Gerade der Arztberuf ist für viele Menschen – egal welcher Herkunft oder Religion – sehr attraktiv. So hat das Medizinstudium auch bei vielen jungen Flüchtlingen einen hohen Stellenwert. Besonders an der Uni Rostock zeigt man sich flexibel und bereitet spezielle Angebote vor.
Die Geschichte des jungen syrischen Flüchtlings Zakaria mutet an wie ein Märchen. Im Interview mit dem Deutschlandfunk spricht er in hervorragendem Deutsch von seinem großen Traum, einem Medizinstudium in Deutschland. Es handelte sich um eine Reportage über die Situation der Kriegsflüchtlinge auf der griechischen Insel Lesbos. Zufällig wird Zakaria unter tausenden Menschen für ein Gespräch mit Radioreporter Michael Lehmann ausgewählt. Und zufällig hört der deutsche Mediziner Martin Friedrich dieses Interview. „Als ich den jungen Mann hörte, beschloss ich sofort, ihm zu helfen. Aus diesem Grund setzte ich mich mit der entsprechenden Redaktion in Verbindung“, erinnert sich Friedrich. Es war die große Motivation Zakarias, die den deutschen Arzt faszinierte. Das typische Prozedere eines monatelangen Aufenthaltes in einem Erstaufnahmelager wollte Friedrich dem jungen Mann unbedingt ersparen. Er vermittelt Zakaria deshalb einen Platz in der Bethel-Stiftung, für die der Arzt regelmäßig spendet. Der junge Syrer erhält hier eine Stelle für ein Freiwilliges Soziales Jahr und kann so die Zeit des „Nichtstuns“ sinnvoll überbrücken. Zakaria ist nicht der echte Name des 21-Jährigen. Aus Angst vor Repressalien gegen seine in Syrien zurückgebliebenen Eltern möchte er seinen echten Namen nicht nennen. Seine Flucht führte ihn über Griechenland, Mazedonien und Ungarn schließlich nach Wien. Mehrmals verabredeten sich Martin Friedrich und Zakaria zu einem Treffen, zuletzt in der österreichischen Hauptstadt und in München. In beiden Städten verpassten sie sich. Eine Bescheinigung der Bezirksregierung Arnsberg über seinen geplanten Dienst in der Bethel-Stiftung erlaubt es dem Syrer, von München aus weiter zum Erstaufnahmelager nach Detmold zu reisen, ganz in der Nähe seines künftigen Arbeitsortes. Sein Weg dorthin führe ihn über Hannover, wo er seinem Helfer Martin Friedrich das erste Mal gegenübersteht. „Ich war sehr glücklich“, erinnert sich Zakaria. Mittlerweile lebt er in Bielefeld, arbeitet in einem Krankenhaus und spielt Fußball in einem Verein. Am 20. Oktober 2015 fand an der an der Universität zu Köln eine Sitzung der Medizinischen Fakultät statt. Thema des Zusammentreffens war die Frage, wie Flüchtlingen mit dem Berufswunsch Arzt zu einem Studienplatz verholfen werden kann. Auch Martin Friedrich war zu dem Treffen geladen und wollte sich für Zakaria einsetzen, dass er schon bald die letzte Hürde zum Medizinstudium meistern kann.
