Patienten empfinden das Arztgespräch oft als zu oberflächlich, weshalb sie häufig zusätzliche Informationen aus dem Internet beziehen. Die verzerrte Aufnahme überwiegend positiver Informationen stellt dabei eine ganz neue Herausforderung für Ärzte dar.
Psychologen des Leibniz-WissenschaftsCampus Tübingen „Bildung in Informationsumwelten“ haben herausgefunden, dass Patienten nach medizinischen Diagnosen und im Falle eines von Krankheit ausgehenden Gefühls der Bedrohung Informationen über ihre Krankheit bei der Internetsuche einseitig aufnehmen. Dabei ist überraschend: Je schwerer die Erkrankung, desto zuversichtlicher fühlen sich Menschen nach intensiver Internetrecherche in Bezug auf ihre eigene Gesundheit. Den Grund vermuten die Wissenschaftler darin, dass das Gefühl von Einschränkung und persönlicher Bedrohung, wie es häufig durch eine medizinische Diagnose ausgelöst wird, zu einer einseitigen Informationsauswahl und Verarbeitung führt. Das bedeutet, dass sich viele Menschen unter Bedrohung bei ihrer Internetrecherche unbewusst auf die positiven Informationen konzentrieren und negative ausblenden, wie Prof. Dr. Kai Sassenberg erklärt. „Um das Gefühl der Bedrohung zu reduzieren, wählen Patienten bei der Informationssuche im Internet mehr positive Links aus und erinnern sich öfter an positive Informationen aus gelesenen Texten.“ Erkrankte formen sich so einen verfälschten Eindruck von ihrer eigenen Situation, denn sie übersehen potentielle negative Verläufe ihrer Krankheit. Da Patienten nach der Internetsuche häufig mit diesem einseitigen Bild zum Arzt zurückkehren, sehen sich Ärzte neuen Herausforderungen gegenüber. Originalpublikation: Internet Searching About Disease Elicits a Positive Perception of Own Health When Severity of Illness Is High: A Longitudinal Questionnaire Study Kai Sassenberg et al.; Journal of Medical Internet Research, doi: 10.2196/jmir.5140; 2016