Reformen sind zum Steckenpferd des neuen Bundesgesundheitsministers geworden. Jetzt knöpft sich Jens Spahn die Ausbildung von Psychotherapeuten vor. Seine Idee, einen neuen Studiengang zu etablieren, stößt auf viel Protest.
Wie DocCheck berichtete, will Jens Spahn die Psychotherapeuten-Ausbildung über einen neu zu konzipierenden Studiengang grundlegend verändern. Seine Idee ist ein dreijähriges Bachelor- und ein zweijähriges Masterstudium mit Abschlussprüfung und Approbation. Dann folgen Weiterbildungen in stationären und ambulanten Einrichtungen. Während der letzten Phase verdienen Kollegen anders als bisher bereits Geld. Wie bewerten Health Professionals Spahns Konzept?
Die Bundesärztekammer (BÄK) hält nichts vom Vorschlag: „Der Entwurf verfehlt völlig das Ziel einer verbesserten Ausbildung in diesem wichtigen Versorgungsbereich“, heißt es in einer Meldung. „Vielmehr führt er zu einer Gefährdung der Patientinnen und Patienten.“ Wie ist das zu verstehen?
Zum Hintergrund: Bisher müssen Psychotherapeuten ein Vollstudium der Medizin oder Psychologie absolvieren, bei Kinder- und Jugendpsychotherapeuten ist ein Zugang über die Pädagogik möglich. Dann folgt bei Ärzten eine Psychotherapie-Weiterbildung bzw. bei Psychologen oder Pädagogen eine Psychotherapie-Ausbildung. „Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten mit ihren jeweils spezifischen Kompetenzen ergänzen das therapeutische Angebot sinnvoll, sie können aber keinesfalls die ganzheitliche ärztliche Expertise in Diagnose und Therapie ersetzen“, schreibt die BÄK.
Denn psychische Erkrankungen gingen oft mit somatischen Erkrankungen einher. „Aber anstatt auf eine ganzheitliche Betrachtung und Behandlung komplexer Krankheitsbilder hinzuwirken, bedroht die vorgesehene Reform eine individuelle, somatische wie psychische Aspekte integrierende Versorgung der Patientinnen und Patienten.“ Genau hier sorgt ein geplantes Modellprojekt für Unmut. Es hat das Ziel, Nicht-Ärzten die Möglichkeit zu geben, Psychopharmaka zu verordnen. „Das gefährdet die Sicherheit der Patientinnen und Patienten, die auf Grund ihrer Erkrankung unter Umständen besonders zu schützen sind, in ganz erheblichem Maße“, so die Expertenmeinung.
Den vorgesehenen Studiengang bewertet die BÄK ohnehin als „Mogelpackung“: „Man kann nicht einen Behandlungsansatz zu einem Beruf erheben und darüber hinwegtäuschen, dass auch und gerade Ärztinnen und Ärzte mit Facharztstatus nach sechsjähriger Ausbildung und mindestens fünfjähriger Weiterbildung als hochqualifizierte Psychotherapeuten tätig sind.“
In den Kommentaren unter unserem Artikel wurde über das Thema diskutiert. Ein Psychologe bestätigt die BÄK-Sichtweise, er schreibt: „Handwerkliche Berufe können rasch vermittelt werden, da kann auch meist nur Materielles Schaden nehmen. Betrifft es aber die Psyche des Menschen, greift dieser Ansatz nicht.“ Dann ließen sich Fehler kaum mehr korrigieren. Statt den fundierten Ausbildungsweg zu zerschlagen und „mindere Qualität durch Verkürzung der Lehrzeit“ zu erzeugen, solle Spahn lieber Kollegen in der Ausbildung unterstützen. Als Lösung sieht der Psychologe, „Hungerlöhne“ während der Therapieausbildung soweit aufzustocken, dass ein Lernen ohne Zweitjob möglich sei.
Spahns Idee, einen neuen Masterstudiengang zu etablieren, sei zwar „besser als das aktuelle Modell“, kommentiert ein Arzt. Er sieht aber viele offene Fragen, an denen eine Umsetzung scheitern könnte: Wer stellt die Klinikplätze, wie ist die Finanzierung, und lässt sich die Stellung mit Weiterbildungsassistenten vergleichen? Aufgabe der Verbände und der Politik sei, offene Punkte zu klären. „Eine Veränderung, die am Ende nur eine Verschlechterung ist, sollte unbedingt verhindert werden“, so das Resümee des Arztes.
Eine weitere Kommentatorin fordert allgemeine Qualitätsstandards für die Psychotherapie anstelle neuer Studiengänge. „Es ist ja nicht so, als hätten wir aktuell zu wenig Psychotherapeuten“, schreibt sie im Kommentar. „Das Problem ist eher, dass viele von ihnen ziellos herumirren, anstatt ihren Patienten wirklich zu helfen, gesund zu werden.“ Die Kollegin weiter: „Würde man jetzt noch zusätzlich massenweise Juniortherapeuten mit Anfang zwanzig auf den Markt werfen, die dann auch alle beitragsfinanzierte Schwafelstündchen anbieten, würden die Kosten für die Krankenkassen explodieren.“
Die Statements zeigen, dass sich ein neues Psychotherapie-Studium nicht ohne Fachexpertise entwickeln lässt. Immerhin besteht noch Hoffnung, dass Spahn seine Pläne überdenkt. Bei der ähnlich umstrittenen Triage vor Psychotherapien lenkt der Bundesminister laut „FAZ“-Bericht jetzt ein und sucht den Dialog mit Heilberuflern.
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