Mittels der Kardiotokographie wird der Gesundheitszustand des Babys während der Geburt überwacht. Das Verfahren soll ein schnelles Eingreifen ermöglichen. Inwiefern die Handlungsentscheidungen der Geburtshelfer tatsächlich beeinflusst werden, zeigt ein internationaler Vergleich.
Um den Gesundheitszustand des Babys während der Geburt verfolgen zu können, wird die Kardiotokographie (CTG) als Standardverfahren eingesetzt. Diese zeigt an, wie sich der Zustand des Babys im Verlauf der Geburt entwickelt, damit bei Bedarf schnellstmöglich eingegriffen werden kann. Dr. Philipp Reif, Klinische Abteilung für Geburtshilfe der Med Uni Graz, analysierte mit einem internationalen Team die Interpretation der CTG-Aufzeichnungen und deren Einfluss auf die Handlungen der Geburtshelfer.
Die Kardiotokographie ermöglicht die parallele Registrierung und Aufzeichnung der Herzschlagfrequenz des ungeborenen Kindes und der Wehentätigkeit der werdenden Mutter. „Das Verfahren wird sowohl in der Schwangerschaftsbetreuung als auch bei der Überwachung während der Geburt eingesetzt, um die Gesundheit des Babys zu kontrollieren“, erklärt Reif. Zur Interpretation des Gesundheitszustandes wird neben der Herzfrequenz unter Berücksichtigung der Wehentätigkeit auch das Schwangerschaftsalter beziehungsweise der bisherige Geburtsfortschritt herangezogen. Vorrangig dient die Kardiotokographie zur Erkennung einer unzureichenden Sauerstoffversorgung des Kindes. „Die CTG-Kurve zeigt den Geburtsthelfern an, ob sie eingreifen müssen, um eine Gefährdung des Babys zu verhindern“, so Reif weiter. Zur Dokumentation, Nachvollziehbarkeit und Prüfung von Handlungsmaßnahmen des Geburtshilfepersonals können die Aufzeichnungen des Verfahrens herangezogen werden. Die Mehrheit aller Kardiotokographie-Begutachtungen und Fallanalysen erfolgt rückblickend, zumeist ausgelöst durch suboptimale neonatale Outcomeparameter. „Auch wenn anzunehmen ist, dass vorliegende Einzelergebnisse aus der CTG-Auswertung die Interpretation des Geburtshilfepersonals beeinflussen, wurde dies bisher nicht überprüft“, sagt Reif.
Die Auswirkungen des Wissens über das neonatale Outcome auf die aus der CTG-Interpretation abgeleiteten klinischen Handlungsempfehlungen wurden bisher nur unzureichend untersucht. Auch die Beeinflussbarkeit in Hinblick auf die Berufserfahrung und Profession von Ärzten, Geburtshelfern und Hebammen ist unklar. Das Team von internationalen Wissenschaftlern analysierte 42 CTG-Aufzeichnungen von Frauen mit Einlingsschwangerschaften in sieben Universitätskliniken in Österreich, Belgien, Frankreich, Deutschland und Slowenien. Die Wissenschaftler aus Österreich, Belgien, Frankreich, Deutschland, Slowenien und Portugal führten zur Überprüfung der Wirksamkeit der Methode eine Prospektive Multicenter Online-Studie durch. Bei der Analyse ging es um die Interpretation von CTG-Aufzeichnungen mehrerer Geburten, einmal ohne Wissen darüber, wie das fetale Outcome ist, und einmal mit Wissen über das Outcome. Mittels Online-Fragebogen interpretierten 123 Assistenzärzte, Fachärzte, geburtshilfliche Abteilungsleiter und Hebammen ohne Wissen des fetalen Outcomes dieser 42 CTGs und trafen damit verbundene Handlungsentscheidungen. 2 Monate später bewerteten 93 dieser 123 Teilnehmer dieselben CTGs in veränderter Reihenfolge neuerlich, diesmal mit Wissen um den arteriellen Nabelschnur-pH-Wert der Neugeborenen.
„Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass die Interpretationen und damit verbundenen Handlungsempfehlungen divergieren. Assistenzärzte, Fachärzte, geburtshilfliche Abteilungsleiter und Hebammen schätzen die gleichen Situationen ohne die Auswertungen des CTG-Verfahrens oftmals anders ein, als mit dem Wissen über das Outcome“, fasst Reif zusammen. Nicht nur, dass sie die Fälle mit dem Wissen um das Outcome anders einschätzen, auch ihre Handlungsempfehlungen unterscheiden sich deutlich. Dies ist ein klarer Hinweis auf die Beeinflussung der Analyse des CTG-Verfahrens auf das medizinische Personal. Weiter zeigte die Analyse, dass die Gruppe mit 5 bis 10 Jahren Berufserfahrung am konsistentesten in der Interpretation ist - sprich diese Gruppe wird am wenigsten durch das Wissen um den Outcome beeinflusst. Personen mit mehr als 10 Jahren Berufserfahrung sind weniger konsistent d.h. werden stärker von den Outcomeparametern beeinflusst. Diese Information hat Bedeutung für die postpartale Bewertung von CTG-Aufzeichnungen. Hier soll immer aus der ex ante Sicht beurteilt werden, da nur diese ex ante Sicht den handelnden Personen im realen Geburtsverlauf zur Verfügung steht. Originalpublikation: Does knowledge of fetal outcome influence the interpretation of intrapartum cardiotocography and subsequent clinical management? A multicentre European study Philipp Reif et al.; BJOG: An International Journal of Obstetrics & Gynaecology, doi: 10.1111/1471-0528.13882; 2016