Psychose, Alkohol- und Drogensucht – zwei neue Studien liefern Hinweise, dass der Konsum von Cannabis schwerwiegende Folgen haben kann. In Deutschland wird indes weiter über eine Gesetzesänderung gestritten, welche die therapeutische Anwendung erleichtern soll.
Eine gefürchtete Folge des Gebrauchs von Cannabis ist die Psychose. Etwa ein Prozent aller Cannabis-Konsumenten entwickelt eine solche psychische Störung. Die Auswirkungen für die Betroffenen können gravierend und dauerhaft sein. Britische Forscher um Prof. Celia Morgan und Prof. Val Curran haben nun eine Genvariante identifiziert, mit deren Hilfe sich vorhersagen lassen könnte, wie anfällig ein Cannabis-Konsument für eine Psychose ist. Dazu ließen sie 442 junge, gesunde Probanden zu Hause einen Joint rauchen. Ihre Erfahrungen dabei wurden mit Hilfe des „Psychotomimetic States Inventory“ festgehalten. In diesem Fragenbogen wird nach Symptomen wie Halluzinationen, Wahnvorstellungen und kognitiven Störungen gefragt, die für Psychosen wie die Schizophrenie typisch sind. Sieben Tage später folgte eine erneute Evaluation der Probanden in drogenfreiem Zustand, der durch eine Haaranalyse kontrolliert wurde. Alle Studienteilnehmer, die erfolgreich das Prozedere durchlaufen hatten, wurden einer Genotypisierung unterzogen. Die Forscher stellten fest, dass bei Personen mit einer bestimmten Variante des AKT1-Gens die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten akuter psychotomimetischer Symptome während der Intoxikation signifikant erhöht war. „Dies ist die bisher größte Studie, welche die akute Reaktion auf Cannabis untersucht hat“, erklärt Studienleiter Curran. „Unser Ergebnis, dass sich das Auftreten psychotomimetischer Symptome bei „bekifften“ jungen Menschen durch die AKT1-Genvariante vorhersagen lässt, ist ein aufregender Durchbruch, denn diese akute Reaktion gilt als Marker für das Risiko einer Person, infolge des Cannabiskonsums eine Psychose zu entwickeln.“ Auch Morgan unterstützt diese Ansicht: „Sich wiederholt in einen psychotischen oder paranoiden Zustand zu versetzen, könnte einer der Gründe dafür sein, warum diese Personen in der Folge eine Psychose entwickeln, zu der es ohne den Drogenkonsum nicht gekommen wäre.“ Ihrer Meinung nach lässt sich die Identifikation einer Risiko-Genvariante nicht nur dazu nutzen, solche Nutzer zu identifizieren, die ein hohes Risiko für negative Auswirkungen des Cannabis-Konsums haben, sondern die Ergebnisse könnten auch dazu beitragen, eine zielgerichtete Therapie für die Cannabis-Psychose zu entwickeln.
Ein häufiges Argument gegen die Legalisierung von Cannabis ist, dass der Joint als Einstiegsdroge für den Konsum härterer Drogen dient. Eine neue US-amerikanische prospektive Studie [Paywall] hat nun tatsächlich eine Assoziation zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Auftreten von Substanzgebrauch-assoziierten Erkrankungen festgestellt. Dazu befragte die Gruppe um Prof. Mark Olfson vom Columbia University Medical Center in New York im Rahmen des „National Epidemiologic Survey on Alcohol and Related Conditions“ im Abstand von 3 Jahren eine repräsentative Auswahl an 34.653 Erwachsenen. Dabei stellten die Forscher fest, dass der Konsum von Cannabis mit einem ca. 6-fach erhöhten Risiko einherging, in der Folge an einer Substanzgebrauch-assoziierten Erkrankung zu leiden. Hierzu zählten auch ein erhöhtes Risiko für Alkoholmissbrauch und -sucht (Odds-Ratio, OR 2,7; 95 % Konfidenzintervall, KI 1,9-3,8) sowie Nikotinabhängigkeit (OR 1,7; 95 % KI 1,2-2,4). Je häufiger Cannabis konsumiert wurde, desto höher war auch das Risiko: „Diejenigen, die einmal pro Monat oder häufiger Marihuana konsumiert hatten, wiesen bei der erneuten Befragung mit 70,5 % die höchste Rate für Substanzgebrauch-assoziierte