Zugegebenermaßen können die allerwenigsten Flüchtlinge auf so ein großer Glück und einen derart einflussreichen Partner an der Seite bauen wie Zakaria. Dennoch zeigen sich viele Universitäten flexibel und bereiten spezielle Angebote für junge Menschen aus den Krisenregionen vor. Besonders engagiert zeigt man sich diesbezüglich an der Ostsee. Die Universität Rostock bietet seit November 2015 Sprachkurse und spezielle Beratungsangebote für Flüchtlinge an. „Rund 200 junge Menschen werden derzeit auf diese Weise betreut, die meisten davon kommen aus Syrien“, weiß Michael Paulus, Direktor des Rostock International House der Hochschule. Die Abteilung ist zuständig für sämtliche internationale Angelegenheiten des Studentenlebens in der Mecklenburgischen Hafenstadt. Auch unter den Rostocker Flüchtlingen hat die Humanmedizin einen enorm hohen Stellenwert. Paulus schätzt, dass knapp die Hälfte sich für ein Medizinstudium interessiert. „Der Beruf des Arztes ist nach wie vor sehr attraktiv“, so der Universitätsvertreter. Fachlich ist dies bei den meisten auch kein Problem, das größte Hindernis stellt tatsächlich die Sprache dar. Michael Paulus fasst es folgendermaßen zusammen: „Im Forschungsbereich kann man sich vielfach noch mit Englisch behelfen. Die Kommunikation mit Patienten erfordert aber zwingend einen spielenden Umgang mit der deutschen Sprache.“
Aus diesem Grund baut die Universität Rostock ihr Angebot an Sprachkursen noch weiter aus. Etwa gegen Mitte des Jahres ist damit zu rechnen, dass sich das Kontingent noch um weitere Sonderkurse erweitern wird. Neben den anderen Hürden, die für eine Zulassung im Fach Humanmedizin zu nehmen sind, ist die höchste sprachliche Qualifikation zu erbringen. Die offiziellen Deutschkurse gliedern sich – je nach Niveau – in die Kategorien A1 bis C2. Um ein Medizinstudium zu beginnen, muss ein Sprachzertifikat der Stufe C2 vorgelegt werden. Für C1 sind – bei schnellem Lernfortschritt – etwa zehn Monate einzukalkulieren. Jedoch schwankt der Lernfortschritt sehr stark. „Derzeit läuft ein Deutschkurs, den wir aufgrund des unterschiedlichen Vorankommens eigentlich trennen müssten“, heißt es von Seiten der Universität. Natürlich spielt das individuelle Talent immer eine Rolle bei dem Erlernen einer neuen Sprache oder Wissenschaft. Paulus kennt aber einen noch viel wichtigeren Punkt: „Die Mehrzahl der Flüchtlinge hat furchtbare Dinge erlebt, viele von ihnen sind schwer traumatisiert. Da dauert es eine ganze Weile, bis sie wieder normale Leistung erbringen können.“
Auch unter Einheimischen ist bekannt, dass eine Zulassung zum Studium der Medizin alles andere als ein Spaziergang ist. Einem prognostizierten Ärztemangel stehen schwindelerregende NC-Werte entgegen. Diejenigen, die sich gerne Klinik, Forschung usw. widmen möchten, sehen sich ohne Spitzenabi oftmals einer jahrelangen Wartezeit gegenüber. Die Frage ist berechtigt, wie unter solchen Voraussetzungen eine Aufnahme von Flüchtlingen praktisch umgesetzt werde soll. Klar ist: Niemand darf bevorzugt oder gar vernachlässigt werden. Wer sich bereits im fortgeschrittenen Studium befindet oder gar kurz vor dem Abschluss steht, hat es etwas leichter. Aber für Flüchtlinge, die ein Erststudium in Medizin aufnehmen möchten, ist es sehr schwer. Zunächst einmal wird auch auf die Note geschaut und die muss natürlich – wie bei den deutschen Kommilitonen – sehr gut bis überragend sein. Allerdings geht der Trend mittlerweile zunehmend weg von der Abiturnote hin zu spezifischen Aufnahmetests. „Medizinertest“ heißt dieser Fragenkatalog, der den Arzt in spe sprichwörtlich „auf Herz und Nieren“ prüft. Ein ähnliches Prozedere soll zunehmend auch bei ausländischen Bewerbern zum Tragen kommen. „Das neue Verfahren heißt TestAS und wurde speziell für Studienbewerber entwickelt, die nicht aus unserem Land kommen“, weiß Paulus von der Universität Rostock. Im Rahmen dieses zentralen und standardisierten Tests werden die kognitiven Fähigkeiten geprüft, die für ein Hochschulstudium in Deutschland wichtig sind. Außerdem lernen die Teilnehmer bereits typische Anforderungen des von ihnen angestrebten Studiums kennen. Inwiefern die Zulassung zu einem Medizinstudium durch TestAS möglich ist, hängt von der einzelnen Hochschule ab. Denn nicht alle Hochschulen akzeptieren dieses Verfahren.
Noch einmal zurück zu Zakaria: Die Geschichte des jungen Mannes zeigt, wie viel Potenzial viele Flüchtlinge mit in unser Land bringen. Gerade der Arztberuf ist für viele Menschen egal welcher Herkunft oder Religion sehr attraktiv. Angesichts des drohenden Ärztemangels sollte sich Deutschland über jeden neuen Medizinstudenten freuen. In Wirklichkeit ist die Situation aber prekär wie nie. Immer noch kommen auf einen Medizinstudienplatz mindestens fünf Bewerber. Damit bleibt es für alle – ob Flüchtling oder Einheimischer – eine große Herausforderung, den Wunschstudienplatz zu erhalten. Mehr Studienplätze bleiben die allgegenwärtige Forderung.