Die Erkenntnis, dass Viren für ein Karzinomleiden verantwortlich sind, erbrachte dem deutschen Mediziner Harald zu Hausen 2008 den Nobelpreis. Er erforschte in jahrelanger Kleinstarbeit, dass
HPV-Viren hauptverantwortlich für die Entstehung u.a. eines
Zervixkarzinoms sind.
Besonders die Virustypen HPV-16 und HPV-18 gehören zu den Hochrisiko-Typen (HR) und sind für etwa 70 % aller Zervixkarzinome [Paywall] verantwortlich. Die Niedrigrisiko-Typen (LR) verursachen meist gutartige Haut- und Genitalwarzen (vorwiegend Typ 6 und 11). Durch diese Erkenntnis war der Weg zur weltweit ersten Impfung gegen ein Karzinom gebahnt. Wie ist die aktuelle Situation in Deutschland? Und was können Ärzte tun, um noch mehr Kinder und Jugendliche zu erreichen?
Wer früh impft, braucht weniger Dosen
Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt seit 2007 eine Impfung gegen HPV-Viren für Mädchen zwischen 9 und 17 Jahren. Wird im bevorzugtem Alterszeitraum zwischen dem 9. und 14. Lebensjahr begonnen, sind nur zwei Impfungen im Abstand von 5 Monaten nötig. Startet man nach dem 14. Geburtstag, benötigt die Patientin drei Impfdosen in den Monaten 0, 2 und 6. Wichtig ist, dass die Impfung möglichst vor dem ersten Sexualkontakt stattfindet.
Mittlerweile werden die Kosten von allen Krankenkassen übernommen, sofern die Impfung vor dem abgeschlossenen 18. Lebensjahr begonnen wurde. Als Impfstoffe sind Cervarix® und Gardasil® im Einsatz. Beide Impfstoffe waren bisher gegen die HR-Typen 16 und 18 des HPV-Virus wirksam, Gardasil® zusätzlich gegen die LR-Typen 6 und 11. Mittlerweile gibt es einen nonvalenten Impfstoff (Gardasil 9®), der insgesamt neun HPV-Genotypen aus dem Hoch- und Niedrigrisikoareal erfasst.
Eine begonnene Impfserie sollte immer mit dem gleichen HPV-Impfstoff vervollständigt werden. Momentan wird in Studien noch untersucht, ob eine Auffrischung der Impfung nötig ist.
Impfquote noch nicht zufriedenstellend
In einer aktuellen Studie kommt das Wissenschaftliche Institut der privaten Krankenversicherung (WIP) zu dem Ergebnis, dass 45 Prozent der weiblichen Privaterversichten (Jahrgänge 1990 bis 2000) eine Impfung gegen HPV-Viren haben. Frauen in jüngerem Alter (Jahrgänge 1994-1999 ) sollen sogar zu 49 Prozent geimpft sein. Im Vergleich zu anderen Studien sind diese Zahlen sehr hoch. Das WIP verweist darauf, dass die Zahlen wegen des untersuchten Versicherungskollektivs nicht die Gesamtbevölkerung repräsentieren können.
So kommt eine Auswertung von ambulanten Abrechnungsdaten der gesetzlichen Krankenversicherung aus dem Jahr 2015 hingegen zu dem Ergebnis, dass die Impfquote von 15-jährigen Mädchen nur bei 31 Prozent liegt. Für viele Mediziner ist das eine nicht zufriedenstellende Bilanz, denn die Kassen übernehmen die Kosten für HPV-Impfungen bei Mädchen mittlerweile seit über zehn Jahren.
HPV-Impfung für Jungen und Ältere
Seit Juni 2018 empfiehlt die STIKO die HPV-Impfung auch für gleichaltrige Jungs. Eine HPV-Impfung der Jungs kann zu einer deutlichen Reduktion der Krankheitslast von HPV-assoziierten Tumoren bei beiden Geschlechtern führen.
Auch Patienten, die älter als 18 Jahre sind, können von dieser Impfung profitieren. Prinzipiell sollten Ärzte aufklären, dass die Impfung nicht gegen alle potenziell onkogene HPV-Typen schützt. Die gynäkologischen Krebsvorsorgeuntersuchungen sollten daher weiterhin durchgeführt werden. Inwieweit die Impfung nach HPV-Befall und stattgefundener Konisation sinnvoll ist, wird momentan in Fachkreisen diskutiert. Hierfür müssten die Kosten dann jeweils individuell mit den Krankenkassen abgestimmt werden.
Praxistipp für höhere Impfquoten
An Aufklärungskampagnen an Schulen, Jugendeinrichtungen und in den sozialen Medien sollte festgehalten werden. Zumal es nicht allen Ärzten leichtfällt, die Impfung anzusprechen. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung verschickt kostenlose Plakate zur HPV Impfung. Sie sind ansprechend gestaltet und lassen sich gut im Wartezimmer platzieren.
Es ist sinnvoll jeder Patientin bzw. jedem Patienten, der Kinder zwischen 9 und 17 Jahren hat, einen Infoflyer zur HPV-Impfung mitzugeben. Die Impfung in der gynäkologischen Praxis bietet sich für junge Mädchen an. Dadurch wird während des Erstkontakts die Hemmschwelle gesenkt und eine rechtzeitige Antikonzeptionsberatung kann zeitnahe stattfinden.
Meine persönliche Erfahrung
In unserer gynäkologischen Praxis wurde die Impfung bisher immer gut vertragen. Leidige Impfgegner sind nur schwer zu überzeugen. Manchmal denke ich: „Die meisten Menschen dieser Welt beneiden uns um unser Gesundheitssystem. Sie würden viel darum geben, kostenlos eine gut verträgliche Impfung gegen Krebs zu erhalten.“ Und weil es um Kinder und Jugendliche geht, die das Einverständnis ihrer Eltern zur Impfung brauchen, denke ich hin und wieder auch laut.
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