Das System Securpharm läuft am 9. Februar EU-weit an. Es soll das Eindringen von gefälschten Medikamenten in die Vertriebskette verhindern und so Patienten schützen. Doch das vermeintliche Plus an Sicherheit ist umstritten.Die Geschichte der Securpharm e.V. beginnt in der EU. Als ein besorgniserregender Anstieg gefälschter Arzneimittel innerhalb der Union festgestellt wurde, soll diese Bedrohung der öffentlichen Gesundheit minimiert werden. Dazu hat die EU am 8. Juni 2011 eine Fälschungsschutzrichtlinie erlassen, die Grundlage für die Entwicklung eines möglichst sicheren IT-basierten Schutzsystems sein soll. Außerdem wurde ein Verein zum Patientenschutz gegründet, der von einem Konsortium der Pharmaverbände (BAH, BPI, vfa), dem Großhandelsverband PHAGRO und der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) getragen wird. Ab dem 9. Februar 2019 dürfen dann nur noch verifizierte Packungen in den Handel gelangen, die über einen Erstöffnungsschutz sowie einen Data-Matrix-Code verfügen. Beides muss vor der Abgabe an den Kunden durch die Apotheken geprüft werden.
Im bisherigen Verfahren steht der 2D-Code auf der Umverpackung im Mittelpunkt. Der Code beinhaltet die Seriennummer, den Produktcode, die Pharmazentralnummer, das Verfallsdatum und die Chargenbezeichnung des Arzneimittels. Er wird vom Hersteller generiert, auf der Umverpackung angebracht und individualisiert in eine geschützte Datenbank der Hersteller hochgeladen. Die Apotheken buchen nun bei der Abgabe an den Patienten genau dieses individuelle Medikament wieder aus. Das funktioniert über einen Scanner, der mit dem System verbunden ist. So entsteht ein Kreislauf, der die Echtheit der Medikamentenpackung garantieren soll.
Kritik am neuen Vorgehen
Und das ist schon einer der Hauptkritikpunkte, denn nur die Umverpackung wird fälschungssicherer, nicht aber das enthaltene Medikament. Würden die Codes von einem Fälscher gestohlen und auf den Umkarton des gefälschten Medikamentes gedruckt, bevor die Originale in Umlauf gelangen, würden diese Fälschungen dann im System beim Ausbuchen nicht auffallen. Auch die Sicherheitsabfrage beim Einbuchen der Ware in der Apotheke würde keine Probleme verursachen, bis die erste Packung mit dem gefälschten Code irgendwo anders verkauft wird. In diesem Moment würden die vermeintlich originalen Medikamentenpackungen im Lager plötzlich bei Abgabe an den Kunden zur Fälschung.
Der nächste Kritikpunkt gilt der Frage, ob Medikamente, die über den legalen Weg in deutsche Apotheken kommen, so häufig gefälscht sind, dass sich ein derart hoher Aufwand überhaupt lohnt. Alle Apotheken müssen sich im System anmelden, zum großen Teil neue Scanner und in manchen Fällen sogar neue automatische Warenlager anschaffen. Das komplette Personal muss geschult werden und die Abläufe innerhalb des Warenverkehrs werden ebenfalls geändert. Und wofür? Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass der Anteil an gefälschten Arzneimitteln, die von Patienten über nicht autorisierte Online-Versandhändler bezogen werden, bei über 50 % liegt. Aber gilt das auch für den legalen Vertriebsweg in Deutschland? In einem Faktenblatt der ABDA findet sich die Häufigkeit der gefälschten Arzneimittel von 1996 bis Anfang 2008. In diesem Zeitraum „registrierte das Bundeskriminalamt (BKA) nur 38 Fälle von Arzneimittelfälschungen in der legalen Verteilerkette vom Arzneimittelhersteller über den pharmazeutischen Großhandel bis zur Apotheke“.
Keine wirkliche Kontrolle?
Die bittere Erkenntnis ist außerdem, dass keiner der Arzneimittel-Skandale der jüngsten Zeit mit einem bereits funktionierenden Securpharm-System abgewendet worden wäre. Weder der Fall der gepanschten Krebsmedikamente in Bottrop (hier handelte es sich um Individualrezepturen) oder der Valsartan-Super-GAU (in diesem Fall war der Wirkstoff verunreinigt), noch die aus einem Krankenhaus gestohlenen Arzneimittel der Lunapharm wären festgestellt worden. Denn die Ausbuchung von Medikamenten aus einer Klinik funktioniert aufgrund der großen Mengen, die individuell zu scannen wären, anders als in einer öffentlichen Apotheke. Dazu kommt, dass ausgerechnet Griechenland und Italien sechs Jahre länger Zeit haben, sich dem Securpharm-System anzuschließen, denn sie berufen sich darauf, bereits ein funktionierendes Sicherheitssystem zu haben.
Die Apotheken erwarten den 9. Februar 2019 daher mit gemischten Gefühlen. Es stellen sich eher Ängste ein, ob das Internet stabil genug bleibt, um den Ausbuchungsvorgang vor dem Kunden korrekt durchzuführen, und ob der Übergang von den alten zu den neuen Packungen reibungslos funktioniert. Daran, daß jetzt alles sicherer geworden ist, glaubt außer der Politik vermutlich niemand mehr.
Beitrag von Eva Bahn
Bildquelle: Jamie, flickr