Wie steht die ABDA zu Spahns umstrittenen Vorschlägen für die Zukunft des Apothekenmarktes? In Berlin wurde über brisante Themen wie die partielle Aufhebung der Rx-Preisbindung diskutiert. Unklar ist, was bei dem Treffen heraus kam. Bislang herrscht Stille.
Es bleibt spannend, denn weiterhin ist unklar, wie sich die beiden Parteien getrennt haben. Es darf davon ausgegangen werden, dass der angeschlagene ABDA Präsident Friedemann Schmidt sowie der ebenfalls nicht unumstrittene Bundesgesundheitsminister Jens Spahn eifrig an einem Konsens basteln, denn die Lager auf beiden Seiten sind bereits durch die monatelange Hinhaltetaktik zermürbt.
Im Grunde war zu Beginn der Verhandlungen nur eines bekannt: Das Angebot Spahns aus dem Dezember vergangenen Jahres wurde in Teilen abgelehnt und die ABDA präsentierte einen neuen sechs Punkte umfassenden Vorschlag. Und das, obwohl der Gesundheitsminister vor Beginn der Verhandlungen sein ursprüngliches Angebot als unumstößlich präsentierte. Hier nun die Chronologie der Ereignisse.
Hoffnung auf ein Versandhandelsverbot verpuffte mit Spahn
Im Vorfeld gab es viele Unklarheiten darüber, wie die Zukunft der öffentlichen Apotheken in Deutschland aussehen wird. Zahlreiche Inhaber, die eigentlich in Rente gehen wollten, fanden in den letzten Jahren keinen Nachfolger für ihre Apotheken, denn die Unwägbarkeiten in den heutigen Zeiten sind einfach zu groß. Fachkräftemangel, sterbende Innenstädte, fehlende Hausärzte in den ländlichen Gebieten und nicht zuletzt die Konkurrenz aus dem Ausland, die via Internet in alle Wohnungen gelangt, machten den ehemals lukrativen Betrieb einer Apotheke immer häufiger zum riskanten Geschäft. Die Versandapotheken waren zudem nicht an die Boni-Verbote gebunden, die die deutschen Apotheken laut Arzneimittelgesetz ihren Kunden nicht gewähren dürfen.
Viel Hoffnung wurde nach dem für die deutschen Vor-Ort-Apotheken verheerenden Urteil des EuGH im Oktober 2016 zunächst in die CDU gesetzt, die mit Minister Gröhe wiederum die Hoffnung auf ein Versandhandelsverbot für verschreibungspflichtige Medikamente schürte – der Wille dieses umzusetzen wurde schließlich sogar im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Sie verpuffte jedoch bei den meisten Apothekern in dem Moment, als klar wurde, dass Jens Spahn den Platz des Gesundheitsministers einnehmen würde. Seine persönlichen Interessen schienen einem Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln entgegenzustehen und er machte daraus auch von Beginn an keinen Hehl.
Das Schweigen des Jens Spahn
Vom ABDA-Präsidenten Friedemann Schmidt kamen im ersten Moment kämpferische Reaktionen, die im Laufe der Zeit einer seltsamen Stille Platz machten. Die Basis solle schweigen, so die Devise, er hätte etwas in der Hinterhand, um erfolgreich mit Jens Spahn zu verhandeln. Als sich mehr und mehr abzeichnete, dass das nicht der Fall sein würde, fühlten sich viele Apotheker an die Zeit vor dem Urteil des EuGH erinnert. Damals hieß es auch zunächst „Das Ding ist sicher“, am Schluß blieb eine im Kern getroffene Apothekerschaft übrig.
Jens Spahn äußerte sich zu Beginn seiner Amtsperiode mit keinem Wort zur Causa RX-Versandhandelsverbot, was einzelne Apotheker dazu trieb, auf eigene Faust Petitionen auszuschreiben und ihn so zu einem Statement zu zwingen. Spahn stellte der deutschen Apothekerschaft auf Facebook allerdings bereits Mitte 2018 „gleichlange Spieße“ anheim, um dem Wettbewerb mit den ausländischen Versendern standhalten zu können.
Das Wie blieb jedoch lange Zeit unklar. Es wurde beim Deutschen Apothekertag in München auch nicht zufriedenstellend auf den Punkt gebracht. Klar wurde nur das, was Spahn von Beginn an hatte durchblicken lassen: das RX-Versandverbot würde mit ihm als Gesundheitsminister nicht kommen.
Ein unmoralisches Angebot
Kurz vor Weihnachten war es dann endlich so weit und das Angebot des Ministers lag vor. Er bot bezahlte Kompetenzerweiterungen und ein erhöhtes Geld für Nacht- und Notdienste. Das Versandhandelsverbot sollte aber mit ihm nicht mehr verhandelt werden.
