BEST OF BLOGS | Es war mitten in der Nacht, 3 Uhr oder so. Ich saß in der Notaufnahme herum und arbeitete mich durch den stetigen Strom an Menschen, die nachts Probleme hatten. Frau Glimbo spuckte beispielsweise immer wieder Blut.
Ich hatte es also mit einer Handvoll Patienten zu tun. Im Augenblick waren das:
Ich hatte gerade Herrn Banabas zum Röntgen geschickt und Frau Glombotz eine befeuchtende Infusion anhängen lassen, da spuckte Frau Glimbo erneut Blut. Gleichzeitig rief das Labor an und erklärte, Frau Glimbo habe einen Hb-Wert von 8 g/dl. Ob das für uns von Interesse wäre? „Mittelmäßig“, sagte ich.
Aktuell war Frau Glimbo zwar noch wach und kreislaufstabil, aber mein super Arztinstinkt sah dies in recht naher Zukunft ins Gegenteil umschlagen. Meine restlichen Patienten verlassend, rief ich also den Endoskopie-Arzt an.
„Meh“, sagte der Endoskopie-Arzt. „Was wollen Sie? Die Patientin ist doch stabil. Transfundieren Sie Blut und klären Sie die Dame für eine Magenspiegelung morgen früh auf!“
„Hm, ok“, sagte ich unzufrieden. Dann bestellte ich zur Sicherheit mehr Blutkonserven, legte Frau Glimbo einen weiteren großen Venenzugang und hängte zwei Infusionen an.
„Blargh!“, sagte Frau Glimbo und erbrach mehr Blut. Danach fiel ihr Blutdruck auf die Hälfte des Ausgangwertes ab und ich rief den Endoskopiearzt erneut an, welcher nun grumpelig feststellte, dass morgen früh möglicherweise doch zu spät für die Magenspiegelung war. Man müsse wohl doch gleich nach der Blutungsquelle suchen.
Kurze Zeit später landeten wir also im Endoskopieraum: Frau Glimbo, jetzt mit drei Venenzugängen, zwei Blutkonserven und zwei Infusionen laufend, der Endoskopiearzt, die passende Schwester und ich.
Frau Glimbo blutete unterdessen weiter recht wild aus dem Magen oder auch aus der Speiseröhre. So genau konnte man das nicht sehen vor lauter Blut und während ich gerade mit der Blutbank über weiteres Blut und mit einer Intensivstationsschwester über Gerinnungsfaktoren verhandelte, rief der Endoskopiearzt: „Zu viel Blut! So kann ich nicht nach der Blutungsquelle suchen. Das läuft uns alles in die Lunge! Wir müssen die Frau intubieren und beatmen! Frau Zorgcooperations, besorgen Sie uns den Anästhesisten!“
„Jawoll“, rief ich.
„Nee, nee“, rief der Anästhesist. „Zorgcooperations, ich sitze hier gerade in einer Notfall-OP! Da kann ich nicht raus.“
„Intubieren“, rief der Endoskopiearzt. Dies wollten aber weder er noch ich tun, da inzwischen alles voller Blut war und Frau Glimbo denkbar schlechte Intubationsbedingungen bot.
Ich rief also die Pforte an, ich bräuchte eine Verbindung zum Anästhesie-Hintergrund-Oberarzt. Der war völlig verwirrt, da hier der falsche Assistenzarzt anrief (kein Anästhesist, sondern ein komischer Internist).
Nun denn, der Anästhesie-Oberarzt wohnte direkt neben der Klinik und fiel nach Ende der Verwirrung vom Bett in den Endoskopieraum.
Nach einer schwierigen Intubation war die Patientin intubiert und beatmet. Der Endoskopiearzt lokalisierte die Blutungsquelle und alles war wieder gut. Äh, Moment: „Gaaarghhl!“, rief der Endoskopiearzt erneut nach längerer Suche. „Ich kann die Blutungsquelle nicht finden! Überall ist Blut, Blut, Blut. Besorgen Sie mir so eine Sengstaken-Blakemore-Sonde, Frau Zorgcooperations!“
Eine solche Sonde hatte ich noch nie benutzt, sondern nur theoretisch an der Universität für Ärzte gelernt. Man führt sie in die Speiseröhre ein, pumpt dann Luft in die Sonde, woraufhin sich ein stakenförmiger Ballon öffnet und für einige Stunden durch Druck mögliche Blutungen abdichtet.
„Zu Befehl“, rief ich und weil ich keine Ahnung hatte, OB wir überhaupt so eine Sonde hatten (die Endoskopieschwester zuckte hilflos die Schultern), rief ich meine Freunde, die Intensivfachkräfte an. Diese erklärten: „Ja, über diese Sonde haben wir mal in der Intensivfachkraftschule etwas gelernt, aber benutzt haben wir das noch nie. Moment, wir glauben in einer unserer 1.000 gleich aussehenden Schubladen liegt noch ein 10 Jahre altes Exemplar. Willst du das haben?“ – „Ja, bitte!“
Prompt brachte man mir nun die Sonde und leider gab es keine Anleitung dazu, aber nach einer kurzen Experimentierphase konnten wir die ergatterte Sonde einlegen und dann transfundierte ich noch mehr Blut und organisierte mein Gerinnungsmanagement und verlegte die Patientin auf die Intensivstation und zack, zack, schon war ich fertig. Haha. Drei Stunden oder so.
Ich wanderte also zurück in die Notaufnahme. Herr Banabas war vom Röntgen zurück und schlief friedlich. Frau Glombotz hatte die Infusion erhalten und schlief auch friedlich.
„Hä?“, sagte ich. „Wo sind meine anderen beiden Patienten?“
„Jaja“, sagte Schwester Margarita, „die Polizei hat ihren Mandanten wieder mitgenommen, weil jetzt sowieso gleich Tag ist (?) und dein Erkältungspatient hat gemeint: Wenn das alles so lange dauert, könne er ja gleich heimgehen und morgen früh zum Hausarzt gehen. Dann ist er gegangen.“
Zum Blog