Im Dezember flatterten uns Flyer des Telemedizin-Projekts „Docdirekt“ in die Apotheke, die wir an die Kunden verteilen sollen. Mir stellt sich die Frage: Sollten wir als Apotheke vor Ort dabei helfen, ein System zu etablieren, das gut ohne uns und den Hausarzt funktioniert?
Der Landesapothekerverband verschickte mehrere DIN-A6-Stapel mit Werbung für das Docdirekt-Angebot, die an die Kunden weitergegeben werden sollen. Man soll sich wohl schon gleich zu Beginn ins Spiel bringen. Doch was ist Docdirekt eigentlich und welche Folgen hat es für Apotheken?
War das Fernbehandlungsverbot in Deutschland bisher recht fest verankert, wird es nun schrittweise aufgelöst. Was gestern noch aussah wie ein Risiko für die Gesundheit gilt heute als „niederschwelliges Angebot“ und wird erlaubt und gefördert. Ist ja auch digital und damit voll im Trend. Und Docdirekt reiht sich nun ein. Es ist ein Angebot der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) – Dr. Ed goes Ländle.
Zunächst einmal ist Docdirekt ein seriöses Angebot um sich einen ärztlichen Rat einzuholen, denn die etwa vierzig beratenden Ärzte sind alle „echt“ mit eigenen Praxen und guten Bewertungen auf den einschlägigen Portalen. Nach einem Anruf, einem Chat oder einer Verbindung via Videoschaltung werden die Daten des Patienten durch eine MFA festgehalten, die Beschwerden notiert und die Dringlichkeit der Konsultation klärt. Sofern es sich nicht um einen lebensbedrohlichen Notfall handelt (bei dem man hoffentlich selbst so weit denken kann, dass das nicht der richtige Ansprechpartner ist), vereinbart man einen Termin für den Rückruf des Arztes. Der „Tele-Arzt“ ruft dann wohl ganz analog zurück, denn ich befürchte mit der Technik sich per Skype zu melden sind die meisten Arztpraxen noch nicht so weit.
Was er (noch) nicht machen kann: Ein Rezept oder eine Krankschreibung ausstellen. Was er ebenfalls nicht tun kann: Irgendwelche Laborwerte nehmen, Blutdruck messen, sich ein Bild von der körperlichen Verfassung machen und vieles mehr. Aber mal ehrlich? Warum gehe ich denn eigentlich zum Arzt? Doch nicht um eine kleine Runde nett zu quatschen, sondern weil ich entweder eine Untersuchung oder ein Medikament benötige. Dieses Angebot ist so lange einigermaßen nutzlos, solang das E-Rezept noch nicht auf dem Markt ist. Dann wird allerdings aus dem zahnlosen Tiger eine echte Konkurrenz zum Hausarzt.
Und sollten wir als Apotheken das von Beginn an unterstützen? Ich verstehe die Berufsverbände durchaus, die sich nicht von Beginn an ins Aus schießen lassen möchten, sollten sie eine Kooperation ablehnen. Die Kassen wollen diese Tele-Angebote etablieren, weil es so schön billig erscheint. Auch der Ärztemangel auf dem Land soll wohl durch Maßnahmen wie diese irgendwie kompensiert werden. Und was passiert, wenn die Apotheken nicht mitziehen, liegt klar auf der Hand: Es werden andere Partner gesucht und gefunden. Ist das E-Rezept erst einmal nutzbar, kann so ein Tele-Arzt dieses ja direkt zur Apotheke leiten. Entweder zur Apotheke vor Ort, die es dem Kunden dann liefert (oder er holt die Medikamente selbst dort ab) oder an einen der großen Player am Versandapothekenmarkt (was ich leider für äußerst wahrscheinlich halte).
Es ist also ein Risiko: Spielen wir brav mit, helfen wir dabei ein System zu etablieren, das ganz gut ohne die Apotheke vor Ort funktionieren kann. Halten wir uns raus, sind wir von Beginn an außen vor – denn kommen wird es so sicher wie das Amen in der Kirche. Es ist nämlich digital und damit per se schon mal tolle neue hippe Zukunftsmusik, ohne die wir alle für immer im Mittelalter verharren.
Bevor nun aber jede Apotheke brav nach den Vorgaben diese Flyer ausgibt, bietet es sich an zuvor ein Gespräch mit den Ärzten aus der Umgebung zu führen. Es sollte uns interessieren, was der Hausarzt um die Ecke davon hält bevor wir für dessen zukünftige Konkurrenz Werbung auslegen. Denn Werbung für ausländische Versandapotheken will im Gegenzug wohl keine Vor-Ort-Apotheke in der Praxis um die Ecke im Wartezimmer vorfinden.
Bildquelle: El Alvi