Herr Plötzl ist 84 Jahre alt, mit Wirbelkörperfraktur. Man wollte es mit konservativer Therapie probieren. Der Versuch, eine OP zu verhindern, hat nun folgendes bewirkt: Dem Patienten geht es immer noch schlecht. Durch die lange Wartezeit ist ein komplizierter Eingriff nötig.
Jede Woche gibt es einen neuen Aufschrei: Ärzte operieren zu viel. Die meisten Operationen seien unnötig und rein wirtschaftlich motiviert. Die Realität erlebe ich häufig anders.
Herr Plötzl sitzt vor mir. Er ist 84 Jahre alt, ein rüstiger Renter vom Land. Sein Holz spaltet er noch selbst, die Enkel dürfen dabei helfen, während die Urenkel die selbst gebauten Spielzeugküchen auseinander nehmen.
Seit fünf Wochen hat er starke Rückenschmerzen. Ganz plötzlich ist es ihm in den Rücken gefahren. Seitdem geht es abwärts. Die Wasserflaschen aus dem Keller trägt er einzeln herauf und den Hasenbraten am Wochenende bereitet nun seine Frau zu. Beim Hausarzt und beim Röntgen war er bereits. Selbst ins MRT hat er es geschafft. Er hatte sich eine osteoporotische Wirbelkörperfraktur im thorakolumbalen Übergang zugezogen.
Vielleicht geht es ja ohne OP?
Der Hausarzt habe ihm die Möglichkeit offen gelassen, sich im Krankenhaus vorzustellen und der Orthopäde habe ihm zur Kyphoplastie geraten. Aber eigentlich möchte er sich nicht operieren lassen. Sowieso operiere man doch heute viel zu häufig und viel zu schnell, nicht wahr? Sollte es mit konservativer Behandlung nicht besser werden, könne er ja immer noch kommen.
Nun ja, nach fünf Wochen ist Herr Plötzle mürbe, müde und immer noch stark schmerzgeplagt. Das Röntgenbild von vor fünf Wochen zeigte eine Wirbelkörperfraktur LWK 1 mit deutlicher Höhenminderung.
Eine Kyphoplastie hätte helfen können
Ich veranlasse ein Röntgenbild im Stehen und habe leider schlechte Nachrichten. Der Wirbel ist platt wie eine Flunder, eine ventrale Abstützung fehlt, die Kyphose ist nun stark ausgeprägt. Mit der Kyphplastie wird es jetzt nichts mehr. Da bekommen wir keine Nadel und keinen Zement mehr rein. Die OP-Methode, mit der ich ihn nun stattdessen vertraut mache, ist ein deutlich längerer Eingriff. Die Wirbelsäule muss dorsal stabilisiert werden, ein Wirbelkörperersatz ist notwendig.
Wirklich schade. Wäre er bereits nach einer oder vielleicht zwei Wochen in die Unfallchirurgie gekommen, hätten wir ihm mit einer Kyphoplastie weiterhelfen können. Man lässt also am besten die Chirurgen beurteilen, ob eine OP sinnvoll ist oder nicht.
Minimal-invasiv gewinnt gegen konservativ
Die Kyphoplastie ist der konservativen Therapie weitaus überlegen. Die Studienlage ist eindeutig. Schnellere Mobilität, deutliche Schmerzreduktion, geringere Mortalität, höhere Lebensqualität, deutlicher Überlebensvorteil, weniger Schmerzmittelkonsum mit weniger Nebenwirkungen, etc. Auch die Langzeitergebnisse überzeugen. Nebenbei bemerkt ist die Kyphoplastie auch der Vertebroplastie hinsichtlich dieser Faktoren überlegen.
Dass die Kosten für den Therapieverlauf bei einer osteoporotischen Fraktur, diemittels Kyphoplastie versorgt wird, deutlich geringer ausfallen als bei einer konservativen Therapie, ist bei diesen Ergebnissen eigentlich sogar Nebensache.
Lebensqualität: Ein entscheidender Punkt
Ein ganz anderer Aspekt, der für solche Entscheidungen ebenfalls eine Rolle spielt, ist die Erwartungen der Menschen an ihre Lebensqualität. Natürlich ist dieser Eingriff keine überlebensnotwendige Operation. Wenn man damit einverstanden ist, früher zu sterben, einen runden Buckel zu bekommen, mit mehr Schmerzen zu leben und auf das Holz hacken zu verzichten, lässt man es eben sein.
Falls besorgte Anästhesisten oder kritische OP-Gegner immer noch Einwände haben, gilt es einen Blick nach Asien zu werfen. Hier werden seit Jahren osteoporotische Wirbelkörperfrakturen mit Lokalanästhesie operiert.
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