Erkrankungen auf“, führt Olfson aus. Auch wenn die Studie keine Aussage zur Kausalität machen kann, warnt Olfson vor den möglichen Folgen der zunehmenden Cannabis-Popularität. „Diese neue Erkenntnis legt die Möglichkeit nah, dass der jüngste Anstieg in der Verwendung von Marihuana zum zeitgleichen Anstieg schwerwiegender Folgen, die durch Betäubungsmittel und andere Drogen bedingt sind, beitragen könnte“, so Olfson. „In der laufenden nationalen Debatte darüber, ob Marihuana für den Freizeitgebrauch legalisiert werden soll, sollten die Öffentlichkeit und die Gesetzgeber berücksichtigen, dass Marihuana-Gebrauch potenziell das Risiko für die Entwicklung von Alkoholmissbrauch und anderen schwerwiegenden Drogenproblemen erhöhen könnte.“
Auch in Deutschland schlägt die Cannabis-Debatte derzeit hohe Wellen, allerdings geht es dabei um einen anderen Aspekt: Durch das „Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften“, das derzeit als Referentenentwurf vorliegt, soll die Versorgung chronisch kranker Patienten mit cannabinoidhaltigen Arzneimitteln verbessert werden. Bundesärztekammer (BÄK) und die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) begrüßten in einer gemeinsamen Stellungnahme den Entwurf zwar grundsätzlich, kritisierten aber scharf die geplante Kostenübernahme auch für getrocknete Cannabis-Blüten und Extrakte. Nach Ansicht von BÄK und AkdÄ gebe es für den Einsatz von Medizinal-Cannabisblüten keine ausreichende wissenschaftliche Evidenz. Zudem müsse berücksichtigt werden, dass der Gebrauch von Medizinalhanf keine genaue Dosierung der medizinisch wirksamen Komponenten von Cannabis erlaube. Der Gebrauch als Joint sei zudem mit den gesundheitlichen Gefahren des Tabakrauchens verbunden, daher fordern BÄK und AkdÄ eine Beschränkung der Kostenübernahme auf standardisierte und in kontrollierter Dosis einsetzbare Cannabis-Arzneien. In dieselbe Kerbe schlägt auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). Auch sie hält den Einsatz von Rezepturen für bedenklich, da bei diesen keine Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit erfolge. Es stelle sich die Frage, warum – im Vergleich zu anderen Wirkstoffen und Leistungen – für Cannabis eine Sonderstellung getroffen werden solle, die hinsichtlich der zu erfüllenden Anforderungen niedriger liege, und ob dies gerechtfertigt sei.
Und noch ein weiterer Punkt erregt den Unmut von BÄK und AkdÄ: Der Entwurf sieht nämlich vor, dass cannabinoidhaltige Arzneimittel nur dann zu Lasten der GKV verordnet werden dürfen, wenn der Versicherte unter einer schwerwiegenden chronischen Erkrankung leidet, welche die Voraussetzungen der Chroniker-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) erfüllt. Dies bedeute aber in der Praxis, dass ein erkrankter Patient zunächst ein Jahr lang mit anderen verfügbaren Arzneimitteln behandelt werden müsste, bevor eine Therapie mit Cannabis-Arzneien erstattungsfähig ist. BÄK und AkdÄ halten diese Notwendigkeit für ethisch äußerst fragwürdig, da Patienten, welche die Kosten einer Cannabis-Therapie nicht selbst tragen könnten, so ein Jahr lang mit möglicherweise weniger geeigneten Medikamenten therapiert werden müssten. Eine weitere von BÄK und AkdÄ kritisierte Voraussetzung für die Kostenübernahme ist die verpflichtende Teilnahme an einer Begleitforschung. Diese Regelung stelle faktisch einen Zwang dar und stehe somit im Widerspruch zum Leistungsrecht nach SGB V, wonach Leistungen in der GKV in aller Regel bedingungslos zur Verfügung gestellt werden. Außerdem stelle sich die Frage, inwiefern noch von einer zur Teilnahme an der Begleitforschung notwendigen Freiwilligkeit ausgegangen werden könne, wenn sich ein Versicherter faktisch unter Zwang zu einer solchen Teilnahme verpflichte.