DocMorris gegen Deutschland – am 17. März standen beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) einmal mehr Rx-Boni auf der Agenda. Der Versender versucht nach wie vor, eigene Pfründe zu sichern – mit ungewissem Ausgang.
Seit Versandapotheken diesseits und jenseits europäischer Grenzen keine Preisvorteile auf verschreibungspflichtige Medikamente mehr geben dürfen, ist das Rx-Segment bei ihnen stark eingebrochen. Kein Wunder, dass Versender alle Wege ausschöpfen, um die Preisbindung auszuhebeln. In einem Stellvertreterkrieg der besonderen Art klagen sich die Deutsche Parkinson Vereinigung (DPV) als Befürworter und die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs als Gegner durch alle Instanzen. Beide Parteien hatten am 17. März die Möglichkeit, Argumente vorzutragen. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob deutsche Regelungen, sprich Paragraph 78 Absatz 1 Satz 4 des Arzneimittelgesetzes (AMG), als nicht zu rechtfertigende Eingriffe in den EU-Binnenmarkt zu verstehen sind.
Vertreter der Deutschen Parkinson Vereinigung (DPV) als Patienten-Selbsthilfegruppe sprechen sich gegen Einschränkungen durch das AMG aus. Sie bewerten die aktuelle Situation als Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit entgegen europäischen Prinzipien. Dass Boni für unser Gesundheitssystem gefährlich werden könnten, bestreiten DPV-Vertreter. Schließlich zählten, wie es in der Stellungnahme heißt, Deutschlands Apotheker zu den „Top-Verdiener unter den freien Berufen“. Der Bundesregierung wurde vorgeworfen, aus protektionistischen, rein wirtschaftlichen Gründen gesetzliche Einschränkungen erlassen zu haben. Daraus könne man ökonomische Nachteile für Versender aus anderen EU-Staaten ableiten. Die EU-Kommission ist ebenfalls der Auffassung, die Preisbindung sei nicht europarechtskonform.
Ganz anders beurteilten Vertreter der Wettbewerbszentrale die Sachlage. Sie wiesen darauf hin, dass einseitige Preisunterbietungen durch Versandapotheken aus anderen Mitgliedsstaaten Deutschlands Arzneimittelversorgung nachhaltig gefährdeten. Gleichzeitig hätten EU-Mitgliedsstaaten die Möglichkeit, individuelle Maßnahmen zu treffen, um die Gesundheit von Bürgern zu schützen. Dies stehe in Einklang mit früheren Rechtsprechungen des EuGH. Außerdem habe sich Deutschland die Entscheidung nicht leicht gemacht – bis ein Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe schließlich das Grundsatzurteil fällen konnte. Vertreter der Apothekerschaft und der Bundesregierung halten Einschränkungen ebenfalls für gerechtfertigt. Das Argument ihrer Gegner, es käme zu wirtschaftlichen Nachteilen, weisen sie von der Hand. Ein Berichterstatter führte steigende Rx-Umsätze bei DocMorris in 2013 und 2014 an. Sinkende Zahlen an Neukunden könnten viele Gründe haben, nicht nur deutsche Regularien, hieß es weiter.
Nach dem Schlagabtausch, viele Argumente waren zu erwarten, wagt niemand eine Prognose, wie das Verfahren enden könnte. Der Generalanwalt am EuGH wird am 2. Juni seine Schlussanträge präsentieren. Wann mit einem Urteil zu rechnen ist, weiß noch niemand.