass das „Babyfernsehen“ auch in den medizinischen Fachkreisen abgelehnt werde. Die medizinisch korrekte transkutane und transkavitäre Ultraschalldiagnostik sei nach herrschender wissenschaftlicher Meinung für die Feten ungefährlich.
Außerdem widerspricht die DEGUM einer angeblichen Gesundheitsgefährdung bei Einsatz von PW-Dopplerultraschall, insofern dieser sachgemäß durchgeführt werde. Ebenfalls wird ein von einigen Forschern vermuteter Zusammenhang zwischen vorgeburtlichem Ultraschall und späterer Autismus-Erkrankung abgelehnt.
„Man kann zwar dem sogenannten „Baby–Fernsehen“ zu kommerziellen Zwecken kritisch gegenüberstehen, da – unter anderem aufgrund von oft wenig qualifizierten Anwendern – sehr wohl die reale Gefahr besteht, tatsächliche Probleme des Feten nicht zu erkennen“, so Heling. „Doch die Anwendung des Ultraschalls zu diagnostischen Zwecken befürworten wir uneingeschränkt.“ Die Aussage in der neuen Strahlenschutzverordnung, laut der eine Gefährdung des Feten durch Ultraschall entstehen könne, sei demnach falsch. Wenn der Gesetzgeber das „Baby-Fernsehen“ verbieten wolle, müsse ein anderer Ansatz gewählt werden, sagt die DEGUM.
In meiner Praxis habe ich die Erfahrung gemacht, dass Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft bei den Patientinnen auf Platz 1 der Beliebtheitsskala stehen. Die meisten wünschen sich am liebsten bei jedem Termin eine Sonografie. Die Freude darüber, Herzaktion und Kindesbewegungen auf dem Bildschirm zu sehen, ist groß. Manche rufen sogar extra an, um den nächsten Termin mit Ultraschall zu erfragen, damit der Partner sich rechtzeitig Urlaub nehmen kann oder die Geschwisterkinder mitkommen dürfen.
Die in den Mutterschaftsrichtlinien vorgesehenen drei Untersuchungen halte ich für zu knapp bemessen. Ich kenne kaum Kollegen, die den Schwangerschaftssitz nicht gleich bei der ersten Untersuchung sonographisch überprüfen. Der erste Ultraschall wäre laut Mutterschaftsrichtlinien erst in der 9.-12. Schwangerschaftswoche vorgesehen. Eine zwar seltene, aber mitunter gefährliche EUG könnte damit aber zu spät erkannt werden. Und wie soll eine Wachstumsretardierung rechtzeitig diagnostiziert werden, wenn der dritte und letzte Ultraschall in der vorgesehenen 29.-32. Schwangerschaftswoche stattgefunden hat? Fundusstand und Bauchgröße erscheinen mir hierfür zu ungenau.
Wir bieten in der Praxis zusätzliche Sonografien als IGeL-Leistungen an, gehen jedoch mit der medizinischen Indikation aus den genannten Gründen sorgfältig und großzügig um. Für 3D-Untersuchungen fehlen uns aber die Zeit und der Glaube an die Notwendigkeit. Wie bei jeder medizinischen Diagnostik gilt hier die Devise: So wenig wie möglich, so viel wie nötig.
Auf die neue Strahlenschutzverordnung hat mich bisher noch keine Patientin angesprochen.
Artikel von Petra Brandt
Bildquelle: Mrs. Flinger, flickr