Stattdessen sollen die Boni der ausländischen Versender bei 2,50 Euro gedeckelt, damit also quasi geadelt und mit deutschem Recht vereinbar gemacht werden. Er erwähnte einen Marktanteil von 5 Prozent, der von den ausländischen Versendern nicht überschritten werden dürfe. Wie dieser zu kontrollieren und zu regulieren sei wurde jedoch nicht weiter erläutert. Falls die Apothekerschaft auf seinen Vorschlag nicht einginge, würde er das Gutachten des Bundeswirtschaftministeriums zum Apothekerhonorar, das er bisher weitgehend ignoriert hatte, genauer prüfen lassen. Für viele kam das einer dreisten Erpressung sehr nahe.
Plan C: Acht Punkte
Spahn hatte eine Entscheidung für oder gegen seinen Plan B (statt Plan A= Versandhandelsverbot) bis zum 18. Januar verlangt, der zunächst ausschließlich als geschlossenes Paket verstanden wurde. Einen Tag vor diesem Treffen stimmte die ABDA-Versammlung einigen Punkten zu, lehnte aber die gesetzliche Verankerung von Boni durch die ausländischen Versandapotheken wie auch die 5 Prozent Marktanteil ab. Ein acht Punkte umfassender Plan C wurde formuliert, der vor allem auf die Gleichpreisigkeit abzielt.
Unter anderem umfasst dieser den Punkt der Einbindung der Arzneimittelpreisverordnung in § 129 SGB V mit dem Verbot der Gewährung von Boni in GKV und für Privatversicherte, damit die Zuwendungsverbote sozialrechtlich und wettbewerbsrechtlich verfolgbar werden.
Weiterhin interessant ist die Forderung nach einer Rechtsgrundlage für die Erbringung pharmazeutischer Dienstleistungen, die über einen Fonds honoriert werden sollen, der dafür mindestens 240 Mio. Euro netto im Jahr bereithält. Die Definition dieser Dienstleistungen soll durch die Apothekerschaft festgelegt werden.
Das Makeln unterbinden
Durch die Fortschreitende Digitalisierung und die Schaffung eines E-Rezeptes in der Zukunft fordert die ABDA weiterhin gesetzliche Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der freien Apothekenwahl sowie ein Verbot von Einzelverträgen mit Krankenkassen mit abweichenden Preisen.
Eine Begünstigung der Versicherten durch die Krankenkasse bei Bezug im Ausland soll untersagt werden und es soll ein Beeinflussungsverbot für gesetzliche Krankenkassen geben mit der Bekräftigung der freien Apothekenwahl. Durch diese Maßnahmen soll ein „Makeln“ von Verschreibungen untersagt werden.
Ein Punkt der auch Minister Spahn sehr entgegen kommt, ist die zwingende Mitgestaltung und Mitbestimmung durch die Apothekerschaft bei der Etablierung digitaler Strukturen im Bereich der Arzneimittelversorgung. Die Aufstockung der Finanzmittel des Nacht- und Notdienstfonds auf 240 Mio. Euro hatte dieser ebenso im Plan B erwähnt.
Auch eine Erhöhung der Gebühr bei der Abgabe dokumentationspflichtiger Arzneimittel, insbesondere Betäubungsmittel, um 15 Mio. Euro ist durch den erhöhten Dokumentationsaufwand zeitgemäß.
Tag X: Was bleibt, ist Stille
Minister Spahn äußerte sich noch am gleichen Tag und zeigte sich erleichtert darüber, dass für die Apothekerschaft ein Verbot des Versandhandels nicht zwingend zum Erhalt der flächendeckenden Versorgung ist. Er bezeichnete diese Einsicht als „wichtigen Schritt“ für die künftigen Verhandlungen und kündigte an, den Plan aus europarechtlicher Sicht genau prüfen zu wollen.
Das Urteil der gesundheitspolitischen Sprecher anderer Fraktionen fiel erwartungsgemäß eher verhalten aus. Die Grünen kritisierten, dass im vorgelegten Papier der heilberufliche Aspekt zu kurz käme und dem Versandhandel zu viel Raum gewährt würde.
Dann kam der 18.01.2019 und damit der Tag X für das offizielle Vorlegen des Vorschlages der ABDA zur Zukunft der deutschen Apotheken. Was bleibt, ist Schweigen, denn bisher drang nur wenig vom Verhandlungstisch an das Licht der Öffentlichkeit. Und so wartet die Apothekerschaft weiterhin gespannt, während sie ein wenig angstvoll auf das Damoklesschwert der Boni-Gewährung und des 2HM-Gutachtens schielt.
Ein Beitrag von Eva Bahn
Bildquelle: tanakawho, flickr