Strahlenfibrose ist eine häufige Spätfolge von Strahlentherapien. Bei Brustkrebspatientinnen findet sich ein epigenetisches Muster, das je nach Ausprägung auf ein gesteigertes Fibroserisiko hinweist. Es könnte künftig frühzeitig als Biomarker vor hoher Fibrose-Sensitivität warnen.
Bei etwa zwei Dritteln aller Krebskranken gehört die Strahlentherapie zum Behandlungsschema, insbesondere seit Ärzte die Strahlen immer präziser auf die Tumoren lenken können. Meist vertragen die Patienten die Therapie gut, doch kann es auch zu Nebenwirkungen kommen. Besonders belastend ist die Strahlenfibrose, die die Lebensqualität der Patienten oft stark beeinträchtigt. Zu Strahlenfibrosen kommt es beispielsweise nach Bestrahlung von Tumoren der Harnblase oder der Lunge. Bei Brustkrebs sind bis zu fünf Prozent der Patientinnen betroffen. „Wenn Ärzte bereits bei der Diagnosestellung wüssten, welche Patientinnen ein besonders hohes Fibrose-Risiko haben, könnte man die Strahlendosis reduzieren oder auf andere Therapien ausweichen“, sagt Odilia Popanda vom Deutschen Krebsforschungszentrum.
Eine Strahlenfibrose tritt oft erst mehrere Monate bis Jahre nach der Therapie als Spätfolge auf. Im Gegensatz zu vorübergehenden Nebenwirkungen wie Fatigue oder Durchfällen bildet sich die Fibrose nicht wieder zurück. Die wenigen genetischen Marker, die mit einer besonderen Anfälligkeit für die Fibrose in Verbindung stehen, können die Häufigkeit der Erkrankung nicht befriedigend erklären. Popanda und Kollegen gingen nun Hinweisen nach, dass bestimmte epigenetische Merkmale solche zellulären Signalwege deregulieren könnten, die für die Entstehung der Fibrose ausschlaggebend sind. „Besonders hat es uns interessiert, ob wir bereits vor Beginn der Strahlentherapie epigenetische Abweichungen identifizieren können, die auf ein hohes Fibrose-Risiko hindeuten“; erklärt Popanda. Dazu isolierten sie und ihre Kollegen Bindegewebszellen aus Hautbiopsien von 75 Brustkrebspatientinnen, die vor der Bestrahlung entnommen worden waren. Am Erbgut der Zellen analysierten die Forscher genomweit das Methylierungsmuster der DNA.
Eine besonders deutliche Korrelation mit dem späteren Auftreten einer Strahlenfibrose fanden die Forscher für das genetische Verstärkerelement des Enzyms DGKA (Diacyl-Glycerol Kinase alpha). Patientinnen, deren DGKA-Verstärker („enhancer“) nur schwach mit Methylgruppen besetzt war, erwiesen sich als besonders Fibrose-sensibel. „Ist dieser Genverstärker nur schwach methyliert, so können dort bestimmte Transkriptionsfaktoren andocken, das DGKA-Gen wird öfter abgelesen, was letztendlich zu einer Aktivierung der Bindegewebszellen führt“, fasst Christof Weigel, der Erstautor der Studie, die komplexe Kaskade zusammen. Behandelten die Forscher Hautzellen in der Kulturschale mit einem Wirkstoff, der das Enzym DGKA spezifisch hemmt, so fiel die Aktivierung der Bindegewebszellen, die als kritischer erster Schritt der Fibrose gilt, schwächer aus. Odilia Popanda und ihre Kollegen freuen sich, dass sie nicht nur einen Marker für das Fibrose-Risiko entdeckt haben, sondern möglicherweise auch einen Weg, der belastenden Nebenwirkung vorzubeugen: Mit DGKA-Inhibitoren ließen sich bereits das Wachstum von Krebszellen hemmen und entzündliche Zustände erfolgreich bekämpfen, möglicherweise können sie auch eingesetzt werden, um Strahlenfibrosen zu verhindern. Originalpublikation: Epigenetic regulation of diacylglycerol kinase alpha promotes radiation-induced fibrosis Christoph Weigel et al.; Nature Communications, doi: 10.1038/ncomms10893; 2016