Ein amerikanischer Anbieter mischt den Markt mit Gentests auf. Zum unschlagbaren Preis von 249 US-Dollar können sich Patientinnen auf die Suche nach Mutationen in 19 bekannten Krebsgenen machen, Beratung inklusive. Ein kritischer Blick hinter die Kulissen.
In den USA sorgt Color Genomics für Schlagzeilen. Das Startup-Unternehmen aus Burlingame, Kalifornien, bietet einen Speicheltest für Frauen an, um nach 19 Krebsgenen zu fahnden. Dazu gehören ATM, BARD1, BRCA1, BRCA2, BRIP1, CDH1, CHEK2, EPCAM, MLH1, MSH2, MSH6, NBN, PALB2, PMS2, PTEN, RAD51C, RAD51D, STK11, TP53. Ziel ist, mögliche Risiken eines Mamma- oder Ovarialkarzinoms zu bestimmen. Anders als bei Konkurrenzprodukten wird der Test ausschließlich über Ärzte abgegeben. Health Professionals erhalten zum Preis von 249 Dollar ein Kit für Patienten, um Proben zu nehmen und in den Labors von Color Genomics untersuchen zu lassen. Resultate gehen in verständlicher, kommentierter Form direkt an Laien.
Der niedrige Preis erstaunt selbst amerikanische Kollegen. Wie die gemeinnützige Brustkrebs-Organisation Breastcancer.org gegenüber DocCheck berichtet, schlagen Tests in den USA mit 300 bis 5.000 Dollar zu Buche – je nach Umfang der Untersuchung, sprich Zahl der Gene. Entsprechende Kosten übernehmen Versicherungen nur in manchen Fällen. Blue Cross Blue Shield of North Carolina setzt beispielsweise voraus, dass Krebserkrankungen oder genetische Risiken bei nahen Verwandten vorhanden sind, was Screenings nahezu unmöglich macht. In Deutschland sind etwa 3.000 Euro fällig - ein Rechtsanspruch auf Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen besteht nicht. Die Problematik: „Nur 15 Prozent aller Trägerinnen wissen von ihrem Risiko und haben die Möglichkeit, zusammen mit ihren Ärzten nach Lösungen zu suchen“, erklärt Othman Laraki, Gründer von Color. Selbst Patientinnen ohne hinreichenden Versicherungsschutz könnten sich den neuen Test leisten.
Othman Larakis' Konzept basiert auf mehreren Faktoren: Sequenzierungen der nächsten Generation (next generation sequencing) haben den Markt revolutioniert. Sie liefern in kürzester Zeit Ergebnisse, und der Preis sinkt Jahr für Jahr. Color Genetics gab sich damit nicht zufrieden, sondern versucht, „Big Data“ effizient zu managen. „Unser Fokus liegt auf der Anwendung großer, leistungsfähiger Softwaresysteme für die Präzisionsmedizin“, sagt Kelly Tangney von Color Genetics zu DocCheck. Jeder Teilschritt sei analysiert worden, um herauszufinden, wie sich Kosten – beispielsweise durch weitere Automatisierung – reduzieren ließen. Schließlich entstand eine Plattform zur effizienten Auswertung von Bits und Bytes. Tangney: „Der Preis ist um den Faktor Zehn gesunken – bei hoher Qualität.“
Die Expertin verweist auf Akkreditierungen gemäß CAP (College of American Pathologists) beziehungsweise CLIA (Clinical Lab Improvement Amendment CLIA) und auf interne Standards. Weitere Zulassungsverfahren sind nicht erforderlich: „Labortests fallen derzeit – ähnlich wie Medizinprodukte zur In-vitro-Diagnostik – nicht unter die Regularien der FDA. Zu dieser Kategorie gehören Color und ähnliche Anbieter molekularbiologischer Tests“, erklärt Kelly Tangney. Ganz unreguliert ist der Markt aber nicht. Behörden legen großen Wert darauf, dass Hersteller Patienten keine Tests auf direktem Wege anbieten, was „23 and Me“ seinerzeit aus voller Fahrt bremste. US-Medien berichten jetzt, dass die FDA drei weitere Firmen mit Direct-to-Consumer-Tests im Angebot verwarnt hat: DNA4Life, DNA-CardioCheck und Interleukin Genetics. Color Genetics ist durch sein Vertriebsmodell über Ärzte außen vor und versucht jetzt, den europäischen Markt zu erschließen. Was sagen Kollegen aus Deutschland?
„Nach Studium der Informationen im Web scheint es eine seriöse Sache zu sein“, so Dr. Ralf Berg, Facharzt für Allgemeinmedizin und Anästhesie, aus Ühlingen-Birkendorf. Negative Ergebnisse führen zu keinem weiteren Beratungsbedarf, könnten aber vielen Frauen die Angst nehmen. Bei positiven Resultaten stehe und falle alles mit der Qualifikation von Medizinern, die beraten. „Diese Beurteilung erfordert Spezialwissen“, gibt Ralf Berg zu bedenken. „Wenn es stimmt, dass die MDs die angegebenen Qualifikationen haben, wäre meiner Einschätzung nach die Beratungsqualität gegeben und sofern diese wirklich kostenfrei beziehungsweise inklusive ist, auch ein günstiges Angebot.“ Er bemängelt jedoch, dass Gespräche mit Experten von Color Genetics auf Englisch stattfänden – lediglich „Native Speakers“ würden alles verstehen. Sein Fazit: „Das Angebot ist günstig, wenn im positiven Fall, wie angepriesen, auch eine ausführliche, fachkundige Nachbesprechung durch Mitarbeiter mit ausgewiesener Qualifikation erfolgt und vom Patienten verstanden wird.“ Bleibt abzuwarten, ob Color Genetics andere Konzerne mit dem Geschäftsmodell unter Druck setzt, damit sie Innovationen umsetzen und ihre Preisgestaltung überdenken.